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9-11 IN MEXIKO

Adios, American Dream

Fast sah es so aus, als würde 2001 ein gutes Jahr für die Mexikaner in den USA. Dann kam der 11. September.

2001 hätte ein gutes Jahr werden können für die rund fünf Millionen Mexikaner, die als Illegale in den USA lebten. Im Januar versprach der mexikanische Präsident Vincete Fox, der grade sein Amt aufgenommen hatte, gemeinsam mit George W. Bush nach einer Lösung für das Migrationsproblem zu suchen. Doch dazu kam es nicht mehr.

Denn ein dreiviertel Jahr später, nach den Terroranschlägen auf New York und Washington, waren Einwanderer ohne gültige Papiere vor allem eines: ein nationales Sicherheitsrisiko. Die USA verstärkten ihre Grenzkontrollen und setzten ein umstrittenes Rückführungsprogramm für mexikanische Staatsbürger durch, die sich widerrechtlich in den Vereinigten Staaten aufhielten. In Mexiko wurden diese Maßnahmen mit Wut und Enttäuschung aufgenommen. Und spätestens nach der Irak-Invasion der avancierte US-Präsident George W. Bush in den Augen der mexikanischen Öffentlichkeit zum Inbegriff des ungeliebten Gringos .

An der amerikanischen Einwanderungspolitik hat sich seither kaum etwas geändert. Erst vor wenigen Monaten hat die Regierung George W. Bushs 6000 Nationalgardisten an die Grenze zu Mexiko geschickt und deren weiteren Ausbau mit Stacheldraht und Überwachungskameras beschlossen. 600 Kilometer lang soll dieser Grenzwall werden.

Ungeachtet dieser Abschreckungsmaßnahmen verlassen jeden Tag schätzungsweise 500 mexikanische Staatsangehörige ihr Heimatland um auf die andere Seite des "Tortilla-Vorhangs" zu gelangen.

Die meisten dieser Menschen sind campesinos , einfache Bauern aus den südlichen Bundesstaaten Mexikos. Es sind Menschen wie der 37-Jährige Miguel Perez Aguilar. Bis 1998 lebte er in einem kleinen Dorf im Hochland Chiapas von den Erträgen seiner Mais- und Bohnenfelder. Als in Folge des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens billiger Importmais aus Kanada und den USA den mexikanischen Markt überschwemmte und die Preise ins Bodenlose stürzten, musste er aufgeben und seinen Hof verkaufen. Miguel zog mit seiner Frau und den drei Kindern in die eine Autostunde entfernte Touristenstadt San Cristobal de Las Casas . Er arbeitete als Tagelöhner im Baugewerbe und verdiente oft nicht einmal den gesetzlichen Mindestlohn von 43 Pesos, umgerechnet circa drei Euro, pro Tag.

Sein jüngerer Bruder David überredete ihn schließlich dazu, mit ihm in die USA auszuwandern. Im August 2000 bestiegen die beiden in San Cristobal einen Zweite-Klasse Bus und fuhren nach Ciudad Juarez , eine Grenzstadt in der Wüste Chihuahuas . Pro Kopf zahlten sie 2000 US-Dollar an einen coyote , wie die Schlepper hier genannt werden, und hatten Glück - bereits beim ersten Versuch erreichten sie die USA. Bei einem Cousin in Los Angeles fanden sie Unterschlupf. Er besorgte den beiden Brüdern, die kein Wort Englisch sprachen, Arbeit als Gärtner, Umzugshelfer und Parkplatzwächter. An die Monate nach den Anschlägen des 11. September hat Miguel keine gute Erinnerung. "Die Stimmung war äußerst gereizt", sagt er. "Oft hatten wir Angst, unser Haus zu verlassen und auf die Strasse zu gehen. Manche Auftraggeber wollten plötzlich nichts mehr mit uns zu tun haben, oder weniger Lohn bezahlen."

Im März des folgenden Jahres endete Miguels "Amerikanischer Traum". Bei einer Routinekontrolle wurde er von der Polizei entdeckt und sofort nach Mexiko abgeschoben. Sein Bruder David lebt immer noch in Kalifornien und schickt regelmäßig Geld an seine Frau und seine kleine Tochter. Diese Überweisungen, die sogenannten remesas , sind inzwischen Mexikos zweitgrößte Devisenquelle. Miguel wird es wohl nicht noch einmal versuchen in die USA zu gelangen. "Die coyotes verlangen mittlerweile 4000 US-Dollar, woher soll ich soviel Geld nehmen?" fragt er traurig und fügt leise hinzu:"Ich werde für immer hier bleiben müssen."

Vielleicht hat Miguel am Ende doch Glück gehabt. 441 Menschen starben im letzten Jahr bei dem Versuch, die Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten illegal zu überqueren. Die schärferen Kontrollen durch die US-Behörden zwingen die Auswanderer dazu, immer risikoreichere Routen in Kauf zu nehmen. Es scheint, als ob der Ausspruch des Präsidenten Porfirio Díaz auch in Zukunft Bestand haben wird. Der General, der Ende des 19. Jahrhunderts 34 Jahre lang Mexiko regierte, sagte über sein Heimatland: "Pobre México, tan lejos de dios y tan cerca de Estados Unidos" – Armes Mexiko, so weit entfernt von Gott und so nah den Vereinigten Staaten.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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