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Urheberrecht

Kapern, plündern, versenken

...war gestern. Piraten von heute gründen Parteien und fordern freies Filesharing für alle. Christof Leng, der designierte Parteivorsitzende der Piratenpartei Deutschlands, sprach mit dem ZUENDER über Diebstahl, Privatsphäre und den Wilden Westen

Am Sonntag gründet sich in Berlin die Deutsche Piratenpartei (DPP) . Ihre wohl plakativste Forderung: Die völlige Freigabe von privatem Filesharing. Vorbild ist die Piratenpartei in Schweden, die im September bereits zu den dortigen Parlamentswahlen antritt. Der Informatiker Christof Leng (30) ist einer der Köpfe der deutschen „Piraten“ und Kandidat für den Parteivorsitz.

Ihr wollt also kostenlos Filme und Musik runterladen, ohne bestraft zu werden?

Nein. Wir sind mehr als die Filesharer-Partei, die Musik und Videos „saugen“ möchte. Das ist nur der Aufhänger, weil es sehr viele Leute betrifft. Die Freigabe von nichtkommerziellen Kopien ist für uns kein politisches Ziel, sondern eine Selbstverständlichkeit. Denn man kann Filesharing technisch gar nicht wirksam verhindern. Das ist eine ähnliche Situation wie bei der Prohibition in Amerika: Man kann jahrzehntelang Gesetze erlassen und Propaganda betreiben. Aber es bewirkt nichts, wenn Millionen von Menschen etwas als ihr natürliches Recht betrachten. So ist es auch jetzt: Millionen Menschen laden Musik oder Filme ohne Unrechtsbewusstsein runter und werden durch die aktuelle Gesetzgebung zu Verbrechern und „Piraten“.

Aber ist es nicht Diebstahl, sich etwas zu nehmen, ohne dafür zu bezahlen?

Kaum eine Band, die heute in den Charts ist, finanziert sich aus den Plattenverkäufen. Die Kleinen zahlen oft sogar drauf, wenn sie eine Platte aufnehmen, und selbst die ganz Großen verdienen den allergrößten Teil ihrer Einnahmen mit Merchandising und Konzerten. Das Filesharing wäre also kein Diebstahl an ihrem Einkommen, sondern eine gigantische Werbekampagne. Man lädt sich Musik aus dem Internet und unterstützt gleichzeitig die Bands, die man gut findet, durch den Kauf von CDs und Fanartikeln oder durch Konzertbesuche. Das meiste Geld versickert heutzutage sowieso in den Plattenkonzernen.

Was sagt ihr Künstlern, die trotzdem Angst um ihr Einkommen haben?

Wir wollen auf jeden Fall sicherstellen, dass Urheber nach wie vor Geld mit ihren Werken verdienen können. Wir glauben zwar nicht, dass eine Freigabe von Filesharing grundlegend negative Effekte hätte, können das aber nicht ausschließen. Deswegen sagen wir: Wenn es negative Auswirkungen gibt und zum Beispiel der Job des Berufsmusikers auszusterben droht, dann haben wir auch dagegen einige Konzepte in der Schublade. Nur eben nicht dieselben wie die Plattenindustrie.

Wenn das Filesharing nur der Aufhänger ist – was sind dann eure politischen Ziele?

Wir möchten uns besonders im Datenschutz und im Patentrecht engagieren. Das moderne Patentrecht nimmt mittlerweile groteske Züge an. Ein Forscher nutzt allgemein zugängliches Wissen, fügt einen kleinen Fortschritt hinzu, und schon kann er ein Patent auf das gesamte Konzept anmelden. So hindert er die Gesellschaft daran, seine Ideen zu nutzen und vielleicht sogar zu verbessern. Ich vergleiche das gerne mit dem Wilden Westen, wo Ansprüche abgesteckt werden, öffentliches Gebiet plötzlich unwiederbringlich privatisiert wird und für kommende Generationen verloren geht. Dabei ist gerade in Deutschland Wissen unser wichtigstes Kapital.

Beim Datenschutz möchten wir den gläsernen Staat und nicht den gläsernen Bürger. In Deutschland überwiegt die Denkweise, dass der Bürger eine Verpflichtung gegenüber dem Staat hat: Er muss durchschaubar und gläsern sein, möglichst alle persönlichen Daten offenlegen und sich unter Generalverdacht stellen lassen. Dabei sollte es umgekehrt sein: Die Entscheidungen des Staates müssen für den Bürger durchschaubar werden.

Hört sich trotzdem noch etwas monothematisch an.

Wir sind eine Themenpartei. Das heißt aber nicht, dass wir nur zu einer von zehn Bundestagsdebatten etwas zu sagen haben. Wir sagen nicht, dass unsere Perspektive alle Fragen beantwortet. Aber in unserem Bereich sind wir Profis und wollen Lösungen anbieten. Wir können zum Beispiel im Gesundheitswesen etwas zu Patientendaten und Datenschutz sagen, auch zum Thema Patentrecht im Medikamentenmarkt. Aber wir werden uns mit Sicherheit nicht an ideologischen Grabenkämpfen wie dem Streit um Kopfpauschale oder Bürgerversicherung beteiligen.

Ihr gründet jetzt eine Partei. Lässt sich eure jugendliche Zielgruppe nicht viel eher für eine außerparlamentarische Opposition begeistern?

Die Jugend ist nicht politikverdrossen, sondern sieht nur ihre Interessen schon lange nicht mehr vertreten. Außerdem gibt es bereits eine Menge außerparlamentarische Organisationen, die viele unserer Positionen seit Jahren vertreten, etwa den Chaos Computer Club. Dieser Szene fühlen wir uns verbunden. Aber allein durch die Ankündigung der Parteigründung haben sich inzwischen Hunderte Interessenten auf unserer Website gemeldet. Und das, obwohl wir keine Werbung gemacht haben. Unser Ziel ist nicht die absolute Mehrheit im Bundestag, uns geht es darum, die Themen ‚Freiheit’ und ‚Privatsphäre’ wieder in den politischen Fokus zu rücken.

Eine Splitterpartei werdet ihr trotzdem sein.

In Schweden haben wir gesehen, dass eine Partei wie die unsere sehr schnell wachsen kann und unheimlich viele Leute sich dafür begeistern können. Niemand kann wissen, wie viel Prozent wir bei der ersten Wahl holen. Jetzt müssen wir uns erst mal gründen und das allgemeine Echo abwarten. Viel wichtiger ist es sowieso, die Menschen zu mobilisieren. Wir positionieren uns als Alternative zur Scheuklappen-Rhetorik der aktuellen politischen Debatte und wollen unsere Themen in den öffentlichen Fokus rücken. Ob wir nur eine unscheinbare Alternative bleiben, wird sich zeigen.

Wie groß wollt ihr werden?

Obwohl wir ja noch nicht einmal gegründet sind, haben sich in zwei Monaten schon 600 Nutzer in unserem Internet-Forum registriert. Wenn wir jetzt als Partei eine entsprechende Form mit Satzung und Vorstand haben, können wir uns besser organisieren und uns auch stärker um Mitgliedswerbung kümmern. Die Schweden haben inzwischen ca. 8.500 Mitglieder – mehr als die dortigen Grünen. Ich rechne nicht so schnell mit solchen Mitgliedszahlen. Aber einige Tausend sind auch kurzfristig realistisch.

Ihr nennt euch „Piratenpartei“ – nach einem Begriff, den die von euch kritisierten Plattenfirmen geprägt haben.

Der Name kommt aus Schweden, wo er sehr gut funktioniert. Eine Lobbyvereinigung der Medienindustrie hatte dort ein „Antipiratenbüro“ gegründet, als Kampagne gegen Filesharer. Als Reaktion haben die dann plakativ ein „Piratenbüro“ gegründet, aus dem nachher die Partei entstanden ist. Im Moment entstehen in vielen europäischen Ländern und in den USA Parteien nach diesem Vorbild und unter diesem Namen. Der Name symbolisiert, dass wir uns nicht länger diskriminieren lassen, sondern endlich in die Offensive gehen wollen.

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