Mit seiner EinsLIve-Radiosendung Raum und Zeit versorgt Klaus Fiehe seit zehn jahren jeden Sonntag abend ermüdete Ohren mit Pop jenseits des Mainstreams. Mit dem Zuender sprach er über die Vorzüge der Provinz und warum er Internetradio für gefährlich hält
Fragen von Katja Peglow
Welche Band hat dich zuletzt live beeindruckt?
Clap Your Hands Say Yeah.
Du warst neulich auf einem „Tokio Hotel“-Konzert. Wie hat dir das gefallen?
Ich finde es schon okay, was die machen. Auch wenn ich mit der Musik nicht ins Bett gehen würde. Ich hatte vor Konzertbeginn einen Interviewtermin mit der Band vereinbart, den ich fast verpasst hätte, weil kurz zuvor ein schweres Unwetter aufzog. Ich rechne es der Band hoch an, dass sie mir trotzdem noch geschlossen Rede und Antwort vor ihrem Auftritt gestanden hat. Ich halte die beiden Brüder für ausgesprochen eloquent und Bill für einen guten Entertainer.
Wie kam der Impuls zu dieser Aktion?
Es ging mir darum, Vorurteile nicht zu bestätigen. Für meine Arbeit ist es absolut wichtig, dem Phänomen einer solchen Band auf den Grund zu gehen und sie nicht naserümpfend zu ignorieren. Ich will ja auch mit meiner Radiosendung niemanden ausschließen. Das Konzert war aber schon ein akustisches Abenteuer. Ich bin noch nie zuvor mit einer solchen Schrillheit konfrontiert wurde.
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Wie informierst du dich über neue Musik?
Ich habe nach wie vor Kontakt zu Leuten aus den unterschiedlichsten Szenen, die ich entweder noch von früher kenne oder neu kennengelernt habe. Und ich gehe unheimlich viel in Plattenläden.
Nick Hornby hat einmal in einem Interview gesagt, dass er sich die Platten lieber selbst aussucht, anstatt immer schon alles vorab zugesteckt zu bekommen.
Das hat immer mit kindlichen Dingen zu tun. Selbstgekaufte Platten sind geheimnisvoller. Das Problem mit zugesteckten Bemusterungen ist ja: Die sind immer brandaktuell. Was mit der Zeit ermüden kann.
Du sollst angeblich über 40.000 Platten besitzen...
Das kann gut sein. Deswegen lege ich ja auch so viel auf, damit ich mir noch mehr leisten kann [lacht]. Da fackel ich auch nicht lange. Geld spielt bei Platten keine Rolle. Das muss da sein. Und die Platten müssen schnell da sein.
Wie behältst du den Überblick über deine Plattensammlung?
Fotografisches Gedächtnis. Das funktioniert bei mir sehr gut. Ich hab auch 200 bis 300 Telefonnummern abrufbereit in meinem Kopf (Klaus Fiehe hat nach mehrfachem Verlust beschlossen auf ein Handy zu verzichten – Anm. d. Verf.). Wie sortierst du denn?
Nach Farben...
Was? Das habe ich ja noch nie gehört. Du guckst also auf die Leiste und nicht auf das Cover des Albums? Finde ich interessant. [überlegt] Wesentlich komplizierter bei Plattensammlungen wird ja mit der Zeit das Raumproblem. Das kann zu einer richtigen Belastung werden.
Lass uns über deinen Arbeitgeber, das Radio, sprechen. Wie würdest du jemandem der in Bayern wohnt, deine Sendung Raum und Zeit erklären?
Das ist eine Freestyle-Sendung, deren Schwerpunkt auf elektronischer Musik liegt. Techno, Jungle, Grime, viele U.K.-Styles aber auch Gitarrentracks, von denen ich denke, dass die gut ins Konzept passen. Ich vermeide es eigentlich immer, nur eine Schiene zu fahren und versuche zwischendurch immer Unruhe in die Sendung zu bringen.
Ich finde, dass der einzige rote Faden in deiner Sendung deine Geschichten sind, in die du die Songs einbettest.
Storytelling. Steh’ ich drauf. Für durchgehende Konzeptsendungen fehlt mir aber leider oft die Zeit. So was muss ja auch gut durchdacht sein. Eine gute Idee will musikalisch ausstaffiert sein. Die Hörer mögen das immer sehr.
Würdest du die Sendung als Nischenprodukt bezeichnen?
Ich bemühe mich stark, niemanden auszuschließen, bin mir aber schon bewusst, dass ich vermutlich schon per Definition zur Nische verdammt bin. Machen wir uns nichts vor. Die Sendung findet sonntags um 22:00 Uhr statt. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
In deinen Sendungen spielt das Ruhrgebiet häufig eine tragende Rolle, obwohl es als popkultureller Standort von den Medien oft ignoriert wird.
Ich fühle mich der Gegend hier sehr verbunden. Im Ruhrgebiet hängt eine Szene an der nächsten. Da machen die Heavy Metal-Leute heimlich mit Hip-Hoppern rum, so etwas gibt es nur hier. Ich glaube, dass Eins Live kein reiner Kölner Sender sein darf. Mein Publikum sitzt nun mal nicht ausschließlich in Köln.
Ich sehe die Gefahr der Einseitigkeit, wenn sich alles an einem Ort ballt. Als Eins Live gegründet wurde legte man noch sehr viel Wert darauf, dass die Moderatoren nicht nur aus Köln stammen, um ein möglichst großes Spektrum an Leuten anzusprechen. Dieser Ansatz ist heute fast gänzlich verschwunden. Fast alle Moderatoren wohnen hier.
Hältst du dich deshalb lieber am Rande auf?
Ich habe noch nie in Köln gewohnt, sondern überwiegend in der Peripherie (Hamm, Münster, Dortmund, Solingen – Anm.d.Verf.). Ich glaube, dass die sogenannte Provinz oftmals die besseren Geschichten entwirft. Auf der anderen Seite bin ich ein großer Verehrer der Dinge, die momentan in Berlin passieren. Finde ich super dort. Die Mieten sind spottbillig, die Carbonara kostet nur vier Euro. Wenn ich Musiker wäre, hätte ich schon längst meinen Arsch dorthin bewegt.
Was würdest du an Eins Live ändern, wenn du könntest?
Mehr Wort. Mehr Geschichten von der Straße.
Was hältst du von alternativen Radioformen wie Campus-, Internetradio oder Podcasts?
Campusradio finde ich ganz gut. Die müssen nur häufig noch an ihren Moderatoren arbeiten. Vom Internetradio halte ich nicht so viel.
Warum?
Wenn bald jeder sein eigener Sender ist, haben wir irgendwann keine Empfänger mehr. Ich bezweifle, dass das gut ist. Es muss noch möglich sein, am Abend vor der Wahl eine Diskussionsrunde im Fernsehen zu senden, die von 30 bis 40 Prozent gesehen wird. Wenn das bald auch nur noch 2 Prozent tun, dann werden wir hier bald keine Demokratie mehr haben.
Woher kommt diese Entwicklung?
Die Technik hat die entsprechende Vorlage geliefert. Es war nicht der Wille des einzelnen, seinen Status als Kommunizierender zu ändern. Ich glaube, dass die Impulse aus der Industrie und von den Konzernen kamen. Meiner Meinung nach werden so aber demokratische Prinzipien aufgeweicht.
Welchen Stellenwert hat das Radio für dich in der heutigen Kultur- und Medienlandschaft?
[Pause]
Glaubst du, dass es vielleicht durch den Wegfall des Musikfernsehens wieder an Bedeutung gewinnt?
Nein. Ich glaube, dass die technische Versorgung zum Beispiel mit I-pods dazu führt, dass sich immer mehr alte technische Mittel zu verabschieden. Über kurz oder lang wird auch das Vinyl verschwinden.
Siehst du diese Bedrohung auch für die CD?
Absolut. Die CD wurde ja von Anfang an durch Leute wie Neil Young angefeindet und wird über kurz oder lang auch als Musikmedium ausgedient haben. Nicht ganz zu unrecht, wie ich finde.
Die Musik scheint die wichtigste Konstante in deinem Leben zu sein. Gibt es auch noch andere Interessen?
Preußen Münster. Und ich wandere gerne. Außerdem besitze ich einen großen Teich, der mir sehr wichtig ist. Das sind so meine Hobbys.
Letzte Frage: Was hat es mit deiner Vorliebe zu Wildschweinen auf sich?
[schaut fragend und beugt sich zum Nachbartisch, an dem seine Freundin Susanne sitzt und wiederholt die Frage. Susannes Antwort: Sehr viel!]
Meine Freundin hat mir mal ein Wildschwein aus Ton zum Geburtstag geschenkt und das steht jetzt bei mir im Garten. [räuspert sich]
[Zwischenruf von Susanne: Das kann man an jeder Tankstelle kaufen!]
Ich interessiere mich generell sehr für Tiere. Wollte früher auch mal Förster werden und Wildschweine finde ich halt besonders spannend. Das muss man sich mal vorstellen. Es existieren, falls ich richtig informiert bin, ungefähr zwei Millionen Wildschweine in Deutschland, die mitten unter uns leben aber von fast niemandem bemerkt werden. Das ist doch verrückt!
Welche Band hat dich zuletzt live beeindruckt?
Clap Your Hands Say Yeah.
Du warst neulich auf einem „Tokio Hotel“-Konzert. Wie hat dir das gefallen?
Ich finde es schon okay, was die machen. Auch wenn ich mit der Musik nicht ins Bett gehen würde. Ich hatte vor Konzertbeginn einen Interviewtermin mit der Band vereinbart, den ich fast verpasst hätte, weil kurz zuvor ein schweres Unwetter aufzog. Ich rechne es der Band hoch an, dass sie mir trotzdem noch geschlossen Rede und Antwort vor ihrem Auftritt gestanden hat. Ich halte die beiden Brüder für ausgesprochen eloquent und Bill für einen guten Entertainer.
Wie kam der Impuls zu dieser Aktion?
Es ging mir darum, Vorurteile nicht zu bestätigen. Für meine Arbeit ist es absolut wichtig, dem Phänomen einer solchen Band auf den Grund zu gehen und sie nicht naserümpfend zu ignorieren. Ich will ja auch mit meiner Radiosendung niemanden ausschließen. Das Konzert war aber schon ein akustisches Abenteuer. Ich bin noch nie zuvor mit einer solchen Schrillheit konfrontiert wurde.
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Wie informierst du dich über neue Musik?
Ich habe nach wie vor Kontakt zu Leuten aus den unterschiedlichsten Szenen, die ich entweder noch von früher kenne oder neu kennengelernt habe. Und ich gehe unheimlich viel in Plattenläden.
Nick Hornby hat einmal in einem Interview gesagt, dass er sich die Platten lieber selbst aussucht, anstatt immer schon alles vorab zugesteckt zu bekommen.
Das hat immer mit kindlichen Dingen zu tun. Selbstgekaufte Platten sind geheimnisvoller. Das Problem mit zugesteckten Bemusterungen ist ja: Die sind immer brandaktuell. Was mit der Zeit ermüden kann.
Du sollst angeblich über 40.000 Platten besitzen...
Das kann gut sein. Deswegen lege ich ja auch so viel auf, damit ich mir noch mehr leisten kann [lacht]. Da fackel ich auch nicht lange. Geld spielt bei Platten keine Rolle. Das muss da sein. Und die Platten müssen schnell da sein.
Wie behältst du den Überblick über deine Plattensammlung?
Fotografisches Gedächtnis. Das funktioniert bei mir sehr gut. Ich hab auch 200 bis 300 Telefonnummern abrufbereit in meinem Kopf (Klaus Fiehe hat nach mehrfachem Verlust beschlossen auf ein Handy zu verzichten – Anm. d. Verf.). Wie sortierst du denn?
Nach Farben...
Was? Das habe ich ja noch nie gehört. Du guckst also auf die Leiste und nicht auf das Cover des Albums? Finde ich interessant. [überlegt] Wesentlich komplizierter bei Plattensammlungen wird ja mit der Zeit das Raumproblem. Das kann zu einer richtigen Belastung werden.
Lass uns über deinen Arbeitgeber, das Radio, sprechen. Wie würdest du jemandem der in Bayern wohnt, deine Sendung Raum und Zeit erklären?
Das ist eine Freestyle-Sendung, deren Schwerpunkt auf elektronischer Musik liegt. Techno, Jungle, Grime, viele U.K.-Styles aber auch Gitarrentracks, von denen ich denke, dass die gut ins Konzept passen. Ich vermeide es eigentlich immer, nur eine Schiene zu fahren und versuche zwischendurch immer Unruhe in die Sendung zu bringen.
Ich finde, dass der einzige rote Faden in deiner Sendung deine Geschichten sind, in die du die Songs einbettest.
Storytelling. Steh’ ich drauf. Für durchgehende Konzeptsendungen fehlt mir aber leider oft die Zeit. So was muss ja auch gut durchdacht sein. Eine gute Idee will musikalisch ausstaffiert sein. Die Hörer mögen das immer sehr.
Würdest du die Sendung als Nischenprodukt bezeichnen?
Ich bemühe mich stark, niemanden auszuschließen, bin mir aber schon bewusst, dass ich vermutlich schon per Definition zur Nische verdammt bin. Machen wir uns nichts vor. Die Sendung findet sonntags um 22:00 Uhr statt. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
In deinen Sendungen spielt das Ruhrgebiet häufig eine tragende Rolle, obwohl es als popkultureller Standort von den Medien oft ignoriert wird.
Ich fühle mich der Gegend hier sehr verbunden. Im Ruhrgebiet hängt eine Szene an der nächsten. Da machen die Heavy Metal-Leute heimlich mit Hip-Hoppern rum, so etwas gibt es nur hier. Ich glaube, dass Eins Live kein reiner Kölner Sender sein darf. Mein Publikum sitzt nun mal nicht ausschließlich in Köln.
Ich sehe die Gefahr der Einseitigkeit, wenn sich alles an einem Ort ballt. Als Eins Live gegründet wurde legte man noch sehr viel Wert darauf, dass die Moderatoren nicht nur aus Köln stammen, um ein möglichst großes Spektrum an Leuten anzusprechen. Dieser Ansatz ist heute fast gänzlich verschwunden. Fast alle Moderatoren wohnen hier.
Hältst du dich deshalb lieber am Rande auf?
Ich habe noch nie in Köln gewohnt, sondern überwiegend in der Peripherie (Hamm, Münster, Dortmund, Solingen – Anm.d.Verf.). Ich glaube, dass die sogenannte Provinz oftmals die besseren Geschichten entwirft. Auf der anderen Seite bin ich ein großer Verehrer der Dinge, die momentan in Berlin passieren. Finde ich super dort. Die Mieten sind spottbillig, die Carbonara kostet nur vier Euro. Wenn ich Musiker wäre, hätte ich schon längst meinen Arsch dorthin bewegt.
Was würdest du an Eins Live ändern, wenn du könntest?
Mehr Wort. Mehr Geschichten von der Straße.
Was hältst du von alternativen Radioformen wie Campus-, Internetradio oder Podcasts?
Campusradio finde ich ganz gut. Die müssen nur häufig noch an ihren Moderatoren arbeiten. Vom Internetradio halte ich nicht so viel.
Warum?
Wenn bald jeder sein eigener Sender ist, haben wir irgendwann keine Empfänger mehr. Ich bezweifle, dass das gut ist. Es muss noch möglich sein, am Abend vor der Wahl eine Diskussionsrunde im Fernsehen zu senden, die von 30 bis 40 Prozent gesehen wird. Wenn das bald auch nur noch 2 Prozent tun, dann werden wir hier bald keine Demokratie mehr haben.
Woher kommt diese Entwicklung?
Die Technik hat die entsprechende Vorlage geliefert. Es war nicht der Wille des einzelnen, seinen Status als Kommunizierender zu ändern. Ich glaube, dass die Impulse aus der Industrie und von den Konzernen kamen. Meiner Meinung nach werden so aber demokratische Prinzipien aufgeweicht.
Welchen Stellenwert hat das Radio für dich in der heutigen Kultur- und Medienlandschaft?
[Pause]
Glaubst du, dass es vielleicht durch den Wegfall des Musikfernsehens wieder an Bedeutung gewinnt?
Nein. Ich glaube, dass die technische Versorgung zum Beispiel mit I-pods dazu führt, dass sich immer mehr alte technische Mittel zu verabschieden. Über kurz oder lang wird auch das Vinyl verschwinden.
Siehst du diese Bedrohung auch für die CD?
Absolut. Die CD wurde ja von Anfang an durch Leute wie Neil Young angefeindet und wird über kurz oder lang auch als Musikmedium ausgedient haben. Nicht ganz zu unrecht, wie ich finde.
Die Musik scheint die wichtigste Konstante in deinem Leben zu sein. Gibt es auch noch andere Interessen?
Preußen Münster. Und ich wandere gerne. Außerdem besitze ich einen großen Teich, der mir sehr wichtig ist. Das sind so meine Hobbys.
Letzte Frage: Was hat es mit deiner Vorliebe zu Wildschweinen auf sich?
[schaut fragend und beugt sich zum Nachbartisch, an dem seine Freundin Susanne sitzt und wiederholt die Frage. Susannes Antwort: Sehr viel!]
Meine Freundin hat mir mal ein Wildschwein aus Ton zum Geburtstag geschenkt und das steht jetzt bei mir im Garten. [räuspert sich]
[Zwischenruf von Susanne: Das kann man an jeder Tankstelle kaufen!]
Ich interessiere mich generell sehr für Tiere. Wollte früher auch mal Förster werden und Wildschweine finde ich halt besonders spannend. Das muss man sich mal vorstellen. Es existieren, falls ich richtig informiert bin, ungefähr zwei Millionen Wildschweine in Deutschland, die mitten unter uns leben aber von fast niemandem bemerkt werden. Das ist doch verrückt!