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Schön gedacht

Fußball überall - auch sehr schön auf der eigenen Couch

In Köln ist der Wahnsinn dezentral organisiert. In Berlin prallt alles an einem Ort aufeinander. Und im heimischen Wohnzimmer wechseln sich Nivauloses und gute Witze ab. Dennis Kazooba analysiert WM-Schau-Plätze


Die schönste WM in unserem jungen Leben hat auch die Fußballrundumversorgung auf ein neues Level gehoben. Nirgendwo merkt man das deutlicher als in der Hauptstadt, in der sich alles um den Tiergarten herum verdichtet und es schwieriger erscheint, nicht ins Fernsehen zu kommen, als vor irgendeiner Kamera den ausgeflippten Fan zu markieren.

Im eher dezentral organisierten Köln mit seinen vielen Fußballkneipen erschlägt einen ie wuchtige Masse an Fans nicht derartig, wie auf der Berliner Fanmeile.

Schon auf der Fahrt mit der Bahn nach Berlin ist der Sport allgegenwärtig. Das luftige ICE-Großraumabteil ist wohl der beste Ort, um die aktuelle Stimmungslage des Landes zu erfassen. Zwei Herren Mitte vierzig berauschen sich da am Spiel der Deutschen, während vier juvenile, lautstarke Bundeswehrsoldaten auf Heimfahrt für Frankreichs Spielweise nur Fäkalwörter übrig haben. Unterbrochen wird das Expertengemurmel vom Schaffner, der via Lautsprecher folgendes zum Besten gibt: "Sehr geehrte Reisende, als nationaler Förderer der Fifa WM 2006 in Germany teilt ihnen die Deutsche Bahn, in Zusammenarbeit mit dem Fifa-WM-Förderer T-Mobile, die aktuellen Ergebnisse mit: Frankreich - Togo, Halbzeitstand: 1-0." Allgemeines Gelächter im Wagen 33. Schließlich hatten die vier Soldaten direkt nach dem Tor allen Bescheid gegeben. Deutschland einig Feierland. Angekommen in Berlin steigt man nun am gigantischen, doch gleichzeitig grazilen neuen Hauptbahnhof aus und wird abermals von einer freundlichen Bahnstimme aufs Großereignis hingewiesen: "Willkommen im Fifa-WM-Bahnhof Berlin-Hauptbahnhof." Irgendwie haben die Ansagen der Bahnmitarbeiter etwas leicht debiles und wollen so gar nicht zum neuen Image des Unternehmens zwischen WM, Neubaustrecke und Börsengang passen.

Steigt man im großen Kreuzungsbahnhof um, was man ja soll, läuft man an einem gigantischen Werbeplakat vorbei, das die Zahlen 54, 74, 90 und, mit einem Fragezeichen versehen, "2006" beinhaltet.

Geschafft von der Bahnfahrt schaltet sich zu Hause der Fernseher wie von alleine an. Die öffentlich-rechtlichen unterhalten, im Gegensatz zu den Privaten, durchaus mit Niveau. Die ARD kommt mit dem bewährten Duo Delling/Netzer. Deren Streitereien zwar aufgesetzt, aber in ihrer Stetigkeit lustig sind. Besonders Netzer, bei dem sich brillante Wortwahl und holprige Grammatik unversöhnlich gegenüber zu stehen scheinen. Auch Monica Lierhaus, als Frontberichterstatterin vom Mannschaftshotel ist immer wieder gern gesehen, auch wenn sie des Öfteren den Eindruck macht, bei den Verantwortlichen der Nationalmannschaft allenfalls geduldet zu sein. Die wahre Stärke des Ersten liegt aber in der humorvollen Nachbereitung eines WM-Tages. Blumentopf versöhnt einen wieder mit Deutsch-Rap und Sarah Kuttner dreht kleine Filmchen, die zwei Klassen besser sind, als ihre Show auf dem Kindersender. Nur Waldis WM-Club kommt ein bißchen bieder daher, auch wenn es schön ist zu bemerken, dass es lustigere Fußball-Witze als die von Harald Schmidt gibt.

Anders, aber durchaus ergänzend, das Programm im Zweiten. Während Günter Netzer in Globalisierung-verneinenden Kategorien denkt ("Das ist so, das ist ihre Mentalität, schon immer gewesen.") setzt das ZDF auf zeitgemäße Seriösität. Der etwas dröge Schweizer Schiedsrichter Urs Meier besticht durch Regelkundigkeit, die fleischgewordene mitfühlende Vernunft Kerner ("...aber englische Zeitungen haben geschrieben...") moderiert und Mainz-05-Trainer Jürgen Klopp erklärt den Fußball und bringt eine neue Form der Fußballunterhaltung: die humorvolle, nicht ganz ernst gemeinte Feindschaft ("Wer liest schon englische Zeitungen?"). Was in Ländern wie Holland und England schon längst Alltag ist, hält in Gestalt von Jürgen Klopp nun auch in deutschen Medien Einzug: Große Kompetenz verbunden mit großer Leidenschaft. Ein Land entdeckt sich neu.


 
 



 

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