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Alkohol

Eins oder Null

Manche Menschen trinken digital: An oder Aus, ganz oder gar nicht. Sie sind wie kaputte Autos, die nur den fünften Gang kennen. Eine Milieustudie

Es gibt einen speziellen Typus Alkoholiker, dessen Umgang mit Alkohol an einen Sportwagen mit kaputtem Getriebe erinnert. Der erste Gang funktioniert ganz normal. Er unterhält sich nett, stellt eloquent die Weltgesetze in Frage, guckt auf die Uhr. Noch vor Mitternacht sollte er nach Hause kommen, denn acht Stunden Schlaf sind wichtig, sonst ist der nächste Tag ungenießbar.

Man kann von hier aus einen oder zwei Gänge hochschalten, ohne Schaden zu nehmen: Was macht schon ein Gläschen mehr? Man sollte eine gute Unterhaltung nicht unterbrechen, ein Stündchen später ins Bett ist auch in Ordnung. Der Kaputter-Sportwagen-Trinker aber kennt Gang zwei, drei und vier nicht. Seine Gangschaltung ist ein simples Zweigang-Getriebe: Vom ersten Gang geht es direkt hoch in den fünften.

Angetrunken wird der Abend schnell zum Exzess. Die Grenze ist das Getränk Nummer Zwei: Die darauffolgende Runde dient nicht mehr dem netten Gespräch, sondern maßgeblich dem Füttern des eigenen hungrigen Erlebnismonsters. Ein Bier folgt dem nächsten, auch schnell ausgeführte Zwischensprints - Schnaps, Wodka, Sekt, alles, was schneller zum eigenen Niedergang beiträgt - gehören dazu.

Das Getränk wird nur zum Rausholen der nächsten Zigarette abgestellt, ein leeres Bier hat in weniger als fünf Minuten seinen Nachfolger. Der Schluckrhythmus wird bei etwa mit 60 sh (Schluck pro Stunde) gehalten. Der Fünft-Gängler grunzt in sein stilles Ich: Oh Gott, ich kann noch laufen, was will ich jetzt zu Hause?! Er will an Bars lehnen und zur Musik wippen, bis ihn die Sonne zu Asche zerfallen lässt - oder ihn im Taxi heimschickt. Zuvor hält er sich für einen Lebenskünstler, einen Menschen, der Frohsinn und Freude verbreitet. Dieser Mensch hört anderen zu, unterhält sie, erfreut sich an einfachen Dingen und kann unglückliche Freunde und Fremde beraten. Er will tanzen und lieb haben und natürlich auch geliebt werden. Es ist ein Mensch, der Glück empfindet und weitergibt. Dieser Typ Trinker strebt die Selbstzerstörung nicht an, aber er steuert unweigerlich auf sie zu, hat er erst einmal in den fünften Gang geschaltet.

Dabei ginge es auch ganz ohne Exzess. Man kann sich mit einem solchen Übertreibungstrinker auf ein Bier treffen. Das nette Unterhalten beherrscht er, selbst das anschließende Umschalten in einen anderen Modus: ins Lesen, Arbeiten oder Fernsehen beispielweise. Aber wehe, die Lust wird geweckt! Wehe, die Gier nach dem zweiten Bier erwacht! Dann endet der Abend nicht selten erst fünf bis acht Stunden später und heißt nicht mehr Abend, sondern Morgen.

Was sich etwas krude anhört, ist kein Einzelfall. Übertreibungstrinker finden sich überall unter uns (übrigens nicht nur auf männlicher Seite, obwohl wir diesen Phänotyp hier der Einfachheit halber nur als einen "Ihn" begreifen). In der Schule, in der Universität, bei der Arbeit, Urlaubsbekanntschaften, Freunde von Freunden, sogar in Elternhäusern - überall schnell Schaltende. Wo sind sie, die Weisen und Strebsamen mit gesittetem Trinkverhalten? Die nach einigen gemütlichen Feierabendbier komafrei den Weg ins Bett finden?

Das Glück des Schnellschalters währt nicht lange, denn im fünften Gang fährt sich die Karre schnell zugrunde, bis sie nur noch Öl sprotzend im Graben liegt. Torkeln und bestellen können diese Menschen noch, eine Unterhaltung mit ihnen sollte man aber meiden - ihr Langzeitgedächtnis ist bereits ausgeschaltet, der Abend verkürzt sich in ihrem Gedächtnis später zu einer knappen halben Stunde. Der Fünft-Gängler ist gewissermaßen so schnell durch eine mehr oder minder pittoresque Landschaft geheizt, dass Bäume, Felder, Berge und Täler sich zu langen, breiigen Streifen am Auge vorbei ziehen. Wie ein Hund kommt selbst der zerstörteste Extremtrinker dennoch instinktiv nach Hause. Meist reicht es sogar noch dafür, im nächsten Dönerladen Bier für den Rückweg zu hamstern, die halbvolle Flasche findet sich dann am nächsten Morgen in der Küche wieder.

Überhaupt, der nächste Tag! Da ist der Übertreibungstrinker eine arme Wurst, ein von Kopfschmerzen, Übelkeit, Selbstmitleid geplagtes Etwas. Er ist ein zwanghaftes, Lungenbröckchen hustendes und vergessliches hässliches Wesen, das vor lauter Kopfschmerz nicht vor die Tür zu treten wagt. Er beklagt die anbrechende Dunkelheit, den verpassten Tag. Depressiv wegen verbrauchter Glückshormone, eingegraben vor der Glotze liegend, dämmert er vor sich hin, auf den erlösenden Abpfiff des Tages wartend.

Wieder einmal in die Alkoholfalle getappt zu sein, deprimiert den Fünft-Gängler. Im Alkohol den kleinsten gemeinsamen Nenner mit anderen zu finden, sollte ihn eigentlich wachsam werden lassen. Er sollte auch gemerkt haben, dass die Ablenkung vom Dasein dauerhaft nicht glücklich machen kann, dass Exzesse eine Flucht vor der Realität sind. Merkt er aber nicht. Denn leider hat der Fünft-Gang-Trinker, ansonsten ein eher reflektierter Typ, in diesem Punkt ein bemerkenswert dysfunktionales Gedächtnis mit erstaunlich geringer Halbwertzeit. Man kann es sich in den Kalender schreiben: Bis Dienstag dauern die Nachwirkungen des Wochenendes noch an. Dann ist Mittwoch. Nur noch zwei Tage bis zum Wochenende! Die Geschichte beginnt von vorn .

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