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MEDIEN

Das große Flimmern

Sie sind schneller, billiger und näher dran als normale Fernsehteams. Mit ihren Reportagen mischen Videojournalisten die Medienlandschaft auf. Auf dem Berliner VJ-Award wurden jetzt die besten ausgezeichnet

Das aufgeklappte Notebook auf dem Schoß, der Blick starr auf den Bildschirm gerichtet, gleichzeitig im Gespräch mit Kollegen. Der Videojournalist – kurz VJ - David Dunkley Gyimah ist ein gefragter Gesprächspartner. Mit seinem Film "8 days" nimmt er am diesjährigen VJ-Award in Berlin teil. Ausgezeichnet werden hier selbst produzierte Videobeiträge, die mit einer Digitalkamera aufgenommen wurden. David Dunkley Gyimah gehört zu einer sich neu formierenden Armee, die kontinuierlich daran arbeitet, die Medienwelt aus den Angeln zu heben: den Videojournalisten. Mit ihren digitalen Geschützen torpedieren sie die festgefahrenen Strukturen von Fernsehredaktionen. Dabei sprechen sie gerne von der Befreiung des Journalisten. Doch welche Freiheit meinen sie eigentlich?

"Wir erleben derzeit eine Art Revival. Das Monopol des Fernsehens auf Bewegtbild ist schon Anfang letzten Jahres gefallen", beschreibt die Kuratorin des Wettbewerbes Sabine Streich die Bewegungen in der Medienlandschaft. Sie meint damit die Verbreitung von selbst produzierten, digitalen Filmen im Internet. Noch vor wenigen Jahren wäre es technisch undenkbar gewesen, bewegte Bilder ohne Ruckeln und Zuckeln im Netz anzuschauen. Die Datenmengen waren zu groß. Heute haben die meisten einen DSL-Zugang, allein in Deutschland hängt mittlerweile jeder zweite Internetnutzer am Breitband. Damit ist er ein potentieller Zuschauer für die neue Generation von Filmen.

Diese Veränderung ist auch im Journalismus angekommen. Viele Onlineredaktionen haben inzwischen VJ-Beiträge auf ihren Seiten. Die Qualität ist sehr unterschiedlich, oft wird einfach der Praktikant mit der Mini-DV-Kamera losgeschickt. Mittlerweile liefern aber auch Agenturen wie Reuters oder ZoomIn VJ-Beiträge an die Redaktionen. Diese Bilder unterscheiden sich kaum von denen, die dem Nutzer aus dem Fernsehen vertraut sind.

Ist Videojournalismus also nur billiges Fernsehen? "Nein", protestiert Sabine Streich, "der Videojournalismus soll nicht das kopieren, was ohnehin schon da ist. Gute VJ-Stücke erkennt man daran, dass sie eine Autorenhandschrift haben." Sie organisiert dieses Jahr zum dritten Mal den Wettbewerb und schaut sich jährlich mehr als 800 digitale Filme an. Nebenher produziert sie eigene Beiträge und bildet aufstrebende Journalisten zu VJs aus. Was bringt sie den Teilnehmern ihrer Kurse bei? "Drehen, Schneiden und dass sie ihr Publikum nicht langweilen sollen."

Die sinkenden TV-Quoten geben ihr Recht, Fernsehen als Medium scheint aus der Mode gekommen. Parallel dazu werden immer mehr Filme im Internet hochgeladen und angeschaut, vielleicht gerade, weil sie nicht wie Fernsehen sind. "Wir alle sind mit unzähligen Regeln aufgewachsen, wie das Fernsehen funktioniert. Diese Regeln wollen wir im Videojournalismus vergessen", sagt David Dunkley Gyimah.

Tatsächlich werden auf dem VJ-Award Filme ausgezeichnet, die einen TV-Programmleiter vermutlich erschaudern ließen. Die Perspektive ist subjektiv, die Bilder flimmern, die Szenen springen. Aber gerade dadurch wirken die Beiträge echt und persönlich. Mit ihren Bildern vermitteln die VJs das Gefühl, dass man als Zuschauer selbst die Kamera in der Hand hält. Dabei spielen Farbqualität, Beleuchtung oder Kameratechnik nur eine untergeordnete Rolle. "Je relevanter ein Thema ist, desto unwichtiger ist die Qualität", stellt Sabine Streich fest. Im Videojournalismus geht es darum, Nähe zu den Menschen im Film zu erzeugen, eine Intensität, die ein Kamerateam nie erreichen würde.

Der englische Sender BBC speist mittlerweile ein Drittel seines Programms mit Beiträgen von VJs, das Schweizer Fernsehen hat dafür eigene Reportageformate. Und auch in Deutschland sind im Fernsehen immer häufiger VJ-Stücke zu sehen. Für einen klassischen Fernsehbeitrag brauchte man bisher mindestens einen Redakteur, einen Kameramann und einen Tonassistenten. Für viele in der Branche klingt Videojournalismus deshalb so, als wolle man zwei von drei Medienberufen wegrationalisieren. Tatsächlich gibt es Redaktionen, die den Vorteil der Alleingänger vor allem darin sehen, dass sie preiswerter sind. Doch ein Videojournalist kann die Kompetenzen eines ganzen Teams nicht ersetzen.

Den wahren Vorteil kennt Sabine Streich aus eigener Erfahrung: "Wenn ich alleine als VJane unterwegs bin, lassen die Leute schneller die Hosen runter." Magic Moments werden die Szenen genannt, die Kamerateams häufig verpassen und bei denen ein VJ nur auf die Record-Taste drücken muss.

Deutsche Fernsehanstalten setzen die Einzelgänger inzwischen gezielt ein – immer dann, wenn das Produktionsrisiko hoch, die Drehkosten für ein ganzes Team unbezahlbar oder die Unauffälligkeit des Filmenden wichtig ist.  Anfängliche Vorbehalte haben sich mittlerweile gelegt. So bildet der Bayerische Rundfunk inzwischen selbst freie Mitarbeiter zu Videojournalisten aus. Ähnlich wie die Schweizer denkt der Sender über ein eigenes Reportageformat nach, welches zu 100 Prozent mit VJ-Beiträgen gefüllt werden soll.

Auch bei den großen Internet-Konzernen gehört Videojournalismus längst zum Konzept. Google verleibte sich letzten Monat für gute 1,6 Milliarden Dollar das weltweit nutzerstärkste Videoportal YouTube ein. Unter den dort hochgeladenen Beiträgen finden sich auch gute Video-Reportagen, das meiste ist jedoch nach wie vor Müll.  "Wir werden zukünftig so zugemüllt werden, dass ich als User wissen muss, wo ich mir was anschauen kann und wo die Fakten stimmen,"  sagt auch Sabine Streich. Wie soll man da als Zuschauer im Netz noch die guten Beiträge finden?

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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