Früher war Ibiza mal eine Hippie-Hochburg. Inzwischen zahlt man 20€ Eintritt, um im Kaftan auf großen Kissen rumzuliegen. Eine Insel als Marke.
Kati Krause hat die Dunkelheit gesehen
"Do you want ecstasy? Queréis éxtasis?" Der kleine Mann mit dem roten Polohemd folgt seinem Bauch erwartungsvoll nach vorn. In einer Hand hält er eine Zigarette zwischen Mittel- und Ringfinger, mit der anderen stützt er sich auf dem kleinen Cafétisch ab, nur Zentimeter von meinem Croissant entfernt.
"Or Cocaine?"
"How much?"
"Eighty."
Ich lache. Meine blonden Haare - Tourist.
Der Mann zieht an seiner Zigarette und schlendert weiter zum nächsten Tisch. Dort sitzt eine Gruppe halbnackter, muskelbepackter Beaus – Go Go-Tänzer oder Barkeeper. Sie essen Rührei und winken ungeduldig ab. Am dritten Tisch trifft Mr. Polo auf zwei Mittvierziger mit langen Haaren und kragenlosen Designerhemden, aus deren Ausschnitt Brustbehaarung hervorblitzt. Einer dreht an einem beeindruckend großen Joint, der andere scheint sich für das Kokain zu interessieren. Doch sein Begleiter wendet sich an den kleinen Mann: "Gracias hombre, pero ahora estamos tranquiiiilos – wir machen jetzt mal langsam. Nur noch ein kleiner Joint und dann reicht es."
Es ist Sonntag, 7 Uhr morgens, und alle Tische vor dem französischen Café in Eivissa, der Hauptstadt Ibizas, sind voll besetzt.
Party gibt es auf Ibiza immer, denn dafür ist die Insel berühmt. Zehntausende junge Menschen aus Birmingham, Oslo und Mailand kommen zwischen Juni und August jede Woche hier her. Sie landen, ziehen sich um, kaufen Pillen und nehmen ein Taxi Richtung
Space
oder
Amnesia
. Wochentag und Uhrzeit sind egal – hier wird nicht nur die Nacht zum Tag, sondern auch der Tag zur Nacht.
Mitten im staubigen Niemandsland der Einflugschneise steht ein Haus. Dahinter ein großer Parkplatz. Autos wirbeln rote Erde auf. Ein paar Sicherheitstypen brüten in der unerträglichen Hitze des Spätjulitages und kontrollieren die Kofferräume der einfahrenden Wagen auf größere Mengen Alkohol. Die
Circoloco-Party
(Montags von 9 bis 23 Uhr im
DC10
) beginnt schon auf dem Parkplatz. Zwei Norweger, die nach eigenen Angaben seit drei Tagen nicht geschlafen haben, sitzen auf ihrem Mietroller, der mit laufendem Motor aufgebockt auf dem Platz steht.
Für die beiden war das hier die Afterparty – sobald die Polizei nicht mehr am Ausgang steht, wollen sie gehen. Sich ausruhen. Andere sind gerade erst aufgestanden und haben einen Gin Tonic und zwei Lines gefrühstückt. Eine Japanerin mit großen Plastikflügeln verzaubert den Parkplatz mit einem Glitzerstab in eine Blumenwiese. Zwei Italienerinnen mit riesigen Visor-Brillen stolzieren an der Schlange vorbei, küssen den Türsteher und verschwinden im dunklen Inneren.
Circoloco – circo humano loco – ein verrückter Menschenzirkus. Zu sehen gibt es auf Ibiza immer was. Lehn’ dich zurück und genieße die Show.
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Von den Werbetafeln zwischen Eivissa und Sant Antoni, im Westen der Insel, locken nicht Nike und Coca Cola, sondern die Clubs. Auch sie sind multinationale Konzerne, seit die Marke
Ibiza
mit CDs, Kleidung und Diskofilialen vertrieben wird. Und auch die Clubs werben hier mit Helden – nur heißen die nicht Ronaldinho oder Scarlett Johansson, sondern
Carl Cox
, Pete Tong und Erick Morillo. Für diese Namen zahlen Besucher zwischen 30 und 60 Euro Eintritt und 15 für einen Drink. Wer nach Ibiza kommt weiß, was er will.