Tipps in Sachen Liebe? Holt man sich am besten von einem französischen Popmusiker. Zuender sprach mit Nicolas Godin, der einen Hälfte von Air.
Fragen von Timo Feldhaus
Nicolas Godin kommt aus Versailles, aus sehr gutem Haus. Im Interview ist er höflich und aufmerksam, aber nie wirklich an Kommunikation interessiert. Es ist eine Art aristokratischer Höflichkeit, bei der die Langeweile in jeder Geste sitzt, in den herabgesenkten Gliedern und dem leeren Blick. Ein Blick, der halb melancholisch, halb wissend aus dem Fenster schweift.
Zusammen mit Jean-Benoît Dunckel hat Nicolas Godin soeben ein neues Album herausgebracht. Air heißt ihre Band.
Pocket Symphony
ist das mittlerweile fünfte Studioalbum der beiden und eine Rückkehr zu den Anfängen. Themen, Klänge und Rhythmen erinnern auffallend an das Debüt
Moon Safari
aus dem Jahr 1998. Viele werden sagen, die französische Popband habe damit zu alter Stärke zurückgefunden. Auf jeden Fall schließt sich ein Kreis. Air sind in der Erschaffung ihres eigenen Kosmos so weit, sich selbst zu zitieren.
In welcher Stimmung waren Sie, als Sie das Album aufgenommen haben?
In der Laune der Liebe.
Die Musik scheint mehr als sonst traurig und düster. Ihr traurigstes Album bisher.
Die Liebe ist traurig, Liebe verletzt dich. Du fühlst dich wie Scheiße. Liebe ist hart. Sie macht dich kaputt. Trotzdem lässt du dich immer darauf ein. Denn ohne geht es nicht.
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Oh.
Nein, es ist O.k.
Nein, es klingt düster. Ein Lied auf dem Album heißt
Napalm Love
. Darf man fragen, wie es bei ihnen selbst mit der Liebe steht?
Wir machen ständig Musik, touren oder feiern. Wir haben zwar Familie, aber kein Familienleben. Wir sehen unsere Kinder nicht sehr häufig. Aber im Grunde war das doch schon immer so. Erst nach dem letzten Weltkrieg, seit ein paar Jahren haben die Menschen entschieden, dass man in einer kleinen Wohnung mit einer Frau und seinen Kindern leben muss. Mir leuchtet nicht ein, wieso das so sein muss. Es ist keine große Sache, ein Kind zu zeugen. Die Leute machen aber eine riesige Sache daraus. Das ist verrückt.
Es ist interessant, dass Sie das sagen, denn ich bekomme im Juni ein Baby.
Willst du einen Tipp von mir? Wenn du nicht alles versauen willst, achte nicht so sehr auf dein Kind, sondern auf deine Freundin. Jeder wird sie wie eine Mutter behandeln und nicht mehr die Frau in ihr sehen. Alles wird für das Kind sein, alle werden sich nur noch für das Kleine interessieren. In dieser Situation musst du für sie da sein. Dein Herz muss bei ihr bleiben. Nimm einen Babysitter und führ sie aus. Zeig ihr, dass sie attraktiv ist. Das ist ein französischer Rat.
Viele halten Air für eine besonders romantische Band. Und dem Klischee entsprechend dann auch für besonders französisch.
Das Klischee trifft bei uns zu. Wir sind total französisch und wir sind sehr romantisch. Deswegen verletzt die Liebe uns so sehr. Wären wir stark und unverletzlich, hart im Nehmen, könnten wir sie uns weniger gut vorstellen. Und könnten letztlich auch nicht so gute Kunst schaffen.
Ihr neues Album
Pocket Symphony
klingt sehr japanisch.
Dahinter steht kein großes Konzept. Es liegt einfach an der
Koto
, einem japanischen Saiteninstrument. Es stand im Raum, ich habe es angefasst und es war um mich geschehen. Als ich es berührte, wusste ich sofort, ich musste es lernen.
Auf Pocket Symphony arbeiten Godin und Dunckel mit zwei Gastsängern. Neben Neil Hannon vonThe Divine Comedy singt auch Jarvis Cocker, Kopf der BandPulp, ein Lied. Das Lied macht plötzlich einen Bogen. Es bricht auf wie ein Himmel am Morgen nach der nächtlichen Hölle."One Hell Of A Party" heißt der Song.
Eigentlich ist es doch sehr einfach. Wir versuchen, gute Songs zu schreiben. Zuletzt haben wir eine Platte für
Charlotte Gainsbourg
geschrieben. Danach hatten wir keine Lust mehr auf Geschichten. Uns interessiert die Skizze, die eine bestimmte Stimmung ausdrückt, aber nicht so eindeutig ist. Ich denke, das ist der Grund, warum wir gern Soundtracks machen. Bei einem Album muss man gleich seine Seele geben, das kann sehr anstrengend sein. Soundtracks sind in dieser Hinsicht leichter.
Die Musik von Air umschloss immer auch die Utopie und das Woanders. Ihre Lieder spielen meistens in der Zukunft oder in der Vergangenheit. Besonders gern besingen Sie das Weltall.
Wir sind bemüht, eine Kunstwelt zu schaffen, eine andere, coolere Galaxie. Das bringt jedoch zugleich die Unerreichbarkeit dieses Ortes mit sich. Wir wollen einen Raum erschaffen und wissen gleichzeitig, dass dieser niemals erreichbar sein wird. Vielleicht ist diese unerfüllte Sehnsucht überhaupt der Grund für Popmusik.