Auf dem Sofa in die weite Welt. Zuender empfiehlt Weblogs, die sich zu lesen lohnen
Selten hat man so viel Zeit wie während der Weihnachtstage. Und selten ein größeres Bedürfnis, sie totzuschlagen. Zeitschriften empfehlen deshalb zu Weihnachten gerne Bücher. Zum Schenken und Schenkenlassen. Wir finden, Bücher sind total überschätzt. Sie sind sperrig und im Koffer schlecht zu transportieren.
Bessere Idee: Papi und Mami zu Weihnachten Breitband-Internet schenken und dann drei Tage lang im Netz lesen. Unsere Autoren und Autorinnen sagen euch, wo.
Man kennt ja das Dilemma: Eigentlich möchte man scharfsinnige politische Essays lesen, die dem lieb gewonnenen Weltbild ein paar saftige Ohrfeigen verpassen, Klischees entlarven und neue Denkprozesse anstoßen. Aber so verlockend ist die Aussicht dann doch nicht, den Abend mit einer faustdicken Quartalsschrift zu verbringen, die selbst auf der Titelseite auf Fotos verzichtet.
Um diesem Problem Abhilfe zu verschaffen, machen ein paar clevere Amerikaner das Foreign Policy-Magazin, die erste gut aussehende Fachzeitschrift der Welt. In Hochglanz und begleitet von großformatigen Fotos bringt Foreign Policy Analysen und Kommentare zum weltpolitischen Geschehen. Das ist optisch genauso gut wie inhaltlich.
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Der Haken an der Sache: das Heft erscheint nur alle zwei Monate. Umso besser, dass es Passport gibt, das Blog der Foreign Policy-Redaktion. Werktags liest man dort entspannt informell geschriebene Medienschauen, Kurzanalysen, Kommentare und Statistiken und zum Wochenende auch schöne, bunte Fotostrecken.
Es ist eines der großen, urbanen Mysterien: Wie kann es sich das örtliche Szenevolk bei den gepfefferten Mietpreisen in Manhattan eigentlich noch leisten, schicke Klamotten zu kaufen und nachts auf den Tanzflächen der Stadt Körperteile und Champagner-Flaschen zu schütteln? Eine Antwort darauf bietet der New Yorker Nightlife-Fotograf Merlin Bronques nicht aber immerhin dokumentiert er den Exzess.
Nachdem Bronques als lokaler Fotoblogger begann, ist er mittlerweile im ganzen Land auf hippen Abendveranstaltungen unterwegs. Als Fotograf wird er für Partys in Miami und LA gebucht, dieses Jahr veröffentlichte seinen ersten Bildband und schoss zuletzt die Motive für die europäische Converse-Werbekampagne.
Je nach ästhetischer Präferenz des Betrachters eignet sich das hervorragend für Sozialneid oder für Lästereien über das urbane Hipstervolk (Guck mal diese Brille! Und die Neon-Leggins erst!). Wie die sich das alles leisten können, bleibt allerdings ihr Geheimnis.
Dafür, dass er auf seiner Website Nacktfotos mit MP3-Downloads kombiniert, braucht man Tsuru, den Menschen hinter
Tsururadio
, nicht mehr loben. Pornografie ist ja mittlerweile auch im Feuilleton angekommen. Außerdem kommen die Bilder in seinem Blog alle sehr zahm und heterojungsmäßig daher: Zu sehen sind nur am Massengeschmack entlang genormte Frauenkörper, getarnt als, ähem, Kunst.
Aber: die Musik! Abgesehen von einigen Prog-Rock-Jugendsünden veröffentlicht Tsuru vor allem Folk, Indie- und Twee-Pop, also schöne, melodische, manchmal etwas harmlose Gitarren-Popmusik. Besonders großartig an Tsuru ist, dass er sich die Mühe macht, hin und wieder Mixtapes zusammen zu stellen und sogar ganze Vinyl-Alben auf seinen Computer überspielt und unautorisiert zum Download anbietet. Let It Die von Feist zum Beispiel, Meat Is Murder von The Smiths oder Oh, Inverted World von den Shins. Damit sollte man es eigentlich gut über die Feiertage schaffen, auch wenn im Radio nur Wham! läuft.
Das Musikblog aurgasm.us ist ein Trüffelschwein: Paul aus Boston, Julija aus Vilnius und einige andere Autoren schreiben dort an einem musikalischen Multiplum. Was das heißt, hab ich vergessen. Irgendwas auf norwegisch, Allerlei oder so. Auf jeden Fall super.
Auch berufsbedingt, aber vor allem aus Interesse am Mediengeschehen lese ich das Schweizer Medienleseblog täglich. Morgens um sechs vor neun gibt es dort immer Links rund um Medienthemen.
Die Schweizerin Sarah Genner schreibt dort über Politik und Weblogs zum Teil, weil sie ihre Abschlussarbeit genau zu diesem Thema geschrieben hat (die dort auch im Volltext abrufbar ist), zum Teil, weil sie das Thema einfach spannend findet. Sie findet häufig nette Sachen, auf die einen Blick zu werfen lohnt.
Superbes Weblog zum Thema Webdesign mit unglaublich guten und ausführlichen Berichten. Geschrieben wird es von Sven Lennartz und Vitaly Friedman, die auch http://www.drweb.de betreiben. Das Magazin ist ein Füllhorn an Informationen zum Thema.
John Chow ist ein schräger Vogel, der ausschließlich über das Thema "Online Geld verdienen" bloggt. Der Spaß an diesem Weblog liegt darin, daran teilzuhaben, dass jemand erfolgreich ist. Einerseits schreibt Chow sehr ehrlich, andererseits arbeitet er kontinuierlich in die eigene Tasche. Das macht er aber so smart und offenkundig, dass man gerne seine Tipps und Ausflüge liest.