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FILM

Engelschwarm im Internet

Der Regisseur Matt Hanson hat die Nase voll von der Filmindustrie. Seinen Animationsfilm A Swarm of Angels entwickelt und finanziert er als großes Gemeinschaftsprojekt über das Internet

Matt Hanson verbringt einen Großteil seines Tages in digitalen Welten, vor seinem schneeweißen Mac. Seine Freundin nennt ihn manchmal einen Internet-Junkie. Die zweite Leidenschaft des Briten ist der Film, er arbeitet als Regisseur. Es gab in den letzten Jahren ein paar wichtige Momente, als sich mit dem Öffnen des Browserfenster faszinierende Webseiten und Ideen auftaten, die ihm keine Ruhe mehr ließen. Hanson begann, Konzepte zu entwickeln, die seine beiden Interessen verbinden. Das Ergebnis trägt den Namen A Swarm of Angels (ASOA) und ist ein Eine-Millionen-Pfund-Filmprojekt. Fremden stellt Hanson sich nun – mit einem kleinen, verlegenen Lächeln – als Film-Futurist vor.

Kino 2.0

ASOA soll ein Thriller mit Science-Fiction-Elementen werden, Hanson will digital drehen. Vor allem soll es seinen großen Traum, den Traum aller Filmemacher, erfüllen: Unabhängig will er arbeiten, kein auf Gewinn schielender Studioboss soll ihm reinreden können. Sein Projekt ist nicht auf millionenschwere Produzenten angewiesen, auch nicht auf einen Filmverleih. Sein künftiges Publikum muss keinen Kinosaal mehr betreten, sondern kann sich den Streifen über Internet-Tauschbörsen herunterladen. Matt Hanson will seinen Traum über Online-Netzwerke realisieren.

Wenn sein Vorhaben gelingt, löst er damit nebenbei das oft haltlose Versprechen ein, dass das Internet die Herrschaft der mächtigen Konzerne der analogen Welt bricht und stattdessen den Nutzern die Macht verleiht. Dann ist Matt Hanson der Totengräber der klassisch organisierten Filmbranche – und vielleicht der Bote einer neuen Ära des Bewegtbildes, jenseits von Zelluloid und großen Filmstudios.

Der Konsument produziert

Produktionsfirmen überzeugen, Förderungen beantragen, Verhandlungen mit Sponsoren führen und sich kommerziellen Interessen beugen – diesen Teil des Filmemachens hat der 35-Jährige immer gehasst. Dank dem Internet muss er dies jetzt nicht mehr: "Die Idee ist, dass man Anteile an ASOA kauft," erklärt er. Für 25 Pfund, rund 37 Euro, kann jeder eine Art Mitgliedschaft erwerben. Er wird damit Teil des "Engelschwarms", wie Hanson seine Unterstützergemeinde nennt. 50.000 Mitglieder braucht er insgesamt, um die knapp 1,5 Millionen Euro zusammenzubekommen und mit dem Drehen beginnen zu können. Rund 800 Menschen haben sich bisher auf der Webseite www.aswarmofangels.com angemeldet. "Mit der Mitgliedschaft erwirbt man gleichzeitig das Recht, an der Entstehung des Films mitzuwirken", führt Hanson aus. "Die Leute können beispielsweise am Script mitschreiben." Im Forum der Webseite stimmen Mitglieder darüber ab, welche Ideen den Weg in das Projekt finden.

Matt Hanson hat Erfahrung mit digitalem Film: Vor zehn Jahren gründete er das bekannte digitale Filmfestival onedotzero in London. Seit Mitte der Neunziger Jahre dreht er Kurzfilme, produziert Fernsehserien und schreibt Bücher über das Thema. Eines trägt den Titel Das Ende des Zelluloids . Darin prophezeit er, dass das Internet und digitale Produktionsmittel die Kinolandschaft umkrempeln würden.

Frei meint nicht kostenlos

Im Grunde macht Matt Hanson nichts anderes, als das Erfolgsrezept aus der Welt der freien Software in die Welt des Kinos zu kopieren: Freie Software – wie beispielsweise das Betriebssystem GNU/Linux – entsteht in losen, über das Internet vernetzten Gemeinden von freien Programmierern und kommerziellen Firmen. Hier gelten andere ökonomische und soziale Gesetze als bei proprietärer Software, etwa dem Betriebssystem Windows von Microsoft. Zum einen ist der "Bauplan" der Software, der so genannte Quellcode, für jeden offen zugänglich und darf verändert werden. Anders als beim Microsoft-Modell ist die Software außerdem kostenlos. Verdient wird nicht durch Lizenzgebühren, sondern mit Service-Leistungen rund um die Software. Man könnte sagen, dass Hanson, indem er den Filmstoff gemeinsam mit seinen Engeln entwickelt, den Bauplan des Werkes freigibt. Und genau wie freie Software unter speziellen Lizenzen steht, die das freie Kopieren und Verändern des Code ausdrücklich erlauben, wird auch ASOA unter einer Creative-Commons -Lizenz freigegeben, eine Art freie Lizenz für künstlerische Werke.

Mitbestimmung und Mythos

Hanson lässt andere die Gestalt seines Traumes mitbestimmen. Aber genau wie Linus Torvalds, einer der Gründerväter des freien Betriebsystems Linux, die Entwicklung des Systems maßgeblich steuerte, so formt auch Matt Hanson seinen Engelschwarm nach seinen Vorstellungen. ASOA ist alles andere als basisdemokratisch organisiert. Zwar holt sich Hanson für die beiden Drehbücher, die er zurzeit schreibt, Anregungen bei der Community und lässt diese zum Schluss darüber abstimmen, welches in die Produktion geht. Was aber zur Abstimmung kommt, entscheiden nur Hanson und eine Handvoll Vertrauter, die sich besonders um das Projekt verdient gemacht haben. Nach diesem Muster arbeitet auch die freie Software-Community: Jeder darf Code beisteuern – welche Codeschnipsel aber in die offizielle Endversion kommen, entscheidet letztlich eine kleine Gruppe um die Projektspitze.

Ein meritokratisches System

Hanson hat sich ein hierarchisches System für seinen Engelsschwarm ausgedacht. Wer aktiv ist und gute Arbeit abliefert, dessen Stimme gewinnt innerhalb der Community an Gewicht. Politikwissenschaftler nennen das Meritokratie: Wer was kann, darf herrschen. "Dieser Prozess gibt dem Filmemacher mehr Raum, als das in den gegenwärtigen klassischen Strukturen der Filmbranche möglich ist", hofft er. Das Ganze sei ein künstlerisches Experiment. "Ich muss nicht den Wünschen des Marktes gehorchen – sondern kann meine eigenen Vorstellungen und die der Community umsetzen." Hanson weiß um den undemokratischen Charakter seines Systems. Ein so komplexes Projekt wie ein Film brauche eine Gemeinschaft vertrauenswürdiger Stimmen, um der viralen Kakophonie zu entgehen.

Vertrauen ist die Währung, auf die es ankommt

Noch steckt das Projekt in der Frühphase. Der Mann, der das Kino revolutionieren will, sitzt im beschaulichen englischen Seebad Brighton und tüftelt zusammen mit den ersten Freiwilligen an den Drehbüchern. Bevor ASOA für die Massen geöffnet wird, will Hanson erst ein transparentes Finanzverwaltungssystem installieren. Alle sollen nachvollziehen können, wie die Gelder ausgegeben werden, verspricht er. Hanson weiß, dass sein Film nur gedeihen wird, wenn die virtuelle Gemeinde ihm vertraut. Manchmal frage er sich, ob er den Herausforderungen dieses Projektes gewachsen ist.

Hanson ist nicht der erste, der einen Film mithilfe von Online-Netzwerken realisiert. Im Sommer 2006 machte die 120.000 Euro teure Produktion Elephants Dream Schlagzeilen. Die zehnminütige Animation wurde zu einem Viertel über DVD-Vorverkäufe finanziert. Ein halbes Jahr, bevor mit den Arbeiten zu dem Kurzfilm überhaupt begonnen wurde, waren genug Menschen dem Aufruf auf der projekteigenen Homepage gefolgt und haben die Scheibe geordert – ohne zu wissen, was sie erwartet. Innerhalb weniger Monate fand der Film über eine halbe Million Zuschauer im Netz. Die Macher von Elephants Dream haben übrigens ausschließlich mit freier Software gearbeitet.

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