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Zukunft

"Ich bin nicht Vaclav Havel"

Was bringt eigentlich die Zukunft? Hausschlüssel, die man googlen kann und eine neoliberale, grüne Rechte. Das sagt Science Fiction-Autor Bruce Sterling und der ist schließlich vom Fach.

Bruce Sterling sieht gelangweilt und etwas müde aus. "Das hier ist kein Science Fiction Publikum. Die meisten auf dieser Veranstaltung kennen meine Bücher gar nicht," sagt er nüchtern und blickt an einigen Anzugträgern vorbei. Er sitzt in der V.I.P.-Lounge einer Konferenz zur Zukunft der digitalen Medien. Seine zerknitterte Lederjacke passt nicht so recht in die weiße Wohnlandschaft.

Sterling ist Science Fiction-Autor – einer, den man eigentlich kennen sollte. Gemeinsam mit William Gibson hat er in den Achtzigerjahren den Begriff Cyberspace geprägt. Zehn Romane und viele Kurzgeschichten hat er im Laufe der vergangenen 30 Jahre veröffentlicht. Außerdem schreibt er Sachbücher, zum Beispiel über Hackerkultur und Zukunftsforschung. Sterling ist aber nicht nur Autor, sondern auch politischer Aktivist. Er ist einer der Mitbegründer des Viridrian Design Movement , einer Online Plattform, die sich für ökologisch nachhaltiges – so genanntes "grünes" – Produktdesign einsetzt.

Sterlings neuester Wurf ist das Spime : eine Wortneuschöpfung für Objekte, die zu jedem Zeitpunkt ihrer Lebensspanne im Raum und in der Zeit verfolgt werden können. Das ist keine Zukunftsmusik, sondern mit Hilfe von RFID -Sendern und GPS theoretisch heute schon möglich. Praktisch hieße das: Wenn ich ein Paar Schuhe kaufe, dann weiß ich genau, wo sie hergestellt worden sind. Über das Internet weiß ich immer, wo sie sich befinden. Wenn sie dann kaputt sind, kann ich sie zum Hersteller zurückschicken, der zerlegt sie in einzelne Materialien und baut daraus einen neuen Schuh.

Mr. Sterling, kann ich in Zukunft meinen Hausschlüssel googlen, wenn ich ihn verlegt habe?

Das ist gut vorstellbar. Es würde mich nicht überraschen, wenn die Deutschen zu Pionieren auf diesem Gebiet würden. RFID wird in Deutschland jetzt schon häufig eingesetzt. Metro und andere große Supermarktketten benutzen es, um Produkte zu taggen.

Gleichzeitig gibt es in Deutschland starke Vorbehalte gegen RFID. Es wird als Überwachungstechnologie kritisiert.

Das ist ein Zeichen für ein gesundes System. Die Industrie freut sich über Widerstand gegen ihre Technologien. Wenn etwas kritisiert wird, entwickelt es sich meistens noch schneller. Für die Technikindustrie gibt es nichts Schlimmeres, als dass ihre Technologie nicht beachtet und kritisiert wird.

Wenn man gegen eine Entwicklung kämpft, treibt man sie damit nur weiter voran?

Kritiker stehen in einem symbiotischen Verhältnis zu dem, was sie kritisieren. Deswegen funktionieren Zwei-Parteien-Staaten auch so viel besser als Ein-Parteien-Staaten. Wenn nur eine Partei regiert, passiert nichts. Sie kann ja ohnehin machen, was sie will. Ein Zwei-Parteien-Staat ist viel wendiger. Er kann festgefahrene Situationen besser meistern, weil es eine Opposition gibt, die Entscheidungen kritisiert.

Das ist ganz schön dialektisch. Wie kann man dann überhaupt noch Widerstand leisten?

Das hängt ganz von der Ebene ab, auf der man etwas erreichen will: Willst du eine Bremse sein, die die Mächtigen in den Hintern sticht oder willst du selbst Macht ausüben? Natürlich kannst du ein unzufriedener kleiner Student sein, der etwas auf seiner Webseite kritisiert. Damit wirst du aber auf Regierungsebene nichts erreichen. Wenn du das willst, musst du schon selbst Politik machen – zum Beispiel eine Partei gründen oder eine Koalition mit anderen Gruppen mit ähnlichen Interessen bilden. Du musst Wahlkampf machen, Lobbyisten treffen, Gelder einwerben, gegen die Opposition kämpfen. Dann lässt du dir die Haare schneiden und bist Angela Merkel. Merkel ist auch keine Physikprofessorin mehr, seit sie Politik macht. Sie ist Politikerin. Dass Politikmachen macht dich zum Politiker.

Aber man kann doch auch politisch aktiv sein, ohne Berufspolitiker zu werden.

Viele Menschen glauben, wenn sie drei Millionen im Lotto gewinnen, wären sie immer noch sie selbst, nur eben mit drei Millionen mehr. Aber wenn man dann so viel Geld besitzt, fängt man an, sich genauso zu verhalten wie alle anderen Reichen. Man stellt Bodyguards an und hat einen Chauffeur. Das ist ungefähr so, als ob man meinen würde: Wenn ich drei Flaschen Wodka trinke, dann bin ich nicht besoffen. Ich bin dann immer noch ich selbst, abgesehen von den drei Flaschen Wodka. Aber das ist man natürlich nicht. Das Gleiche gilt für Politik, sie verändert einen.

Macht die Macht alle gleich? Nachdem die rot-grüne Regierung 1998 an die Macht kam, waren viele Wähler enttäuscht von den Grünen, weil sie ähnliche Entscheidungen trafen oder mittrugen wie die konservative Regierung vor ihnen. Sie sind selbst grüner Aktivist. Was halten sie von den deutschen Grünen?

Grüne Wähler sind verträumte Hippies und entsprechend unrealistisch in ihren Erwartungen. Wenn man sich objektiv anschaut, was die Grünen als Regierungspartei erreicht haben, dann sind sie bei weitem die effektivste grüne Gruppierung der Welt. Auch wenn sie nicht in Kommunen leben und Joghurt löffeln. Diese Partei hat gerade mal 40.000 Mitglieder. Aber der Effekt, den sie hatte, war unglaublich.

Was meinen sie genau?

In Deutschland gibt es viel weniger Wind als zum Beispiel in Dänemark. Trotzdem haben die Deutschen viel mehr Windkraft. Fast kein anderes Land setzt so sehr auf Sonnenenergie wie Deutschland. Dabei gibt es hier gar keine Sonne. Das ist nur dem Einfluss der Grünen zu verdanken. Den Kampf um genmanipulierte Lebensmittel haben sie zwar nicht gewonnen, aber sie haben die Entwicklung beträchtlich verlangsamt. Und dass heute auf den Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos über das Klima gesprochen ist, ist auch ihnen zu verdanken.

Die grünen Wähler in Deutschland sind viel skeptischer, was den Erfolg der Grünen betrifft.

Die meisten Grünen wissen gar nicht, was sie mit Macht anfangen sollen, wenn sie sie haben. Viele von ihnen lehnen sie aus Prinzip ab. Sie wollen als Anarchisten und in Kommunen leben. Das kann man gerne machen, aber dann wird man nichts verändern. Selbst Angela Merkel ist grün. Natürlich nicht so sehr wie die Grünen, aber in dem Maß, in dem es ihr möglich ist. Sie wird genauso Grenzen für den CO2-Ausstoß fordern, denn die Reichen wollen ja nicht ihre Strandhäuser verlieren. Niemand will vergiftet werden. Wir werden auf der ganzen Welt eine rechte, kapitalistische, neo-liberale, grüne Bewegung sehen. Das ist keine Vorhersage, sondern eine Feststellung. Das passiert jetzt schon auf den Treffen des Weltwirtschaftsforums, in Großbritannien, mit Schwarzenegger in Kalifornien.

Kann man als Science Fiction-Autor die Welt verändern?

Man fragt mich immer, ob ich ein politischer Autor sei. Das hängt davon ab, was man darunter versteht. Ich habe politische Bücher geschrieben, zum Beispiel Hacker Crackdown , ein Buch über die Politik des Internets und den Konflikt zwischen verschiedenen Interessengruppen. Aber ich habe nicht vor, jemals für ein politisches Amt zu kandidieren. Das ist auch besser so.

Wieso?

Wenn ich an die Macht käme, würde ein düsteres und grausames Zeitalter anbrechen. Ich würde mit Sicherheit viele Menschen liquidieren. Da müssten ein paar offene Rechnungen beglichen werden.

Wen würden sie liquidieren?

Ich würde mit dem Vorstand von Exxon Mobil anfangen und mich von dort aus vorarbeiten zu allen anderen, die schlimme Verbrechen gegen das Klima und die Menschheit begonnen haben. Es gäbe eine Revolution und Säuberungsaktionen.

Gewaltfreier Widerstand ist nicht ihr Ding.

Im Prinzip ziehe ich gewaltfreie Lösungen natürlich vor. Aber ich bin nicht Vaclav Havel . Ich sollte nicht an die Macht kommen, ich verliere zu schnell die Beherrschung.

Auch wichtig:

Was ist eigentlich Klimawandel - Sechs Fragen und sechs Antworten

Hat Deutschland die Super-Grünen? Macht Politik alle gleich? - Drüber reden im Forum

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin


 
 



 

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