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Weltbilder

Nieder mit den Realisten

Jesus war verheiratet. Kein Mensch hat je den Mond betreten. Und die Anschläge des 11. September hat die CIA angezettelt. Alles Schwachsinn? Kann sein. Trotzdem haben Verschwörungstheorien Hochkonjunktur

Man hatte sie nicht erwartet. Doch sie kamen zurück, um die Kirche aufzumischen: Die Mitglieder des Geheimordens der Illuminati wollten die wahre Geschichte des Christentums offenbaren. Ist schließlich auch nur ein Mann gewesen, dieser Jesus. Er war mit Maria Magdalena verheiratet und hatte sogar einen Sohn.

Seit Dan Brown mit seinem Roman "Sakrileg" die Bestsellerlisten erklomm, sind Verschwörungstheorien wieder groß im Kommen. Die Zeichen der Illuminati scheinen überall zu sein, die Ein-Dollar-Note ist nur ein Beispiel. Darauf soll nicht George Washington zu sehen sein, sondern Adam Weishaupt, der Gründer des Geheimbundes. Die 13 Stufen der Pyramide symbolisieren angeblich die Ränge innerhalb des Bundes, die eingravierte Zahl ist das Gründungsjahr.

Doch erscheint es nicht ein wenig eigenartig, dass ausgerechnet eine geheim agierende Verschwörung nichts Besseres zu tun hat, als überall in der Weltgeschichte ihre Symbole zu hinterlassen? Die simpelste Erklärung wäre, dass genau dies der einzige Sinn der ganzen Geschichte ist. In einem Forum vermutete mal jemand: "Vielleicht wurde der Illuminati-Orden ja aus einer Bierlaune heraus gegründet, mit dem Ziel, überall Symbole zu hinterlassen, damit der Rest der Welt sich den Kopf darüber zerbricht, was sie wohl zu bedeuten haben".

Warum denken sich Menschen solche Theorien aus? "Sie helfen in Zeiten der Unsicherheit und Krisen, eine Situation vermeintlich zu erklären. Obwohl man nicht durchschauen kann, was wirklich passiert ist", meint Tobias Jaecker. Der Berliner ist freier Journalist und gibt seit einigen Jahren auch Seminare zum Thema Verschwörungstheorien. Dabei seien es eigentlich gar keine Theorien, ergänzt er, sondern vermeintliche Kausalketten, deren Ergebnis man von vornherein kennt.

Sie bieten eine runde Geschichte, klare Feindbilder. Meist gibt es zusätzlich Handlanger oder Marionetten, die für die Mächtigen agieren. Es ist ein Kampf zwischen Gut und Böse, den das Böse stets für sich entscheidet. "Da kommen fast automatisch altbekannte Feindbilder ins Spiel", sagt Jaecker. Den Juden werde häufig eine weltweite Zusammengehörigkeit angedichtet, die nicht der Wahrheit entspricht. Gegenteilige Beweise werden schlicht nicht zugelassen.

Ein Beispiel dafür, dass sich Verschwörungstheorien über hundert Jahre halten können, sind die Protokolle der Weisen von Zion. Sie geben vor, Dokumente einer jüdischen Weltverschwörung zu sein, die für alles Unglück der Erde – von Wirtschaftskrisen bis hin zu Kriegen – verantwortlich ist. Wer sie liest, mag es kaum glauben: Selbst den Antisemitismus sollen die Juden erfunden haben, da er notwendig sei, "um unsere Brüder aus den unteren Kreisen zusammenzuhalten". Schon 1935 sprachen die Richter ein eindeutiges Urteil: Die Protokolle seien allesamt Fälschungen.

Das allerdings hielt Adolf Hitler nicht davon ab, in seinem Propagandabuch "Mein Kampf" darauf zurückzugreifen. Im Internet sind die Protokolle noch heute zu haben – in der arabischen Welt ist sogar die Buchform verbreitet. "In Zeitungen aus Jordanien oder Saudi-Arabien findet man im Grunde regelmäßig Verschwörungstheorien", erzählt Tobias Jaecker. "Besonders antisemitische".

Auch Karikaturen sind nicht selten, oft ist ein Jude zu sehen, an dessen Angel eine Weltkugel baumelt. Das alleine zeigt bereits, wie schwierig es ist, solche Theorien zu widerlegen.

Das Internet hat mittlerweile dazu beigetragen, dass sich alte ebenso wie neue, fantastische Verschwörungsgeschichten in Windeseile verbreiten und weiterentwickeln. Es gibt ein Forum für jede Theorie, selbst die Abwegigste. Auch "verschwoerungen.info", die freie Verschwörungsenzyklopädie erfreut sich regen Zulaufs. Sie lädt überzeugte Verschwörungsanhänger genauso zur Diskussion ein, wie kopfschüttelnde Realisten, die all das für völligen Quark halten. "Man sollte immer kritisch hinterfragen", meint Verschwörungsexperte Jaecker mit überzeugter Stimme. Ist den Theorien denn auch etwas Gutes abzugewinnen? "Wenn sie ernst genommen werden, nicht. Die Menschen wiegen sich schließlich in der trügerischen Sicherheit zu wissen, was hinter einem Ereignis steckt".

Dabei weichen die Theorien meist erheblich von der offiziellen oder üblichen Version der Geschichte ab. Doch diese Eigenschaft lässt sie interessant erscheinen, streitbar und für viele einen Aufschrei wert. Gefährlich ist es jedoch, wenn es eine geschlossene Geschichte wird, die keine Diskussion mehr zulässt." Bei meinen Vorträgen gibt es immer einen, der genau das vertritt, was ich kritisiere", erzählt Jaecker. Und dass die Leute auf Verschwörungstheorien anspringen, zeige sich schon dadurch, dass entsprechende Bücher ihren Weg in die Bestseller-Regale fänden. Ihre Verfasser geben sich meistens als jemand aus, der alles durchschaut – die Werke sind niemals neutral formuliert, schon gar nicht wissenschaftlich.

Auffällig in der Branche ist, dass eine sichtbare "Informationsinzucht" herrscht. Der eine Theoretiker bringt ein Buch auf den Markt, der nächste liest es, greift sich die wichtigsten Aussagen heraus, widerspricht kräftig und bastelt daraus ein neues Buch. "Einige Theoretiker sind manchmal einem gewissen Wahn verfallen und auch beleidigt, wenn man sie angreift". So hat es Tobias Jaecker schon öfter erlebt. "Aber es gibt natürlich auch welche, denen es einfach Spaß macht, zu provozieren." Genau das könne allerdings gefährlich sein. Selbst, wenn intelligente Menschen nicht alles glauben, was ihnen aufgetischt wird, letztlich fließt es doch ins Gedankengut ein: "Das ist so ein Kribbeln".

Wenn jemand erst einmal an eine Verschwörungstheorie glaube, sei es nicht einfach, sie ihm auszureden, sagt Walter von Lucadou in einem Interview. Er leitet seit 1989 die Parapsychologische Beratungsstelle in Freiburg. "Viele folgen unbewußt einer Immunisierungsstrategie, indem sie die Argumente des anderen ablehnen. Es hat keinen Sinn nachzuweisen, daß der andere irrt. Man kann nur versuchen, die Betroffenen dazu zu bringen, selbst zu prüfen, ob ihre Theorie in sich schlüssig ist".

Für die Resonanz auf politische Verschwörungen gibt es jedoch noch einen anderen Grund, erklärt Lucadou: "Diese Vorstellungen werden von geheimen Absprachen der Politiker genährt. Oft dauert es ja 80 bis 100 Jahre, bis die Archive geöffnet werden. Erst dann sehen die Menschen, was ihnen alles vorgemacht wurde".

Das Raffinierte an Büchern wie "Die Illuminaten" von Robert Anton Wilson sei zudem, dass sie mit einem Mix aus Realität und Fantasie spielten. Wer sich nicht so gut auskenne, könne das nicht durchschauen. "Wenn solche Bücher auch noch verfilmt werden, denken viele, dass an der Sache was dran sein muß." Der Autor selbst glaubt natürlich nicht daran.

Trotzdem ist die Vorstellung, dass alles ganz anders sein könnte das, was die Welt der Verschwörungen so attraktiv macht. Wer kann schon beweisen, dass die Amis wirklich auf dem Mond waren? Für ein vollkommen windstilles Umfeld wehte die Flagge schließlich ganz ordentlich. Wie hätten die USA-Hasser besser auf sich aufmerksam machen können, als mit der Behauptung, die CIA habe die Flugzeuge am 11. September 2001 selbst ins World Trade Center krachen lassen, um einen Grund für verschärfte Sicherheitsbestimmungen und Krieg zu haben? Und Hitler - der kann sich doch nicht einfach umgebracht haben, der hat sich zum Südpol abgesetzt. Und dort war auch der Eingang zum Reich Agathi, einer Welt im Erdinneren, von der natürlich nur die Tibeter und die Nazis wussten. Ganz klar.

"Der Mensch lebt von Geschichten", meint Walter Lucadou. Früher waren es Märchen von Kobolden, Göttern und Dämonen, heute sind es Außerirdische und Verschwörungen. "Solche Geschichten haben ja auch einen Übungscharakter. Auf der einen Seite hat man Angst, andererseits kann man überlegen, wie man sich in einer solchen Situation verhalten würde. Psychologisch gesehen ist das sehr attraktiv". Deswegen lesen auch viele Menschen, die den Theoretikern kein Wort glauben, gerne ihre Bücher, diskutieren darüber und verbreiten so die Inhalte. Da ist es kaum verwunderlich, dass sie ab und zu an Personen geraten, die sie für bare Münze nehmen.


 
 



 

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