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Film

Gewalt und Zweifel

In seinem neuen Film "München" erzählt Steven Spielberg von der Jagd des Mossad nach palästinensischen Attentätern als Vergeltung für das Olympia-Attentat von 1972. Als Doku-Drama wenig überzeugend, beeindruckt der Film vor allem durch seine mutige politische Botschaft

Die Olympischen Spiele in München: Am Morgen des 5. September 1972 stürmen acht Männer der palästinensischen Terrororganisation „Schwarzer September“ die Mannschaftsquartiere der israelischen Sportler, erschießen zwei Israelis und nehmen neun weitere als Geiseln. Sie fordern die Freilassung von 234 Palästinensern sowie Amnestie für die deutschen Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Die Versuche der deutschen Polizei, die Geiseln zu befreien, scheitern kläglich: Als Sportler getarnte Polizisten sollen die Attentäter im olympischen Dorf überwältigen, werden aber ins Fernsehen übertragen und enttarnt. Auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck kommt es schließlich zum Eklat, eine missglückte Falle mündet in eine blindwütige Schießerei zwischen Scharfschützen und Attentätern, ein Hubschrauber mit israelischen Geiseln explodiert. Die Bilanz der Aktion ist katastrophal: Fünf Palästinenser und alle neun Israelis sind tot. Heute gilt 1972 als das Geburtsjahr des internationalen Terrorismus.

In seinem neuen Film „München“, der seit einer Woche in deutschen Kinos läuft, erzählt Steven Spielberg das Nachspiel des Attentats: den Rachefeldzug des Mossad gegen Drahtzieher der Palästinenserorganisation PLO. Der junge Mossad-Agent Avner (Eric Bana) erhält den Auftrag, elf mutmaßliche Anführer des „Schwarzen September“ in einer geheimen Operation zu eliminieren. Er beginnt eine blutige Odyssee quer durch Europa. An seiner Seite hat Avner ein Team angeblicher Spezialisten: Der Fälscher Hans (Hanns Zischler) sorgt für saubere Reisepässe, Fahrer Steve (der neue James Bond-Darsteller Daniel Craig) für die Fluchtwagen, Sprengstoffexperte Robert (Mathieu Kassovitz) bastelt die Bomben und Carl (Ciaran Hinds) als Mädchen für alles beseitigt nach getaner Arbeit die Spuren. Was wie ein ausgesuchtes Killer-Kommando klingt, stellt sich bald als zusammen gewürfelter Haufen Amateure heraus. Keiner der fünf hat Erfahrung im Töten, und so müssen sie nicht nur mit logistischen Schwierigkeiten kämpfen – zum größten Hindernis wird ihr eigenes Entsetzen.

In eindringlichen Bildern zeigt Spielberg, wie fragwürdig es ist, Gewalt mit Gewalt zu vergelten. Mit jedem Mord wachsen die Zweifel: Wer sind die Opfer, was haben sie tatsächlich mit dem Attentat von München zu tun? Was bewirkt ihr Tod, außer dass er neue Gewalt produziert? Avner, der inzwischen den Mossad und Israel verlassen hat, bringt in der letzten Szene des Films die Botschaft auf den Punkt: „Es gibt keinen Frieden am Ende von all dem.“ Ein Kameraschwenk holt die Türme des World Trade Centers ins Bild – als Verweis auf den schon längst deutlichen Zusammenhang mit dem amerikanischen Feldzug gegen den Terror seit dem 11. September.

Vor allem in den USA hat Steven Spielberg mit „München“ eine heftige politische Kontroverse ausgelöst. Zu menschlich sei die Darstellung der palästinensischen Terroristen geraten, zu viele Zweifel am Recht Israels auf Vergeltung würden gestreut. Tatsächlich bemüht sich Spielberg auffallend um eine menschliche Darstellung beider Seiten: Nach dem Attentat sitzen Israelis wie Palästinenser am Fernseher und verfolgen die Entwicklung des Geiseldramas. Als der blutige Ausgang bekannt gegeben wird, fließen in beiden Wohnzimmern die Tränen – Israelis und Palästinenser trauern um ihre toten Angehörigen, Geiseln und Attentäter. Natürlich sind solche Bilder provokant, aber vor allem sind sie mutig: Spielberg verweigert sich jeder vereinfachenden Darstellung des Nahost-Konflikts. Er selbst möchte „München“ als „Gebet für den Frieden“ verstanden wissen, doch in Amerika gerät jeder Zweifel an der Legitimität von Rache unter den Verdacht des Vaterlandverrats. Der Film bemüht sich aufrichtig um eine Unterscheidung zwischen Terror und Vergeltung, gerechter und illegitimer Gewalt – nur um am Ende zu dem Schluss zu kommen, dass diese Abgrenzung unmöglich ist: Gewalt korrumpiert immer.

In Deutschland ist die politische Botschaft von „München“ schon eher willkommen; dafür wird der Film hier für seine historische Ungenauigkeit kritisiert: Der streng geheime Rachefeldzug des Mossad gegen palästinensische Terroristen hat zwar tatsächlich stattgefunden, aber kaum so, wie Spielberg es in „München“ erzählt. Vorlage des Films war das Buch „Vengeance“ des kanadischen Journalisten George Jonas, der die authentische Geschichte des Mossad-Agenten Avner Kaufmann erzählen will. Der Wahrheitsgehalt dieses Buches wird inzwischen von vielen Seiten angezweifelt, und Spielberg muss sich der Frage stellen, warum er ausgerechnet ein derart fragwürdiges Buch verfilmt hat. So verschweigen Buch wie Film das Fiasko von Lillehammer, bei dem israelische Agenten wegen eines Irrtums einen marokkanischen Kellner erschossen. Zwar beansprucht „München“ mit seinem Disclaimer „inspiriert von realen Ereignissen“ keine historische Wahrhaftigkeit. Doch suggeriert die phantastische Detailtreue der Ausstattung ebenso wie die semi-dokumentarisch nachgestellten Szenen der Geiselnahme immer wieder historische Authentizität, die der Spielfilm dann nicht einlöst.

Die realen Einzelheiten des Attentats von München stellt der Film „Ein Tag im September“ (Kevin MacDonald, 1999) besser dar. Die mit einem Oscar ausgezeichnete Dokumentation beleuchtet detailliert die 23 Stunden der Geiselnahme, den politischen Hintergrund und das Scheitern der deutschen Polizei an der damals völlig neuartigen Situation. Die Racheaktionen des Mossad spielen bei MacDonald allerdings keine Rolle – eher im Gegenteil, der Regisseur hat einen der überlebenden Attentäter, der dem Mossad entgangen sein muss, aufgespürt und ihn zu den Ereignissen interviewt.

Den Vorwürfen, mit „München“ die historische Realität zu verfälschen, begegnet Steven Spielberg gelassen mit dem Hinweis, der Film sei eben eine politische Parabel und kein Doku-Drama. Die Ungereimtheiten, die „München“ ohne Zweifel aufweist, sind für die politische Aussage des Films tatsächlich unerheblich. Spielberg, längste Zeit das liebste Kind in Hollywood, ist mit seinem Werk ein großes Risiko eingegangen: Ohne weiteres hätte er aus dem Stoff einen flotten Agententhriller machen können, in dem die Bösen einfach böse und die Guten immer gut sind. Stattdessen bleibt er in „München“ zweideutig, er lässt viele Fragen offen und räumt die Möglichkeiten des moralischen Zweifels ein.


 
 



 

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