Wenns bei der FIFA-WM nicht klappen sollte: Im Kanupolo ist auf die Deutschen Leistungen verlass. Der Sport schnell, nass und manchmal blutig
Von Stefan Wolf
Der Ball tänzelt auf dem Wasser, zwischen den beiden Kajak-Fahrern. Unaufhaltsam steuern die zwei aufeinander zu. Keiner weicht aus. Mit voller Kraft jagen sie ihre Paddel ins Wasser. Gleich krachen sie zusammen. Bumm. Ein Kajak schiebt sich über das andere. Die Bootswände krächzen, das Wasser spritzt. Plötzlich hält einer den Ball in der Hand und wirft ihn sofort zu einem Mitspieler. Es geht zur Sache.
Kanupolo ist ein bisschen wie Handball auf dem Wasser: Zwei Mannschaften in jeweils fünf Einer-Kajaks spielen gegeneinander. Ziel ist es, einen Ball in das gegnerische Tor zu werfen. Das ist einen Meter hoch, anderthalb Meter breit und hängt zwei Meter über dem Wasserspiegel. Die Spieldauer beträgt zwei mal zehn Minuten. Das Spielfeld ist fast so groß wie ein halbes Fußballfeld 23 Meter breit und 35 Meter lang. Die Spieler müssen den Ball innerhalb von fünf Sekunden mit der Hand werfen oder mit dem Paddel schlenzen. Um vorwärts zu kommen, werfen sie den Ball immer wieder zwei bis drei Meter voraus, paddeln hinterher und nehmen ihn wieder auf.
Jetzt nur noch der Champions-League-Titel
Robin Pechuel-Loesche spielt Kanupolo, seit er zwölf Jahre alt ist.
Inzwischen hat der 23-Jährige mit der deutschen Nationalmannschaft die
Welt- und Europameisterschaften gewonnen. Wenn der BWL-Student über das
Spiel redet, rudert er mit den Armen und weicht imaginären Gegnern mit
seinem bulligen Oberkörper aus. "Kanupolo ist ein technisch und
taktisch anspruchsvoller Teamsport", sagt er. "Man muss paddeln können
und braucht Ballgefühl."
Robin spielt bei den "Wassersportfreunden Liblar" in Erftstadt bei Köln, einem der erfolgreichsten deutschen Vereine. In der letzten Saison ist das Männerteam zum vierten Mal in Folge deutscher Meister geworden. Das entscheidende Tor im Finale hat Robin geworfen. "Dabei mache ich sonst eigentlich nicht viele Tore - ich arbeite mehr für die anderen." Jetzt fehlt seinem Team nur noch der Champions-League-Titel.
Blutige Finger
Anzeige
Die "Wassersportfreunde" trainieren auf dem Liblarer See. "Im Sommer ist das einfach super - bei Sonnenschein auf dem See paddeln und einen Ball rumwerfen", schwärmt Robin. Jetzt, im Winter, hält sich jeder Spieler alleine fit. Robin geht ins Fitness-Studio, joggt und spielt Fußball. Und ab und zu gehts auch mal auf den See Bahnen ziehen. "Beim Paddeln wird einem schon warm." Wer Kanupolo spielt, ist hart im Nehmen.
Trotzdem ist Kanupolo kein reiner Männersport. "Klar, es geht gut zur
Sache. Eigentlich holt man sich in jedem Spiel blutige Finger. Aber das
ist ja nichts Schlimmes", sagt Anne Reimers, die auch bei den
"Wassersportfreunden Liblar" spielt und Europa- und Weltmeisterin im
Kanupolo ist. Besonders die Ästhetik des Wassersports hat es ihr
angetan. "Kanupolo ist dynamisch, kraftbetont und spektakulär."
Nur Schläge mit dem Paddel sind verboten
Spielen kann im Prinzip jede und jeder - jünger als zehn Jahre sollten die Spieler allerdings nicht sein. "Es gehört viel Koordinationsvermögen dazu", sagt Robin. Vertrauen zum Wasser sollte man auch mitbringen, meint Anne. "Manche Frauen haben Angst, mit dem Boot umzukippen."
Abtauchmanöver können schon mal passieren denn fast alles ist erlaubt: Den Gegner mit den Armen wegschieben, mit dem Boot anfahren und sogar zum Kentern bringen. Nur Schläge mit dem Paddel sind verboten.
Kanupolo wurde im 19. Jahrhundert in England entwickelt. In Deutschland wurde es 1926 zum ersten Mal gespielt, geriet dann aber Mitte des vergangenen Jahrhunderts etwas in Vergessenheit. Inzwischen steigen die Mitgliederzahlen wieder: 1991 gab es nur 24 Männer- und 12 Damenteams, heute sind es doppelt so viele, sagt Jochen Schröder vom Deutschen Kanuverband. Auch die Zahl der Schülermannschaften hat sich erhöht: von 5 im Jahr 1990 auf heute 30.
Ein billiges Vergnügen ist Kanupolo nicht: Zur Ausrüstung gehören Kajak, Paddel, Schutzhelm und Schutzweste. Ein Profiboot kostet um die 1200 Euro, ein Paddel zirka 200 Euro. Anfänger können sich aber Boote bei den Vereinen leihen.
Für Anne und Robin steht das Gemeinschaftsgefühl im Klub im Vordergrund. Mit den Mitspielern zu den Turnieren fahren, gemeinsam Erfolge feiern, am See grillen. "Das ist für uns ein richtiges Familiending", sagt Anne. Kein Wunder, hat sie doch hier auch Niclas kennen gelernt, ihren Mann. Und der ist der Bruder von Robin.
Wer den Sport ausprobieren will, sollte sich an einen Verein wenden. An einigen Universitäten wird Kanupolo auch im Hochschulsport angeboten.
www.kanupolo.dewww.schulsport-kanupolo.de