Frauen, die sich für Pornohefte ablichten lassen, möchten die meisten Jungs lieber nicht persönlich kennenlernen. Funktioniert das Giddyheft, dessen erste Ausgabe nun nackte Indiegirls zeigt?
Von Chris Köver
Andrea Vetsch ist blond, 21 Jahre alt, mag Tiere, ehrliche Menschen, schnelle Autos und Ferien am Meer. Auf dem
Centerfold
der Juni-Ausgabe des
Playboy
räkelt sie sich mit einem schwarzen Spitzen-Dessous bekleidet rücklings auf einer großen Industrie-Waschmaschine. Ihre geschlossenen Augen sind perfekt geschminkt, das Bild perfekt ausgeleuchtet und digital nachbearbeitet. Auf ihrem perfekt eingeölten Oberschenkel spiegelt sich das Licht wie im Lack eines Sportwagens, jede Strähne ihrer langen, seitlich herunter fließenden, blonden Locken fällt vollkommen.
Für diese Art der Nacktfotografie hat Nicole Rüdiger nur Verachtung übrig. "Solche Hochglanzbarbies wollen wir nicht", sagt sie. Das oberste Gebot für die Bilder in ihrem Pornomagazin
Giddyheft
ist Natürlichkeit. Keine überirdischen Geschöpfe, sondern ganz normale Mädels von nebenan sollen darin zu sehen sein. "Das sagt der Playboy zwar auch, aber normale Frauen sehen doch nicht aus, wie auf diesen Bildern. Das ist total künstlich," sagt Nicole Rüdiger. Auch die
Praline
sei nicht viel besser. Die Frauen in solchen Heften nennen Nicole Rüdiger und ihre Partnerin Elke Kuhlen Tiffys und Gabis. Die anderen, die Guten, heißen in ihrem Kölner Freundeskreis Giddys. Und darum haben die beiden das Heft, das sie gemeinsam herausgeben,
Giddyheft
genannt.
Eigentlich sind sie gar nicht auf nackte Frauen, sondern bislang eher auf Männer spezialisiert. Schon seit dem Jahr 2005 machen sie das
Jungsheft
, eine Art Porno-Fanzine für Mädchen, das sie im Eigenverlag in geringer Auflage veröffentlichen. Im kleinen A5-Format zeigen sie Bilder von Jungs, wie sie ihnen selbst gefallen. Keine geölten Sixpacks und blitzenden Zahnreihen am Strand, sondern ganz normale Slacker aus der Nachbarschaft. Gitarristen, DJs, Fotografen, auch mal ein Bankkaufmann, fotografiert in WG-Wohnzimmern oder ihren eigenen Betten mit wahlweise hängenden oder stehenden Schwänzen. Bilder in Schnappschuss-Ästhetik. Aufgelockert durch ein paar Interviews, Sexkolumnen und Produktempfehlungen, das alles in einem Layout, das eher an Musikzeitschriften als ein Erotikmagazin erinnert.
Das Konzept kam nach einigen Anlaufschwierigkeiten gut an – nicht nur bei der weiblichen Zielgruppe. Im
Gästebuch
auf der Webseite häuften sich die Beschwerden junger Männer, die Gleichberechtigung forderten: Wieso bekommen Frauen jetzt ein cooles Pornoheft, während Jungs weiterhin mit
Penthouse
vorlieb nehmen müssen, war in etwa der Tenor. Webseiten wie
Suicide Girls
verfolgen zwar seit einigen Jahren mit Erfolg ein ähnliches Konzept –
Alternative Porno
nennt sich das, weil die tätowierten Körper und bunten Haare der Models nicht dem
Playboy
-Schönheitsideal entsprechen. Ein Printmagazin für die Sparte "nacktes Indie-Mädchen" fehlte aber offenbar. Also entschieden Rüdiger und Kuhlen, selbst eins zu machen.
Die "Mädels von nebenan" in der ersten Ausgabe heißen Jasmin, Aline, Nina und Bambi. Über ihre Hobbys und Vorlieben erfahren wir nichts, nur dass sie Studentinnen oder Schülerinnen sind und ob sie derzeit einen Freund haben oder nicht. Die Shootings werden in ganz gewöhnlichen Wohnungen durchgeführt, nichts wird ausgeleuchtet oder nachbearbeitet. Die Fotos sollen den Eindruck vermitteln, "als würde man zugucken, während sich die eigene Freundin auszieht", sagt Nicole Rüdiger. Jasmin und Nina sind mit keinen erotischen Accessoires aufgemotzt und tragen ziemlich alltägliche Unterwäsche. Bei Aline und Bambi sieht das schon etwas anders aus. Erstere trägt auf den Bildern Strapse und Hausmädchenkostüm, letztere räkelt sich im rosa Dessous, das sie sich später in einer klassischen Striptease-Pose durch die Beine zieht. Beide Frauen veröffentlichen regelmäßig Bilder im Web, Bambi auf ihrer
eigenen Webseite
,
Aline
als Teil der festen Model-Truppe der Suicide Girls. Den Weg ins
Giddyheft
haben sie über MySpace gefunden.
"Das ist nicht gekünstelt oder gestellt", beteuert Nicole Rüdiger. "Bambi ist auf den Bildern so wie im wirklichen Leben. Der Fotograf hält einfach die Kamera drauf, die Frauen entscheiden selbst, was sie wie machen und wann fallen lassen." Aber es drängt sich doch die Frage auf, was hier eigentlich natürlich oder künstlich ist. Sind Nina und Jasmin, ohne Fummel und Striptease-Posen, natürlicher als Bambi? Ist irgendeines dieser Bilder natürlicher als das von Andrea Vetsch im
Playboy
? Sind Bilder nicht immer gemacht – auch dann, wenn die Kamera "einfach draufgehalten" wird, um einen Schnappschuss zu suggerieren? Andere Magazine entscheiden sich bewusst dafür, ihre Models zu schminken und Bilder professionell nachzubearbeiten. Das
Giddyheft
tut dies bewusst nicht – und erweckt auf diese Weise den Eindruck, man hätte dabei sein können. Die Frauen im
Giddyheft
sind deswegen aber nicht weniger inszeniert als ein Playmate, die Inszenierung ist nur eine andere. Schlimm ist das nicht, denn es stellt wenigstens eine weitere Alternative neben die Hochglanzmagazine und Erotikheftchen.
Mit einem Pornoheft für Frauen haben Rüdiger und Kuhlen damals wenig erforschtes Neuland betreten. Nackte Frauenkörper in erotischen Posen zu zeigen, hat hingegen eine lange Tradition und ist deshalb vermintes Gelände. Eigentlich gibt es in der Sparte nichts mehr, das nicht schon gezeigt worden wäre. Und die Vorwürfe gegen diese Art von Publizistik sind so alt wie das Genre selbst.
Mit den feministischen Debatten um Pornografie und ähnlichem ideologischem Ballast haben sich die Herausgeberinnen nicht lange aufgehalten. "Wir haben einfach das Prinzip des
Jungsheftes
umgedreht. Die Mädchenausgabe sollte von der Ästhetik, Bildsprache und den Strecken genau so aufgebaut sein wie das andere Heft", sagt Kuhlen. Wirklich anders sei nur, womit Rüdiger und Kuhlen auch schon gerechnet hatten: Die Nachfrage nach dem
Giddyheft
ist wesentlich höher, die ersten 1.500 Exemplare über die Webseite schon verkauft. Jetzt wird nachgedruckt.
Manches ist dann aber doch anders. Im
Jungsheft
werden zum Beispiel Penisse in unterschiedlichen Erektionsstadien ganz unverhohlen gezeigt; auf den Bildern im
Giddyheft
ist stets eine diskrete Hand, ein Kuscheltier oder ein Unterhöschen vor der kritischen Zone platziert. "Den Vagina Shot zu zeigen, haben wir uns dann doch nicht getraut." Mittlerweile finden die Herausgeberinnen das inkonsequent. In den Exemplaren, die jetzt noch nachgedruckt werden und den kommenden Ausgaben wird nichts mehr versteckt – auch um der Gerechtigkeit willen.
Auch die redaktionellen Beiträge sind noch nicht ganz auf das Zielpublikum zugeschnitten. In der ersten Ausgabe wurden viele Beiträge aus dem
Jungsheft
übernommen. "Warum muss ich über Masturbationsphantasien von Jungs lesen?", beschwert sich ein Leser im Forum folgerichtig. Noch sind die Herausgeberinnen auf der Suche nach dem, was Männer sonst noch interessieren könnte – "außer Autos, Platten und Sport."
Anzeige
"Unsere Texte sollen eine andere Ansprache haben. Jungs sollen auch mal was anderes lesen, als Service-Stückchen, die ihnen erzählen wie sie dicke Muckis bekommen und ein toller Hecht werden." Dass jeder die Bilder erotisch findet, ist Kuhlen gar nicht wichtig: "Das Heft ist nicht als reine Wichsvorlage gedacht." Wirklich Porno sei ohnehin etwas anderes: "Wir zeigen erotische Bilder von nackten Frauen. Aber Erotikheft klingt so Eighties, also nennen wir es Porno." Spätestens wenn demnächst alles zu sehen sein wird, müssten sie das in Deutschland sowieso aufs Cover schreiben.