Vater, Produzent verschrobenen Technos, Mode-Designer und Labelbetreiber: Dennis Busch alias James Din A4 lebt die Maxime "Mach es selbst!". In einem Dorf vor Bremen
Von Christoph Braun
Die Sonne zeigt noch ihre letzten Strahlen und wärmt die Feuchtwiesen von
Ottersberg
. Der Traktor brummt, der Bauer mäht Getreide. Unablässig passieren Fahrräder. Ottersberg ist eine Hochburg der Anhänger des Anthroposophen-Urvaters
Rudolf Steiner
: Es gibt einen Waldorf-Kindergarten, eine Waldorf-Schule, und den Hintergrund der
Fachhochschule für Gestaltung
bezeichnet Dennis Busch als "Waldorf-nah". Er lebt gerne hier. Seine Freundin hat hier studiert, sein älterer Sohn geht in den Waldorf-Kindergarten. Doch begreift Dennis Busch sich nicht als Anhänger der Anthroposophie. Überhaupt wirkt er nicht, als sei er Anhänger von irgendetwas. Er ist halt hier gelandet, und wichtig ist ihm "dass man das eben nicht nur von Berlin aus machen kann, oder Köln oder Hamburg".
"Das", damit meint Dennis seine kreative Arbeit als Musiker und Künstler. Für jemanden wie ihn, der mit
Esel Inc.
sein eigenes Label, mit
Made With Hate
eine Modelinie vertreibt, unter zahlreichen Pseudonymen Musik produziert, als Grafiker T-Shirts, Bilder und Plattencover gestaltet und auch noch darauf achtet, viel Zeit mit seinen beiden Kindern zu verbringen, ist Multitasking vor allem Sinnstiftung.
"Das ist Zeit, die kriegst du nie wieder," begründet Dennis seinen Wunsch, neben all der künstlerischen Arbeit auch mit den Kleinen zu spielen. Der kleine Sohn ist zwei Jahre alt, der ältere fünf. Mit zwei Kindern im Haus einen neuen
James Din A4
-Track oder eine Grafik zu produzieren, ist nicht immer ganz leicht, aber Dennis hat sich inzwischen den Rhythmus seiner Söhne zu Eigen gemacht. Früh aufstehen und früh ins Bett gehen bedeutet das. Groß ausgehen ist eh nicht – der Vielmacher vermisst in Ottersberg auch deshalb nichts, weil er sowieso kein leidenschaftlicher Club-Besucher ist.
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"Mir wird sowieso zu viel berichtet über verruchte Clubs und Druffsein bis zum Exzess," kritisiert Busch die deutschsprachigen Magazine wie
Groove
oder
De:Bug
. Es ist Kritik unter Freunden, denn gerade diese auf Clubmusik spezialisierten Blätter haben ihn zuerst entdeckt. Sie berichten regelmäßig über die Musik, die er in Eigenregie und unter vielen Pseudonymen auf seinem Label
Esel Inc.
veröffentlicht. Unter dem bekanntesten Künstlernamen,
James Din A4
, bringt Busch seine eigene Definition von Techno heraus. "Ich benutze das Gerüst des Vier-Viertel-Beats von gängigem Techno. Doch da hinein hänge ich das ganze Unkraut." erläutert der Produzent seine Grundideen. Ich habe nicht den Anspruch, die Leute zum Tanzen zu bringen." So streut
James Din A4
Sand ins Getriebe der Techno-Musik, die nach vor vor allem als funktionell wahrgenommen wird.
Bei ihm wird sie zur Musik zum Hören. Was er selbst als "Unkraut" bezeichnet, das sind die gewollten kleinen Unreinheiten in Rhythmus und Sound, die nicht zu tanzen befehlen. Bei
James Din A4
, aber auch in den Tracks von Buschs anderen, imaginären Künstlerfiguren wie
Pastor Fitzner
,
Pop Dylan
oder
Josephpetshopboys
, gerät man aus dem Takt, und so soll es auch sein. Das ist auch der Grund, warum der mit psychedelischer Sixties-Musik aufgewachsene Busch selten live spielt. Seine Tracks sind gut, so wie er sie auf Vinyl veröffentlicht. Deshalb macht er sich gar nicht erst die Mühe eines Live-Programms.
Für die Plattenindustrie ist er damit ein totaler Außenseiter. So ist er nach eigenem Bekunden "einer der ganz Wenigen, die schon den ersten Track auf dem eigenen Label rausgebracht haben". Nachdem er 1997 die elektronische Musik entdeckte, gründete er Anfang 2000
Esel Inc.
"Totales 'Do-It-Yourself'" war schon ganz zu Beginn die Devise, die er auch heute noch hoch hält: "Man kann das alles alleine machen. Bei der Trackauswahl und der Covergestaltung hat als eigener Labelchef, Musiker und Gestalter freie Bahn."
In einer begrenzten Experten-Welt ist Dennis Busch längst für seine Plattencover bekannt, für die er surreale Collagen mit wildem Humor anfertigt. In seiner Siebdruck-Werkstatt, zehn Minuten zu Fuß von zu Hause entfernt in einem Atelier beherbergt, entwirft und druckt er Papier-Arbeiten, T-Shirts und Pullis. Für die Kleidungsstücke hat er inzwischen die Modelinie
Made With Hate
ins Leben gerufen. Zurzeit arbeitet er an der
Esel Inc.
-Homepage, auf der neben der eigenen Musik auch Mode und Grafik verkauft werden soll.
Das Internet ermöglicht Lebensmodelle, die vor zehn, fünfzehn Jahren noch kaum vorstellbar waren. Immer öfter ziehen Musiker und Künstler aufs Land. Selbst wenn Arbeiten – wie die von Dennis Busch – urban anmuten, brauchen sie die reale Metropole nicht mehr. Die Stadt ist eine Form des Zusammenlebens, die sich ins ödeste Nest transportieren lässt. Deshalb müssen sich die Ideenarbeiter auch nicht mehr den Spielplatz im Prenzelberg mit anderen Jungfamilien teilen.
Ottersberg hat Dennis jetzt einen Job eingebracht. Konnte er bisher von seinem Idealismus kaum leben – der Staat zahlt die Miete – gibt es nun auch erste Aufträge, die regelmäßig Geld bringen. "Ab dem Herbst-Semester habe ich einen kleinen Lehrauftrag für Siebdruck hier an der Fachhochschule," freut sich Dennis auf die Zukunft. Vielleicht wird es bald viel mehr Dennis Busche geben.