"Obwohl sie mich beklaut hatten, wollte ich zu ihnen gehören"
Sein Erfahrungs- und Leidensbericht aus seiner Zeit als exzessiver Kiffer verkaufte sich bisher über 20.000 Mal. Amon Barth erzählt darin die Geschichte seiner Jugend, die sich zwischen dem 13. und 19. Lebensjahr vor allem um eines drehte: Dope
Der ersten Joint, die Freude am Kiffen, die Unsicherheit gegenüber Mädchen, der Schulfrust, die kiffende Clique, das Abgleiten in die Sucht. Amon beschreibt seine Wesensveränderung und die zunehmende Entfremdung von Elternhaus und Umwelt detailliert. Den Raubbau am eigenen Körper treibt er so weit, dass schließlich eine Psychose ausbricht. 2004 holt er sein Abitur nach und schreibt innerhalb von einem Jahr sein Buch. Heute ist Amon 21 Jahre alt und lebt in Hamburg.
In deinem Buch schilderst du den Moment, in dem du bemerkst, dass deine Freunde dich beklauen. Wie hast du diese Erkenntnis empfunden?
Dazu muss man meine Position in dieser Clique verstehen. Ich war immer
unsportlich und galt eher als der Labersack. Auf der Schule gab es die
Streber, die Undefinierbaren, zu denen gehörte ich, und die Cooleren
und zu denen wollte ich gehören. Durch das Kiffen wurde ich zwar Teil
dieser einer Kiffer-Clique, zugleich war ich aber auch da immer außen
vor. Ich hatte nicht viele andere Freunde, o. k., ich hatte noch einen
anderen Freund seit dem Kindergarten und einen, der der Sohn der besten
Freundin meiner Mutter war, der ist aber eineinhalb Jahre älter als
ich. Zum Teil war mir zwar klar, dass manche Typen in der Clique
Idioten waren oder wir zusammen eine idiotische Dynamik entwickelten ,
aber ich fühlte mich wie in einer Zwickmühle. Mir war enorm wichtig
eine Art Hip-Hop-Klischee zu erfüllen, cool sein eben. Und obwohl sie
mich beklaut hatten, wollte ich zu ihnen gehören. Sie waren mir
wichtig. Heute sehe ich ein, dass das Teil meiner Schwäche und
hilflosen Unbewusstheit war.
In dem Buch beschreibst du ja sehr gut, wie sich dein Konsummuster immer mehr verstärkt und schließlich in einem psychotischen Schub endet. Deine Zeit in der Psychiatrie allerdings lässt du außen vor.
Zum einen wäre der Text dadurch zu lang geworden. Zum anderen empfand ich das Ende auch aus literarischer Sicht interessant¬ zu erst mal bleibt es dadurch ja offen, ob ich überhaupt mit dem Kiffen aufhören konnte, was vielen ja nicht gelingt. Im Nachwort wird es dann jedoch klar.
Wie wurde dir im Krankenhaus geholfen?
Auf dieser Frage habe ich schon viele unterschiedliche Antworten
gegeben. Manchmal habe ich gesagt, dass mir dort überhaupt nicht
geholfen wurde, manchmal habe ich gesagt, dass die Medikamente und die
Ruhe mir doch sehr geholfen zu haben scheinen. Ich habe anfangs Tavor,
ein Benzodiazepin und später Risperdal bekommen. Was dort nicht
stattgefunden hat, ist eine Gesprächstherapie oder eine besondere
Zuwendung. Ob das vielleicht gar nicht schlecht war, das ist eine
andere Frage. Am meisten hat mir wohl der Schock geholfen in einer
psychiatrischen Anstalt gelandet zu sein. Einige schizophrene Merkmale
hatten sich ja schon ein Jahr vorher angekündigt und wurden von mir
ignoriert. Dass mein Bewusstsein diese Psychose hervorgebracht hat, war
auch so etwas wie ein allerletzter und radikaler
Selbstheilungsmechanismus. Wenn man allen erzählen muss: Ich war in
der Psychiatrie und das auch seinem Spiegelbild sagen muss, dann ist
das eine sehr eindringliche Erfahrung.
War dieser Schock der Hauptgrund dafür, dass du mit dem Kiffen aufgehört hast?
Nein, als ich draußen war habe ich ja danach noch bis zum Abitur, also
rund zwei Jahre, weiter gekifft. Aufgehört habe ich erst nach dem
Abitur. Der Schock hat eher dazu geführt, dass ich mich mit meiner
eigenen Psyche mal weniger naiv auseinander gesetzt und innerlich um
Klarheit bemüht habe. Dazu kam noch mein Ehrgeiz mehr aus meinem Leben
machen zu wollen. Ich spürte plötzlich, dass ich noch Erwartungen habe.
Dieser Prozess hält an. Ich will mich kreativ verwirklichen, dabei auch
Erfolg haben, finanzielle Unabhängigkeit erlangen und die Liebe meines
Lebens finden. Einfach wohl das, was die meisten Menschen sich
erträumen. Und damals wurde mir klar, dass das Kiffen dem im Weg steht.
Ein tolles Beispiel ist für mich, wenn jemand einmal im Jahr Cannabis
raucht und dabei meditiert; das kann ihn unter Umständen sehr
bereichern. Nur war mir klar, dass ein solcher oder ähnlicher Weg (alle
paar Wochen) mir versperrt war und noch immer ist, mein Hedonismus hat
mich immer wieder auf die falsche Bahn geführt, das will ich nicht noch
einmal erleben. Aber ich glaube durchaus, dass es Menschen gibt, die
Glück, Zufriedenheit und kreative Selbstverwirklichung erreichen können
und ab und zu kiffen, genauso wie es viele gibt die überhaupt nicht
damit klarkommen.
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Schneiden einige der Medien, die dich interviewt haben, diesen letzten Satz von dir raus?
Das kam in der Tat schon vor. Ich habe oft beobachten können, wie Medienschaffende eine vorgefertigte Meinung zu dem Treffen mit mir mitbrachten und, teilweise erfolgreich, versucht haben meine Aussagen in ihr Muster zu pressen. Natürlich muss man, wenn man sich um eine differenzierte Debatte bemüht, einsehen, dass es Menschen gibt, die mit THC-haltigen Produkten genauso verantwortungsvoll umgehen wie gesellschaftliche Leitfiguren mit ihren gepflegten drei Gläsern Rotwein. Das exzessive Kiffen von jungen Schülern ist aber dennoch ein Problem, das eine differenzierte Herangehensweise schwierig macht. Die Medien denken sich wohl oft, dass eine ausgewogene Darstellung bei Eltern und Jugendlichen zu falschen Schlüssen führt.
Zeigen aber die bisherige Aufklärungsversuche nicht genau das Gegenteil? Hat nicht die undifferenzierte Darstellung der Auswirkungen des Kiffens dazu geführt, dass die Jugendlichen weder Eltern, Schule noch Anti-Drogen-Kampagnen ernst nehmen?
Ich kann nachvollziehen, wenn Schule und Eltern einem 14-Jährigen nicht sagen wollen, dass es Menschen gibt, die mit Cannabis umgehen können. Einem so jungen Menschen kann man durchaus sagen: Fang damit gar nicht erst an.
Wobei dann die Frage ist, ab welchem Alter man einem Jugendlichen zutrauen kann für eine vernünftige, differenzierte Aufklärung empfänglich zu sein. Ein Zehnjähriger sollte nicht mit potenten Rauschmitteln umgehen, klar. Aber ist nicht schon hier der Keim zu setzen, da er so oder so lernen muss mit Substanzen und mit anderen Versuchungen umzugehen?
Ich habe gleichwohl Verständnis für eine restriktive Haltung, nicht
zuletzt, weil die Anzahl der jungen Extrem-Kiffer über die Jahre stetig
angestiegen ist. Und die lange Zeit betriebene Verharmlosung von Dope
hat daran einen Anteil. Ich kenne genug Leute, die stark abhängig von
dem Zeug sind und Entzugserscheinungen sowie große Probleme dadurch
haben, wenn sie nicht täglich kiffen.
Das liegt an der Mär von der weichen Droge. Aus einer weichen Droge kann bei entsprechendem Konsummuster eben auch eine harte Droge werden. Interessant ist ja nun, dass du durch die enorme Aufmerksamkeit in den Medien in eine Rolle geschoben wirst, von der du nicht ganz genau weißt, wie du sie erfüllen sollst.
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(lacht) Richtig. Ich probiere mich da bisher auch jedes Mal von Neuem
aus. Mittlerweile sehe ich das auf drei Ebenen. Auf der einen Ebene
betrachte ich das humorvoll: Gestern habe ich gerade noch mein Abi
geschafft und heute wollen Leute von mir Meinungen und Einschätzungen
hören, nur weil ich durchs Kiffen in der Psychiatrie war und
aufgeschrieben habe, wie es dazu kam! Auf der anderen Ebene sehe ich die
gewisse Verantwortung, die ich dabei habe, nicht zuletzt, wenn ich
Lesungen abhalte und die Leute danach zu mir kommen und mir ihre
intimsten Probleme anvertrauen. Und die dritte Ebene ist das mediale
Brimborium. Manchmal erwecken die Medien den Eindruck, als würden sie an
mir ein gesellschaftlich virulentes Problem offenbaren und ja, das
viele mit 13 schon Kiffen ist ein großes Problem. In der Realität zeigt
sich dann aber oft, dass dort nur ein Medienschaffender oder eine
Institution unbedingt neuen Stoff für einen Beitrag braucht. Klar gibt
es da solche und solche Fälle und manchmal bleibt eben ein schaler
Nachgeschmack.
Bisher bis du das geläuterte schlimme Beispiel.
Das ist mir bewusst, aber das ist nicht meine Intention. Diese besteht
darin vom Thema Kiffen wegzuführen und zu zeigen, dass es im Leben
weniger darum geht, ob man kifft oder nicht kifft, sondern darum, was man
aus seinem Leben macht und dass man verantwortungsvoll mit seinem Körper
und dem Geist umgehen sollte. Weder möchte ich Jugendlichen sagen
kiffen ist harmlos, noch kiffen ist scheiße, sondern höchstens:
Durchschaue die Massenverblödung und wehre dich. Übernimm mit Mut und
Energie Verantwortung für dein Leben.
Am Ende des Buches schreibst du: Das Wichtigste, was ich zum Umgang mit dem Kiffen zu sagen habe, ist: Kauf dir einen großen Beutel und versuche nicht mehr ranzugehen. Das frage ich: Wozu dann überhaupt kaufen, wenn man ihn nicht genießen kann?
Der Satz ist nur aus meiner damaligen Situation heraus zu verstehen. Er
sollte ausdrücken, dass man eine Sucht erst dann überwunden hat, wenn
man nicht mehr vor ihr flieht. Die beste Probe ist wohl, wenn man nicht
kifft, obwohl der beste Freund neben einem sitzt und wieder eine Bong
durchzieht. Erst, wenn der Beutel vor einem liegt und man will nicht
zugreifen, hat man es geschafft. Wer erst einmal Dauerkiffer war, dem
ist es aus meiner Sicht kaum möglich in einen maßvollen Konsum
überzuwechseln. Der muss erst einmal ganz aufhören. Das ist wie bei
Alkoholikern.
Und nebenbei würde diese Situation auch ein neues Bild auf eine Freundschaft werfen. Hast du heute Kontakt zu Leuten, die viel kiffen?
Klar, und die Beispiele können unterschiedlicher nicht sein. Ich kenne
einen, der kifft den ganzen Tag und hat nebenbei ein sehr gutes Abitur
gemacht. Er ist wirklich sehr intelligent und lebensklug. Ich habe aber
auch Bekannte, die kiffen täglich und haben riesige Probleme damit:
Zukunftsängste, Paranoia, Streit mit den Eltern, Selbstdestruktion bis
zur Selbstaufgabe, Verlust des rationalen Denkens, einige verlieren
tatsächlich langsam ihren Verstand. Und das Problem bei Dope ist eben:
Die meisten, die so was hier jetzt lesen, denken, sie gehören zu denen,
die das total im Griff haben. Sie haben nicht die Stärke ihre Schwäche
zuzugeben. Wenn du zu Hilfsmitteln greifst um dich glücklich zu machen,
dann musst du wenigstens durchschauen, dass du nicht stark genug bist
mit deiner hausgemachten Energie genauso oder sogar noch glücklicher zu
werden. Ich kann nur altklug und besserwisserisch dazu aufrufen sich
auch als ganz junger Mensch wirklich intensiv mit dem eigenen Denken
und Handeln auseinanderzusetzen.
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Wenn du so etwas vor Schulklassen oder bei Lesungen sagst, wie sind die Reaktionen darauf?
Durchweg positiv. Es kommen immer sehr viele Fragen. Und zwar vom
witzig gemeinten Wo kann ich Gras kaufen? bis Ich habe da einen
Freund, der will aufhören. Die häufigste Frage ist allerdings, ob ich
meiner Mutter böse bin, dass sie nicht härter durchgegriffen hat. Das
ist die Antwort natürlich Nein, denn auch als 14-Jähriger wusste ich
schon, wie ich meinen Kopf durchsetze. Meine psychische Veranlagung ist
die Ursache: Meine Mutter hat mich mit 42 bekommen, ich bin ohne Vater
aufgewachsen und war schon im Kindergarten anders als die anderen, wie
es so schön heißt. Äußerst sensibel halt, dazu redseelig, stets gut
behütet, materiell gut gestellt. Dann habe ich eine gewisse altkluge
Art bekommen und mich früh zu Themen geäußert, deren Horizont ich nur
erahnen konnte. Eine Sicht aus dem Elfenbeinturm. Spätestens die Welt
der Grundschule war roh und hart für mich.
Was sind deine Zukunftspläne?
Ich möchte sehr gerne Drehbücher schreiben und sie auch verfilmen. Das ist ein weit entferntes Ziel, so schnell wie möglich werde ich mich an einer Filmhochschule bewerben. Zudem habe ich einen Roman angefangen und der wird nicht heißen Amon Barths Anleitung zum Nicht-Kiffer-werden in zehn Schritten, nein, es soll ein Roman über die Liebe werden.
Viel Glück dabei und vielen Dank für das Gespräch.