Hier geht es nicht um Fußball, nicht um irgendeine Weltmeisterschaft oder so. Hier geht's um die wirklich wichtigen Fragen: Wer wird Weltrekorder 2006? Und: Wer denkt sich so was Krankes aus? Also schnell zurückspulen, zum dritten internationalen Rekorderrennen am Pfingstsamstag in der Phoenixhalle in Dortmund
Ninja Helmling war dabei
Die Kulisse ist beeindruckend. Im Himmel: Stahl. Der Horizont: Stahl. Die Halle: Stahl. Stahl oben, unten, hochkant, quer. Ein bisschen Rost, ein bisschen Staub. Und eine Bahn: 20 Meter lang, vier Meter breit. Für 35 Teilnehmer der Platz der Entscheidung. Weltrekorder kann nur einer werden.
Gleich zählts. Im Rekorderlager hinter der Startbahn laufen die Lötkolben heiß. Jens und Ludwig vom Team Raider beugen sich über den Mähenden Raser, seines Zeichens Schaf und Ex-Rekorder, Kategorie Boombox. Schön eingestrumpft und weiß bewollt erschmilzt sich der Mähende Raser mit seinen großen Schafsaugen Sympathiepunkte, bevor es überhaupt an die Startlinie rollt.
Der Mähende Raser ist ein ganz besonderes Schaf. Einmal
fast forward
gedrückt, muss man ihm nur noch freundlich am Hintern streicheln, dann geht's los, erklärt Jens, der sich die Technik ausgedacht hat. Am Schafshintern sitzt ein kleiner Schalter. Im früheren Leben war der Mähende Raser ein Kassettenrekorder, spulte Benjamin Blümchen, Nena und das erste eigene Mixtape ab. Jetzt soll sein Motor Räder statt Magnetbänder antreiben. Drei Tage haben die Aachener Ludwig und Jens gebraucht, um den Rekorder fahrtauglich zu machen. Ein Freund hatte ihnen von dem Contest erzählt. Heute morgen dann der Testlauf: Die Karre fährt nicht. Viel zu schwer, vermutet Jens. Also runter mit dem Fell, die Räder ein bisschen schmäler machen, die Akkus auf Spannung überprüfen. Die Konkurrenz sitzt auch noch im Lagerraum und schraubt, lötet, justiert.
Schnell sind die wenigsten. Abgefahren fast alle. Da treten Heuschrecken gegen ehemalige Schlittschuhe an, ein Walkman bringt eine Weltkugel ins Rollen, man trifft alte Bekannte wie Legotechnik, Märklin und Fishertechnik.
Wer denkt sich so was Krankes aus? Das ist das Resultat einer völlig logischen Gedankenkette, erklärt Rennleiterin Anne Berger. Jeder Kassettenrekorder hat einen Motor, und mit einem Motor kann man Rennen fahren.
Der Mähende Raser muss gleich in der ersten Runde an den Start. Die Spannung ist auf dem Höhepunkt, auch die der Akkus. Wir rechnen uns gar nichts aus, wir wollen nur ins Ziel, dämpft Teammanager Jens hochfliegende Erwartungen. Punkten will das Team Raider mit seinem Schaf mit der B-Note, der Grandezza-Wertung. Wir setzen auf Design und Teamperformance, verrät Ludwig die Taktik.
Endlich darf der Mähende Raser zeigen, was rasen wirklich heißt. Die direkte Konkurrenz: Big Punisher (Rennstall Bling Raiders), CatchMeIfYouCan (K.A.U.D.V.) und Mac Truck (Wirgestalten). Der Countdown: Drei Zwei Eins - Jens fasst dem Mähenden Raser ins Fell, die Hand wandert nach hinten Null Jens streichelt freundlich den Schafshintern. Die Fahne ist unten. Der Raser rollt, Jens und Ludwig gehen hinterher. Die Menge tobt. Ein breites Mäh aus dem Mäh-Gaphon, zumindest gefühlt schieben die Schallwellen den Schafspopo an; aber auf Bahn eins zieht Mac Truck vorbei und kommt nach 19 Sekunden ins Ziel der Mähende Raser braucht 48 Sekunden.
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Die Taktik ist nicht aufgegangen. Auch in der Grandezza-Wertung bekommt das Schaf nur 28 von 50 möglichen Punkten. Ein bisschen enttäuscht ist das Team Raider schon. Unser Schaf ist leider auf der halben Strecke verhungert, bedauert Ludwig. Wir haben uns offensichtlich nicht genug auf die Technik konzentriert, wagt Technik-Spezialist Jens eine erste Analyse. Gewinnen wollten sie eigentlich ja auch nicht. Es ging doch um Spaß! Eigentlich. Aber schon ärgerlich, dass sich mit Mac Truck ein Anrufbeantworter eingeschlichen hat: Die sind viel kleiner und leichter als eine klassische Boombox. Das Team Raider versucht es mit einem Dann sind wir halt die moralischen Sieger und verlegt sich aufs Zuschauen. Da sind interessante Ideen dabei da kann man noch was rausholen, meint Jens. Und zitiert eine alte Rekorderrennerweisheit: Nach dem Rennen ist vor dem Rennen. Vorspulen zum nächsten Jahr.