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Ekel-Fleisch

Neues vom Burgerkrieg

Der Film Fast Food Nation ist das neueste Kapital im Kampf der Journalisten und Regisseure gegen die Fast Food-Industrie. Fabian Dietrich fasst die wichtigsten Station zusammen und macht sich auf die Suche nach dem bösen Essen in einem Schnellrestaurant.

Ich war da, ich kann es beweisen. Als ich ein Kind war, konntest du überall Fleisch kaufen! Es gab Eier und echte Butter, nicht diesen Müll!
(Soylent Green)

Ich will Opfer sehen. Menschen, wie "Fat Boy" Mc Creaddie. Diesen achtjährigen Jungen mit dem mächtigen Bauch, der zurzeit das Thema Nummer Eins in der englischen Regenbogenpresse ist. Seine Mutter hat ihn gemästet, ihn jahrelang mit Süßigkeiten und Pommes voll gestopft. Mittlerweile weiß die halbe Welt, dass Mc Creaddie 90 Kilo wiegt und manchmal auf dem Weg zur Schule kotzen muss, weil ihn der kurze Fußmarsch körperlich überfordert. Der Fall Mc Creaddie hat eine Debatte angestoßen. Auf dem Nachrichtensender CNN verkündet mittlerweile ein Informationsbalken den neusten Stand: Dicker Junge darf doch bei seiner Mutter bleiben.

In England wird Fettleibigkeit bald Rauchen als häufigste Todesursache bei jungen Menschen ablösen. Im restlichen Europa sieht es ähnlich aus, auch in Deutschland soll die Lage neusten Studien zufolge brenzlig sein. Doch in der McDonalds- Filiale am Rotkreutzplatz in München ist davon nichts zu sehen. Der einzige Dicke hat es sehr eilig und mag nicht reden. Er wartet hinter dem Tresen, schaufelt dann zwei Menüs in seinen Jutebeutel, schlägt den Kragen seines Trenchcoats hoch und stiefelt hinaus in den Regen

Dass zurzeit alle übers Essen reden, liegt nicht nur an "Fat Boy" Mc Creaddie, sondern auch an Eric Schlosser. Schlosser ist der Autor von Fast Food Nation , einem Sachbuch, das Firmen wie McDonalds und Burger King hart angreift. Es erschien 2001, verkaufte sich über eine Million Mal, und verdarb aufgrund der ekligen Details vielen Leuten den Appetit auf Fast Food. Die tageszeitung schreibt, das Buch habe im Kampf gegen die Goliathe der Schnellimbiss-Industrie bereits einiges bewegt. Zum Beispiel habe es dazu geführt, dass McDonalds in den USA nun Salate verkaufe. Diese Aussage wird von dem Unternehmen jedoch heftig bestritten. Auf derartig infame Angriffe reagiere man nicht, Salate habe es schon lange vor dem Buch gegeben, sagt ein freundlicher Sprecher des Konzerns am Telefon. McDonalds sei ein transparentes und ernährungsbewusstes Unternehmen, "kommen sie doch einfach selbst mal auf eine Tour als Qualitäts-Scout vorbei"

Salat hin oder her. Dicke Kinder wie "Fat Boy" Mc Creaddie sind Wasser auf Schlossers Mühlen. Der Autor stellt einen direkten Zusammenhang zwischen der Ausbreitung der Fast Food-Industrie und der wachsenden Zahl von übergewichtigen Kindern her. McDonalds sei nicht umsonst der größte Spielzeugproduzent in den USA, sagt er. Nun kommt das Buch über das böse Essen als Spielfilm in die Kinos. Bruce Willis spielt darin mit, Patricia Arquette, Ethan Hawke und auch Pop-Star Avril Lavigne. Die Handlung von Fast Food Nation , dem Film, ist schnell erzählt: Es geht um den Marketingchef der fiktiven Fast-Food-Kette Mickey’s , der nach und nach die Wahrheit über seinen Arbeitgeber herausfindet. Und die ist wirklich schlimm. Verseuchtes Fleisch, miese Arbeitsbedingungen, Korruption. Ein dunkles Imperium, das kleine Kinder in Fleischklöpse verwandelt.

So aktuell das Thema derzeit sein mag, Fast Food Nation ist nur die neueste Episode in einem lange währenden Burger-Krieg, dessen Ende nicht abzusehen ist. Immer wieder haben Journalisten und Regisseure solche Angriffe auf die Fast-Food-Industrie gestartet. Das Feindbild Hamburger besteht seit Dreißig Jahren aus denselben Zutaten: Fast Food ist böse, weil unhygienisch, ungesund und Ausbeutung von Arbeitskräften. Schon Günter Wallraff schlich sich in den Achtziger Jahren in der Rolle des Türken Ali bei McDonalds ein, für sein Buch Ganz unten . Darin berichtete er den empörten deutschen Lesern von miesen Arbeitsbedingungen und einer nicht unerheblichen Kakerlakenplage. Ali Wallraff musste an einer besonders pikanten Stelle des Buchs die Tische mit demselben Lappen abwischen, mit dem er davor die Klos geputzt hatte.

Auf die Gefahr der Verfettung wies vor Fast Food Nation schon Super Size Me hin. Der Film war als Selbstversuch konzipiert, ein Mann namens Morgan Spurlock ernährte sich darin unter ärztlicher Aufsicht 30 Tage lang nur aus dem Angebot von McDonalds . Nach dieser Frist war er ein körperliches Wrack. Er hatte 13 Prozent Körperfett zugelegt, litt dazu unter Herzrhythmusstörungen, Leberverfettung, Depressionen und Impotenz. Nun ist Spurlock zunächst ein Einzelfall. Als der schwedische Mediziner Frederik Nyström Super Size Me sah, beschloss er, das Experiment unter wissenschaftlichen Bedingungen zu wiederholen, und, siehe da, Nyström kam zu einem weit weniger erschütternden Ergebnis. Zwölf Männer und sechs Frauen, alle gesund und Anfang Zwanzig, nahmen am wissenschaftlichen Burgermarathon teil. Am Ende hatte aber nur einer der Probanden so stark zugelegt wie Spurlock. Er und alle anderen Teilnehmer kehrten kurze Zeit später zu bester Gesundheit zurück.

Hysterie war schon in den Anfängen des Burger-Krieges ein beliebtes Stilmittel. Der Film Soylent Green von 1973 ist einer der ersten und eindrucksvollsten Versuche, Ernährung und Kulturkritik zu vereinen. Er ist gewissermaßen der dramaturgische Urschrei aller späteren Angriffe auf das Fast Food. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Handlung von Fast Food Nation stark an Soylent Green erinnert. Auch hier geht es um eine düstere Wahrheit, doch der ist diesmal nicht ein Manager, sondern ein Taxifahrer (gespielt von Charlton Heston) auf der  Spur. Soylent Green spielt in einer Zukunft, in der die Menschen zwar nicht so dick sind wie "Fat Boy" Mc Creaddie, aber dennoch sehr verzweifelt und unglücklich wirken. Die Ernährungssituation ist katastrophal. Das einzige frei erhältliche Nahrungsmittel ist eine Art industriell produzierter Brühwürfeln namens Soylent (angeblich "Wundernahrung aus hochenergetischem Plankton"). In einer grandiosen Schlussszene deckt Charlton Heston den Lebensmittelskandal auf und verkündet das Unfassbare: "Soylent Green ist aus Menschen gemacht! Sie machen Essen aus Menschen! Wir müssen sie irgendwie aufhalten!"

Zurück zu den Opfern des Burger-Krieges. Der dicke Mann im Trenchcoat ist weg. Die übrigen Kunden in der Münchener McDonalds -Filiane sehen so gesund aus, wie man unter der blassen Bestrahlung des Neonlichtes aussehen kann. In einer hinteren Bank sitzen drei Jugendliche mit Baseballkappen, die sich gerade die volle Dosis Müll genehmigen: Hähnchen, Fisch, Pommes, Cola. Alles duftet nach Pressfleisch und Brötchen. Auf der Papierverpackung eines Cheeseburgers steht "Stiftung Warentest: gut".

In einer Fleischeinlage sind Stücke von hunderten, wenn nicht Tausend unterschiedlichen Rindern, hatte Eric Schlosser in der taz berichtet. In den USA können diese Stückchen aus bis zu fünf verschiedenen Ländern stammen. Nach einem Moment ratlosen Schweigens schaut ein Junge mit schicker Brille und Hamsterbacken von seinem frisch angebissenen Burger-UFO auf und keift: "Natürlich ist das Essen hier nicht gesund. Aber ist mir doch egal. Ich glaube ja sowieso nichts." Vielleicht ist das der Grund, warum der Film Fast Food Nation an den Scheiben dieses Restaurants abprallen wird, wie ein an Panzerglas geschleuderter Molotowcocktail.

Auch wichtig:

Süchtig nach Fast-Food - Wie es ist, beim Burger-Brater Stammkunde zu sein

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