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Migration

Wir reisen, sie flüchten

Für zehntausende junge Afrikaner ist es die Reise ins Glück: Doch zwischen ihrer Heimat und Europa liegen Wüsten, Meere und Grenzzäune. Wie viele sterben, weiß niemand. Der Journalist Klaus Brinkbäumer hat einen von ihnen bei einem Besuch in der Heimat begleitet. Im Gespräch sagt er, warum

Von Ghana nach Spanien ist es nicht weit: 3500 Kilometer Luftlinie ungefähr. Mit dem Flugzeug dauert das ein paar Stunden, John Ampan brauchte für die Strecke fast fünf Jahre. Der Afrikaner konnte nicht in ein Flugzeug steigen, weil ihm das Visum fehlte. Er war kein Reisender, er war ein Flüchtling. Er verließ seine Familie, um in Europa Geld zu verdienen. Auf dem Landweg kämpfte er sich gen Norden, Etappe für Etappe. Erst kam er ins Gefängnis, dann ließen ihn Schlepper in der Wüste zurück – ohne Wasser. Aber er hat es geschafft. Seit zehn Jahren lebt John Ampan nun in Spanien. Vor zwölf Monaten kehrte er mit dem Spiegel -Reporter Klaus Brinkbäumer zurück nach Afrika. Die beiden fuhren zusammen mit dem Fotografen Markus Matzel auf der Route der afrikanischen Migranten von Ghana über Nigeria und Niger bis nach Algerien. Über diese Reise schrieb Klaus Brinkbäumer das Buch Der Traum vom Leben – Eine afrikanische Odyssee .

Afrikanische Flüchtlinge zahlen Tausende Euro, um illegal nach Europa zu gelangen. Viel Geld, das sie auch in ihrer Heimat in eine bessere Zukunft investieren könnten. Trotzdem wagen sie die lebensgefährliche Reise. Warum?

Klaus Brinkbäumer : Einerseits werden sie von Armut und Hoffnungslosigkeit getrieben. Auch wenn es natürlich besser entwickelte Länder gibt wie Ghana, wo John Ampan herkommt. Andererseits zieht Europa junge, afrikanische Männer magisch an. Sie haben Internet und Fernsehen und wissen genau, wie wir hier leben. Sie wissen, dass unsere Krankenhäuser besser sind, dass wir älter werden. Und wer etwas Geld hat, sagt sich: Das investiere ich in eine bessere Zukunft – in Europa.

Trotz der Risiken einer solchen Odyssee?

Wie gefährlich diese Reise ist, ist den meisten nicht klar. John wäre in der Wüste beinahe verdurstet. Es kommt oft vor, dass die Fahrzeuge versagen oder dass die Schlepper die Flüchtlinge im Stich lassen. 25-jährige, kräftige Jungs brechen dann irgendwo in der Sahara zusammen und bleiben tot liegen. Oder sie ertrinken im Mittelmeer oder, wie in diesen Monaten, im Atlantik. Das sind Höllenfahrten.

John hat nicht aufgegeben, auch nach Jahren nicht.

Er wollte aufgeben, dachte immer wieder daran. Dann ist er doch immer weitergegangen. Er hat sich das Geld für die nächsten Etappen peu à peu verdient, kam auf den Ladeflächen von Pickups voran, eingequetscht zwischen dutzenden Flüchtlingen. Die wenigsten Migranten geben auf, das hat mit Scham zu tun: Sie wollen nicht nach Hause gehen und sagen: Ich habe es nicht geschafft. Denn oft genug hat ja die Familie alles was sie hatte in diese Reise investiert.

Bei ihren Recherchen hat sich Johns Geschichte teilweise als falsch heraus gestellt.

Ganz am Anfang hat er mir eine falsche Biographie erzählt, ja. Aber ich habe seine Motive verstanden: Die Schengen-Staaten haben Rückführungsabkommen mit einigen afrikanischen Regierungen abgeschlossen. Wenn du als Flüchtling nach Europa kommst und sagst, du kommst aus Ghana, wirst du sofort in ein Flugzeug nach Accra gesteckt. Behauptest du, dass du Liberianer bist und deine Papiere verloren hast, darfst du bleiben. Was erzählt man dann?

Jetzt will Johns Sohn seinem Vater nach Europa folgen.

Er will lieber heute als morgen nach Europa und würde auch illegal reisen. John fleht ihn an, in Ghana zu bleiben. Er will ihm die Uni bezahlen. Aber Glenn ist genauso magisch von Europa angezogen wie John es war. "Du gehst bei der Reise zugrunde", sagt John zu seinem Sohn und warnt ihn: "Ich bin in Europa nicht glücklich geworden". Der Sohn antwortet dann: "Und warum bist du dort?"

Die Slums von Lagos, die Trostlosigkeit von Mauretanien. Ist Afrika so deprimierend wie in Ihrem Buch?

Ich finde Afrika berauschend! Die Wüste, die Wildnis… klar, alles wunderschön. Nur ist das nicht das Afrika der Flüchtlinge. Wenn man über Migration schreibt, dann geht man eben nicht auf Safari, sondern in die Slums von Lagos. Dort ist es nicht schön. Von dort kommen die Flüchtlinge, um die es geht. Und die Migranten haben sowieso kein Auge für die Schönheiten am Wegesrand. Die Art, wie sie reisen, ist anders als unsere: Sie haben keine Bücher dabei, hören keine Musik, schauen nicht aus dem Fenster. Sie warten nur.

Es gibt in Ihrem Buch die Rubrik Johns Afrika für Anfänger . Darin sagt John Dinge über Afrika und die Afrikaner, die nicht immer ‚politically correct’ sind. Ist das ein Trick, um etwas auszusprechen, das sie als weißer Reporter nie sagen dürften?

Ich würde das natürlich nicht Trick nennen, aber Recht haben Sie trotzdem. Man kann die Misere vieler afrikanischer Staaten ja nicht ewig auf Sklaverei und Kolonialzeit zurückführen, sie hat heute genauso mit Korruption und Klüngelwirtschaft, mit Lethargie und Kriminalität zu tun. John ist klug und gebildet, er war ein phantastischer Lehrer und Reisebegleiter, und irgendwann hat er angefangen, all diese Dinge zu sehen und auszusprechen. Es sind seine Gedanken und Zitate. Wahr ist: Wenn ich das sagen würde, gäbe es sicherlich Afrikaner, die mich rassistisch nennen würden.

Der Leser des Buchs erfährt, wie stark afrikanische Familien zusammen halten. Außerdem erfährt er, dass John Ampan ein Cousin des Fußballers Sammy Kuffour ist, der mal bei Bayern München gespielt hat. Und man fragt sich: Warum musste John diese Reise überhaupt machen?

Er wollte Sammy Kuffour nicht um Hilfe bitten. Das ist vielleicht eine Frage des Stolzes. So richtig hat John mir die Frage nie beantwortet. Er wollte ihn wohl einfach nicht fragen. Der Clan ist sehr groß und zerstreut, so eng verwandt sind die beiden nicht. Kuffour unterstützt seine engere Familie, er hätte bestimmt nicht Nein gesagt, wenn John ihn um Hilfe gebeten hätte.

Apropos Fußball. Kaum waren sie wieder zurück aus Afrika, haben Sie über die Weltmeisterschaft in Deutschland geschrieben. Ein ziemlicher Themensprung.

Klar, das ist ein Kontrast. Aber ich habe schon vorher für den Spiegel aus Krisengebieten berichtet und bin danach wieder in unsere heile Welt zurückgekehrt. Die Fußball-WM hat mir trotzdem Spaß gemacht. Früher, als ich noch Sportredakteur war, bin ich ziemlich verbissen an Fußball heran gegangen. Nach der Afrika-Reise konnte ich die WM nicht ganz so ernst nehmen, aber etwas Humor muss Texten über Sport ja nicht schaden.

Ist Der Traum vom Leben ein politisches Buch?

Ich finde: ja. Die Haltung, mit der Europa den Migranten begegnet, ist natürlich hochpolitisch. Es geht in diesem Buch darum, Motive zu erklären. Warum kommen die Flüchtlinge? Und wie behandeln wir sie?

Wenn die Innenminister der EU, die sich ja dafür einsetzen, die Grenzen immer dichter abzuschotten, das Buch lesen würden…

…wären ihre Maßnahmen etwas überlegter, glaube ich. Ein wenig Mitgefühl wäre schon viel wert.

Treffen Politiker solche Entscheidungen, weil sie es nicht besser wissen?

Ich denke, ja. Ihr Fokus ist verengt auf die Frage, wie die Grenzen dicht gehalten werden können. Für innere Sicherheit zu sorgen, ist ihr Job. Und souveräne Staaten dürfen ihre Grenzen eben zusperren, wenn sie das wollen. Was ich aber nicht verstehe: Sie schauen ausschließlich auf die Sicherheit, der Blick wird nicht auf die Folgen gerichtet.

Zum Beispiel?

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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