Frauen auf dem Fußballplatz? Gibt es in Deutschland mehr als man denkt. Regisseurin Frédérique Veith hat sie vor die Kamera geholt.
Fragen von Kai Florian Becker
Fußballgötter gibt es wie Sand am Meer. Fußballgöttinnen nicht. Jetzt präsentiert ein gleichnamiger Dokumentarfilm vier fußballbegeisterte Frauen: die Schiedsrichterin Beatrix Nieder (16), die Turbine Potsdam-Spielerin Viola Odebrecht (22), Kickers Offenbach-Fan Tina Hennemann (37) und die Berliner Platzwartin Trautchen Ziegert (62). Ko-Regisseurin Frédérique Veith erklärt im Zuender-Interview das Wieso-Weshalb-Warum.
Wie kam es zu dem Entschluss, einen Film über Fußballfrauen zu machen?
"Die Idee entstand in der Cafeteria der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Sie kam sogar von einem Mann, der uns riet, einen dokumentarischen Film über Fußball zu machen. Anfangs hatten wir die Idee, ein ganzes Fußballteam zusammenzustellen. Dann wäre aus dem Projekt allerdings ein Vier-Stunden-Film geworden. Jetzt sind es vier Frauen. Im Zuge unserer Recherche hatten wir eine viel längere Liste mit Frauen aus unterschiedlichen Fußball-Milieus erstellt, diese aber nach und nach reduziert. Da stand anfangs auch die Busfahrerin des FC Bayern München drauf. Oder die Reporterin Sabine Töpperwien sowie eine Managerin der Firma Panini. Einige der Frauen, die im Film leider nicht mitwirken konnten, hat mittlerweile die Fotografin Andrea Katheder porträtiert. Ihre Fotoreihe ist auf unserer
Homepage
zu sehen."
In der Reihe Platzwartin-Schiedsrichterin-Spielerin-Fan fehlt eigentlich nur noch die Teammanagerin oder Trainerin. Wird dieses Milieu in einem möglichen zweiten Teil porträtiert?
"In dem Zusammenhang fällt mir gleich die Vizepräsidentin des FC Basel ein, Gisela Oeri. Es gibt ein wahnsinnig gutes Bild von ihr, wie sie mit den Jungs aus ihrer Mannschaft im Schampus badet. Die hatten wir lange auf unserer Liste. Ebenso wie die deutsche Nationaltrainerin Silvia Neid. Aber irgendwie kam es nicht zustande. Beim FC Bayern brauchte es beispielsweise anderthalb Jahre, bis wir eine Drehgenehmigung hatten."
Sind Frauen in der Männerdomäne Fußball nach wie vor Außenseiterinnen?
"Wir sind mitten in einer Umbruchsphase. Genau das wollten wir mit dem Film festhalten. Es werden so viele Filme über Fußball gemacht, aber für meine Begriffe zu wenige über die Situation in unserem Land. Wir wollten ganz bewusst eine Bestandsaufnahme machen – anhand von vier Frauen aus unterschiedlichen Generationen. Was den Filmtitel betrifft: Fußballgöttinnen sind für mich Frauen, die in ihrem Fußballmilieu ganz normal akzeptiert werden und ihr Ding machen."
Gibt es in der weiblichen Fußballwelt ähnliche Klischees wie bei den Männern?
"Bei unseren vier Göttinnen trifft das wohl zu. Der Fußball hat in ihrem Leben einen Hebel umgelegt. Sie sehen diesen Sport mit den gleichen Augen wie die Männer. Nur die Gesellschaft hat das noch lange nicht begriffen."
Bleibt den vier Frauen denn noch Zeit für ein Privatleben? Jede für sich verbringt ja einen Großteil ihrer Zeit neben oder auf dem Platz.
"Bei einem Fan stellt sich diese Frage ja nicht. Man schwört seinem Verein einmal die Treue und dann nimmt man das mit ins Grab. So wie bei Tina Hennemann. Trautchen ist nach wie vor drei Mal pro Woche auf dem Platz. Sie hat mal gesagt, dass im Urlaub immer ein Fußballplatz in der Nähe sein muss. Der Fußball ist für diese Vier eine Art Ventil; er hat was bewirkt in ihrem Leben."
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Welche der vier Protagonistinnen hat dich am meisten beeindruckt?
"Alle. Aber jede auf eine andere Art und Weise. Zu jeder habe ich eine andere Beziehung. Trautchen fand ich vor meiner Berliner Haustür übers Internet. Ich gehe noch heute regelmäßig zu ihr Kaffee trinken. Tina lernte ich über einen Bekannten aus Saarbrücken kennen, der ebenfalls Kickers Offenbach-Fan ist. Sie ist ein spannender Charakter, weil sie sich einerseits in ihrem Milieu völlig selbstverständlich bewegt und andererseits nicht der klischeehafte, total schräge Fan ist. Das hat was Geheimnisvolles. Bei Beatrix, der Schiedsrichterin, waren wir uns anfangs nicht sicher, ob es funktionieren würde. Doch je länger man sie kennt, desto mehr muss man sie ins Herz schließen. Viola wiederum haben wir aus der Mannschaft von Turbine Potsdam deswegen ausgesucht, weil sie die emotionalste auf dem Spielfeld war."
Ist es denn ein Vor- oder ein Nachteil, gerade im WM-Jahr mit einem solchen Film auf den Markt zu kommen?
"Wir hatten die Veröffentlichung des Films gezielt für das WM-Jahr geplant, weil wir wussten, dass dadurch mehr über diesen Film gesprochen wird. Wir haben auch davon profitiert, dass 'Fußballgöttinnen' eine Woche vor 'FC Venus' in die Kinos kam. Für die Dokumentarfilm-Liebhaber war der Zeitpunkt hingegen vielleicht nicht so gut gewählt, weil diese sich in der Regel nicht so sehr für Fußball interessieren. Da ist es viel wichtiger zu kommunizieren, dass es in dem Film um Geschichten aus und über das Leben dieser Frauen geht. Fußball ist zwar ihr Ventil, es geht aber zugleich um sehr viel mehr als nur den Sport. Ich bin glücklich, dass unser Film nun in vielen Medien präsent ist und dass über ihn gesprochen wird. Vielleicht lag das auch daran, dass wir darin den Frauenfußball so dargestellt haben, wie der Männerfußball mal in den Sechzigern war. Als der Fan noch nah an seiner Mannschaft war."