////

Selbstmarketing

Was zählt ist Vernetzung, Baby

Wie werde ich Web 2.0-Guru? Oder Journalist? Und wie komme ich in eine wirklich coole Agentur? Erfinde dich einfach neu! Teil drei der Serie

Im dritten Teil unserer Serie geht es darum, wie du dich als Journalist, in Werbe- und PR-Agenturen, oder einfach nur als Experte für Internetfragen aller Art positionierst. Anders als im vorherigen Teil gibt es dieses Mal kein fest definiertes Karriereziel. Vielmehr wollen wir erreichen, dass du einen Zugang zu dem findest, das gemeinhin als „Was mit Medien“ beschrieben wird. Ein weites Feld – darum ist es besonders wichtig, dass du dich zeitig spezialisierst.

Zur Übersicht: Alle Teile der Serie

Schritt 1: Finde dein Thema

Such dir ein Sachgebiet, das im weitesten Sinne mit dem Internet zu tun hat. Am besten eines, in dem es noch nicht zu viele Experten gibt. Sehr gut laufen zur Zeit Themen wie Datenschutz und Bürgerrechte, die Zukunft der Arbeit oder des digitalen Eigentums (siehe auch Schritt 3).

Du kannst aber auch darüber schreiben, wie es ist, in Berlin zu wohnen. Oder wie es ist, nicht in Berlin zu wohnen. Du kannst über deinen Beruf schreiben, oder darüber, dass du keinen Beruf hast. Sei kreativ! Sei schlau! Denke quer!

Schritt 2: Integriere dich

Hast du ein Thema gefunden, müssen die anderen davon erfahren. Die Schwierigkeit in diesem Fall: Du wendest dich nicht an eine fest definierte Zielgruppe (wie zum Beispiel die Personalchefs im vorherigen Teil dieser Serie ), sondern an eine bunt gemischte Menge von Leuten, deren einzige Gemeinsamkeit es ist, dass sie im Internet kommunizieren.

An diese Internet-Community musst du Anschluss finden. Nur so hast du eine Chance, irgendwann anerkannt zu werden. Der übliche Weg führt über ein eigenes Weblog (eine Reihe von Links zu Dienstleistern findest du hier in Schritt 1 ).

Lege also ein Blog an. Ganz wichtig: die URL muss prägnant sein und zu deinem angestrebten Image passen. Sie ist nicht nur Webadresse, sondern dein Markenkern.

Eine schlechte Lösung wäre also: zrc17onl.blogspot.com . Gut dagegen: kollateralspass.de , hauptsachefrieden.net oder elbvista.com .

Deinen eigenen Namen zu verwenden, ist in diesem Fall keine gute Idee, es sei denn, du hast einen wirklich coolen Namen!

Frage: Was ist mit anderen Online-Plattformen?

Das ist eine schwierige Frage. Von StudiVZ solltest du dich auf jeden Fall fernhalten – die Betreiber sind in der Szene vor langer Zeit in Ungnade gefallen. Finger weg auch von Second Life ! Das Online-Rollenspiel gilt mitlerweile als maßlos überschätzt.

MySpace dagegen dürfte gerade so noch okay sein. Besser sind spezialisierte Dienste wie last.fm (Musik), del.icio.us (Social Bookmarking), flickr (Fotos) oder twitter (Kurznachrichten).

Als weiteres Vernetzungswerkzeug kommt – etwas überraschend – die Realität hinzu. Aber dazu später.

Schritt 3: Publiziere!

Nun musst du Content schaffen. Schreibe mindestens einmal täglich in deinem Blog, gute Blogger schaffen mehrere Eiträge pro Tag. Faustregel: Häufigkeit geht vor Länge und Gehalt!

Schreib regelmäßig, aber nicht ausschließlich, über dein Thema (siehe Schritt 1). Zeige, dass du von deinem Sachgebiet etwas verstehst, indem du kryptische Kurzmeldungen aus Nachrichtendiensten verlinkst und kurz kommentierst. Wenn also Datenschutz dein Metier ist, kannst du das so machen: „Huch, 1984 ist noch nicht vorbei: Samsung verpackt Stasi-Methoden jetzt auch in Handys (via Heise)“. Es ist nicht so wichtig, ob andere den Zusammenhang verstehen – Hauptsache du tust es!

Natürlich solltest du auch Dossiers schreiben und hin und wieder den Erklärbär für Laien spielen. Das ist allerdings eine Menge Arbeit, übertreibe es damit nicht.

Eine gute Möglichkeit, mit wenig Aufwand Publicity zu bekommen: Produziere einen Film zu deinem Thema. Wenn du also einen gewissen Verdacht gegenüber öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten hegst (siehe Schritt 5), fasse alle deine Kritikpunkte in einer animierten Diashow zusammen. Ähnliche Filme gibt es bereits über: 9-11 , Google , den Überwachungsstaat , die Zukunft des Internets .

Schritt 4: Sei witzig!

Schritt 4: Sei witzig!

Schritt 4: Sei witzig!

Neben deiner thematischen Arbeit musst du auch beweisen, dass du ein witziger Typ bist. Schreibe hin und wieder ironisch über deinen Alltag, deine Freunde oder einfach die Tagesschau. Lies andere Blogs, so wirst du schnell merken, welche Sorte von Humor gefragt ist.

Weise auf gute neue Musik hin (auch hier: vorher im Netz informieren, was gute Musik ist) oder auf peinliche Filme bei Youtube . Mit etwas Glück bist du der erste, der eine Perle gefunden hat. Dann verlinken viele andere Blogger auf dein Weblog und du wirst schnell berühmt .

Schritt 5: Lerne zu hassen

In der Blogosphäre (so nennt sich die Internet-Community, an die du ran willst, manchmal) hasst fast jeder irgendwen oder -was: die GEZ, einen bestimmten Journalisten (oder alle Journalisten), eine Zeitung oder die Massenmedien allgemein, die USA, Deutschland, bestimmte Werbekampagnen, Wolfgang Schäuble, den Ausdruck Web 2.0, Handy-Klingeltöne ...

Such auch du dir ein Hassobjekt. Dabei kannst du dich entweder an anderen Bloggern orientieren und mit ihnen mithassen, oder aber etwas neues hassenswertes finden – vielleicht freuen sich auch andere über frische Ideen.

Schritt 6: Finde Open Source gut

Du wirst auf dem Weg zu deiner Zielgruppe bald über Begriffe wie Open Source , Creative Commons und Freie Software stoßen. Was dahinter steckt, kann dir erstmal egal sein. Finde das alles einfach gut. Veröffentliche deine Texte und Bilder ebenfalls unter einer Creative-Commons-Lizenz, benutze für dein Blog die Open Source-Software Wordpress und mach dich über die Musikindustrie lustig. Kommuniziere dies möglichst auffällig in deinem Blog – zum Beispiel mit entsprechenden Buttons .

Das gleiche gilt für ein ähnliches Sachgebiet – den Überwachungsstaat. Besorge dir ein Stasi 2.0-Banner und binde es prominent in deinem Blog ein. Verfolge die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung und den Bundestrojaner aufmerksam, auch wenn du davon keine Ahnung hast: Verlinke auf andere Blogger, die sich damit auskennen und übernimm einfach deren Formulierungen.

Schritt 7: Orientiere dich an den Großen

Es gibt – wie überall – auch in der Netz-Szene Leute, die den Ton angeben. Kommentiere in deren Blogs und schreib immer deinen Namen und die Adresse deines Blogs dazu. Irgendwann werden sie auf dich aufmerksam und verlinken auch auf deine Seite. Blogs haben außerdem eine Art Buddylist, die so genannte Blogroll . Je mehr bekannte Blogs darin stehen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass du Aufmerksamkeit erregst.

Frage: Warum das alles?

Wenn du all diese Ratschläge befolgst, wirst du eine Menge Arbeit haben. Aber sie wird sich lohnen. Worum es im Grunde geht? Vernetzung. Du wirst durch das Netz wichtige Menschen kennenlernen – und sie dich. Du wirst Teil der Szene werden, und das ist dein oberstes Ziel. Dann, und erst dann, kommen die letzten und wichtigsten Schritte:

Schritt 8: Trink viel Bier

Jedes Jahr   finden   mehrere   Konferenzen   statt , anlässlich derer die Szene zusammenkommt – und abends ordentlich feiert. Sei dabei! Trage immer ein Schild, auf dem der Name deines Blogs deutlich zu lesen ist, noch besser: das Logo deines Blogs. Achte auch auf die Schilder der anderen Teilnehmer, so erkennst du schnell, wer wichtig ist. Suche die Nähe dieser Menschen! Sprich sie morgens schon an, damit sie abends, wenn alle mit Bierflaschen in der Lobby herumstehen, dein Gesicht kennen. Die wichtigsten Beziehungen werden auf den After-Partys solcher Konferenzen geknüpft.

Eine gute Idee ist es, während der Konferenz live in deinem Blog darüber zu berichten (es gibt immer W-Lan). Die anderen Teilnehmer werden diese Berichte lesen und wissen, dass du auch da bist.

Schritt 9: Ernte die Früchte

Wenn du zäh genug bist, wirst du irgendwann einen Anruf bekommen: Ob du nicht Lust hättest, an diesem oder jenem Projekt mitzuarbeiten? Oder zufällig zwei Jahre Zeit, um einen neuen Online-Dienst aufzubauen? Vielleicht rufen auch Journalisten an, die dich zu irgendeinem Aspekt deines Themas (siehe Schritt 1) interviewen wollen. Oder weil sie wissen, dass du ein entschiedener Gegner des Überwachungsstaates bist (Schritt 5) und darum ein paar Zitate von dir möchten.

Mit etwas Glück klingelt auch ein Buchverlag bei dir und bittet dich, ein Buch über dein großes Thema zu schreiben. Wenn du dieses klug gewählt hast, kannst du den nächsten Trend setzen. Und falls daraus nichts wird: Mach dir keine Sorgen. Irgendwo wirst du unterkommen. Du kennst ja jetzt viele Leute.

Serie: Erfinde dich neu!
Hier geht es zurück zur Übersicht
Teil 1: Tabula Rasa
Gute Vorbereitung ist die halbe Miete
Teil 2: Wie werde ich ein begehrter Bankangestellter?
Teil 4: Wie komme ich in die Wissenschafts-Avantarde?


 
 



 

//  Startseite //  // Politik // Kultur // Leben // Schwerpunkte // Bildergalerien //  // Adam Green // Redaktionsblog // Rezeptor // Markus Kavka // Selim Oezdogan // Sonntagstexte //  // Zitat des Tages // Spiele //  //
//  IMPRESSUM //

 

ZUM SEITENANFANG