Heute startet das Internationale Frauenfilmfestival in Dortmund. Zuender sprach mit Leiterin Silke Räbiger über zwanzig Jahre Film und Feminismus, weibliche Ästhetik und den Rummel um Florian Henkel von Donnersmark.
Fragen von Lenz Jacobsen
Frau Räbiger, woran erkennt man einen Frauenfilm?
Gar nicht, weil es den typischen Frauenfilm nicht gibt. Deshalb sprechen wir ja auch von „Filmen von Frauen“. So etwas wie eine weibliche Filmästhetik, eine weibliche Bildsprache gibt es nicht. Eine gute Einstellung ist eine gute Einstellung, egal, wer hinter der Kamera steht.
Wenn das Geschlecht keine Rolle spielt, warum dann ein Frauenfilmfestival?
Um Filmemacherinnen ein Forum zu bieten und Publikum für ihre Filme zu gewinnen. Wir haben einen zweigleisigen Anspruch: Künstlerisch wollen wir den Zuschauern ein schönes Festival bieten, politisch wollen wir Frauen in der deutschen Filmwirtschaft unterstützen.
Sind Frauen im Filmgeschäft denn benachteiligt?
Gegenfrage: Wie viele bedeutende Regisseurinnen kennen Sie?
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Oh, vielleicht zwei?
Na sehen Sie. Frauen sind, gerade in der von Hollywood geprägten internationalen Filmszene extrem unterrepräsentiert. Man traut ihnen die ganz großen Projekte, die großen Spielfilmetats, selten zu. Man glaubt nicht, dass Sie ein Vorhaben, an dem so viele Leute beteiligt sind, leiten können. Regie ist ja sozusagen die Führungsetage in der Filmwirtschaft, und da sind Frauen – wie in anderen Branchen auch – massiv unterrepräsentiert.
Und woran liegt’s? Am Machismus?
Auch. Aber auch an strukturellen Problemen: Filme lassen sich zum Beispiel nicht in Teilzeit machen, als Regisseurin oder Kamerafrau muss man 14 Stunden am Tag arbeiten. Das lässt sich mit einem aktiven Familienleben kaum vereinbaren. Und dann die Kinderfrage: Durch Schwangerschaft und Geburt ist man eine ganze Zeit raus aus dem Betrieb. Das kann in der Filmbranche weit zurückwerfen, weil sie sehr stark über Kontakte funktioniert und sich sehr schnell entwickelt. Wenn man einmal raus ist, kommt man schwer wieder rein. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Männer besser netzwerken als Frauen. Gerade das wollen wir ändern. Wir wollen auf unserem Festival Kontakte herstellen, Jobs vermitteln, Austausch fördern.
Das klingt jetzt eher nach Business-Netzwerk als nach Feminismus, eher abgeklärt als kämpferisch.
Kämpferisch sind wir immer noch. Aber auch in der Frauenbewegung hat sich einiges getan in den vergangenen zwanzig Jahren. Da gab es richtige Generationenkämpfe. Die Älteren waren konfrontativer, politischer, die Jüngeren entspannter, verspielter. Das hat auch das Festival verändert. Zu unserer ersten Pressekonferenz 1987 haben wir nur Frauen eingeladen. Das führte dazu, dass alle Zeitungen ihre Praktikantinnen schickten. Außerdem durften Männer in viele der Filmvorstellungen gar nicht rein.
Wurden Sie ernst genommen?
In der Film- und Festivalszene hat man uns von Anfang ernst genommen. In den etablierten Medien aber weniger. Die haben uns schnell als verklemmte Feministinnen abgestempelt.
Mit Verlaub, ist es denn nicht kontraproduktiv, auf einem Frauenfilmfestival nur Frauen in die Vorstellungen zu lassen? Verhindert man so nicht eher den Dialog?
Im Nachhinein vielleicht ja. Aber man muss auch die Zeit damals sehen. Das war kämpferischer, mehr ein Gegeneinander. Die Filme waren radikal, politisch, meist von einer kargen Bildsprache. Es ging um hehre Werte: Aufklärung, Gleichberechtigung. Einige Filme beispielsweise haben sich intensiv mit dem weiblichen Körper beschäftigt, haben die Geschlechtsteile genau gezeigt, aber ohne pornografisch zu sein. Das war auch eine Antwort auf die kruden Aufklärungsfilme von
Oswalt Kolle
. In den nächsten Jahren haben wir "Frauen und Technik" und die Sowjetunion als Oberthemen gewählt. Danach hatten wir das dringende Bedürfnis nach etwas Spielerischerem. So haben wir dann das nächste Festival unter das Thema „die subversive Kraft des Lachens“ gestellt. Und plötzlich nahmen uns auch die großen Feuilletons ernst.
Wenn Sie sich die Filmwirtschaft heute ansehen: Waren Sie erfolgreich? Gibt es mehr Gleichberechtigung?
Das Gespür für Gleichberechtigungsfragen scheint mir in der gesamten Gesellschaft eher wieder zurückgegangen zu sein. Seit einigen Jahren stagnieren wir. Wenn man beispielsweise heute das Wort Frauenquote nur in den Mund nimmt, wird man bestenfalls schief angesehen. Vielen sind offenbar der Meinung, es sei schon genug getan. Dabei gibt es immer noch offensichtliche Ungleichheiten, die wir thematisieren müssen.
Zum Beispiel?
Nehmen Sie den Oscargewinn von
Florian Henkel von Donnersmark
: Verstehen Sie mich nicht falsch,
Das Leben der Anderen
ist ein sehr guter Film. Und wenn es für einen Regisseur einen Grund zum Feiern gibt, dann ist es der Oscargewinn. Aber die Größe des Rummels irritiert mich schon etwas. Wir tun so, als wäre es der erste deutsche Oscar überhaupt. Dabei hat
Caroline Link
ihn erst vor sechs Jahren gewonnen, mit
Nirgendwo in Afrika
. Damals hat sie bei Weitem nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen.
Aber doch nicht, weil sie eine Frau ist.
Doch, in gewisser Weise schon. Florian Henkel von Donnersmark ist im Vorfeld durch die amerikanischen Kinos gezogen und hat Werbung gemacht. Seine Frau war auch dabei, das ist in den USA immer besonders wichtig. Und jetzt, nach dem Gewinn, ist er ein Meister der Selbstdarstellung. Auch das gehört dazu, natürlich. Nur man muss das auch wollen und für wichtig halten. Caroline Link war während der Oscarverleihung bei ihrem kleinen Kind, das zu der Zeit krank war. Damit kommt man natürlich schlechter in die Boulevardpresse. Wer den ganz großen Erfolg will, muss auch seine privaten Prioritäten dementsprechend setzen.
Frau Räbiger, wann waren Sie zuletzt im Kino?
Oh, vergangene Woche erst. In Robert Altmans
Last Radio Show
. Hat mir sehr gut gefallen.
Das ist ein eher sprachlastiger Film. Mögen Sie auch Actionfilme?
Nein, die langweilen mich sehr schnell. Das sind Jungsfilme.