Nein, ich weiß nicht, warum ich auf einmal eine Diät machen wollte. Ich weiß auch nicht, warum so viel andere das tun. Ich weiß nur: Es war grausam
Von Almut Steinecke
Ich weiß, das ist jetzt voll das Klischee. Aber ab und zu überfällt es auch mich: das "ich-glaub-ich-bin-zu-dick"-Gefühl. Das ist immer ganz plötzlich da, dann denke ich, ich könnt ja mal wieder abnehmen. Dabei gibt es keinen Grund, aber das ist schon fast wieder symptomatisch für den Ausbruch. Ist das jetzt logisch? Nee. Aber ich bin ja auch eine Frau. Männer mögen vielleicht auch hin und wieder das Gefühl bekommen, sie müssten da was tun, aber bei Frauen stellt es sich eindeutig häufiger ein. Aus heiterem Himmel. Warum ist das eigentlich so? Ich bin nicht zu dick, also habe ich grad nichts Besseres zu tun? Keine Ahnung. Ich hab jetzt keinen Bock zu analysieren.
Diesmal will ich nämlich nicht nur auf dem Gefühl herumkauen. Ich will handeln, es mit einer Diät versuchen. Schließlich hab ich noch nie eine gemacht. Ich hab da neulich was von dieser "Magischen Kohlsuppe" gelesen. Man isst die Suppe und die Kilos sollen nur so purzeln. Ich finde ja alleine schon das Wort irgendwie eklig. Kohlsuppe. Iiiih! Ich surfe zu Google und tippe den Begriff ein. Das Internet überschlägt sich vor Negativ-Meldungen. "Schwachsinns-Diät, total ungesund, nie wieder, pfui bah, ich kann die Suppe nicht mehr sehen!" lese ich da in Diskussionsforen. Hm. Ich ruf mal Püppi an. Der ist immer offen für sowas, außerdem weiß ich, dass er das mit der Suppe schon probiert hat. Püppi heißt eigentlich Philipp und ist mein schwuler Freund, schon wieder ein Klischee, oh mann. Aber es ist wirklich so: Püppi versteht mich. Weil er schwul ist? Ich hab jetzt keinen Bock zu analysieren. Außerdem wird Püppi diesmal richtig streng. "Du bist nicht zu dick! Ihr Frauen bildet euch das immer ein, dabei ist das so ein Quatsch! Diäten sind scheiße! Und die bringt erst recht nix, ich lag damals auch völlig daneben!" Ich quengele, er stöhnt, "also bitte, wenn du willst...", er diktiert mir das Rezept. Perfekt! Ich düse in den Supermarkt.
Schmeckt doch super, was haben die alle?
Eine halbe Stunde später türmt sich das Gemüse auf meinem Küchentisch. Frühlingszwiebeln, Tomaten, Paprika, Möhren, Sellerie, Petersilie und: ein Weißkohl. Skeptisch beäuge ich den Berg. Sieht nach Arbeit aus. Vielleicht hätte ich bei Püppi eine Suppe in Auftrag geben sollen gegen Geld? Ich beginne zu schnippeln, zu schaben, zu schneiden. Der Sellerie schaut irgendwie missmutig drein. Davon nehm ich mal nicht soviel. Ich schichte und schichte, der Topf wird immer voller. Ich gieße mit Wasser auf, würze mit Curry, Chili, Salz und Pfeffer. Die Suppe blubbert. Mein Diät-Drama kann starten.
Tag 1: Ich bin voller Elan! Schmeckt doch super, was haben die eigentlich alle? Ich darf Obst und Suppe, soviel ich will. Will ich? Ich will.
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Abend von Tag 1: Ich will nicht mehr! Die Suppe schmeckt nicht so schlimm, wie sie klingt, aber... Bei dem Gedanken daran, dass sie mich jetzt eine Woche lang verfolgt und gerade mal ein Tag rum ist, krieg ich die Krise! "Das Leben ist schrecklich, es ist voller Kohlsuppe, ich fühle mich ausgeliefert!", ich heule mich bei Püppi aus, der lacht sich tot. Idiot.
Tag 2: Ich wache auf, ich bin fit, kein Gedanke mehr an das Tief von gestern. Heute darf ich Gemüse und Suppe, soviel ich will. Will ich? Ich will. Allerdings kann ich nichts gegen meine Phantasien tun. In meinem Kopf schmelzen lauter Stückchen Schokolade... Außerdem mag ich die Suppe nicht mehr. Ich rühre ein Päckchen Zwiebelsuppenpulver rein. Jetzt schmeckt sie besser.
Die Suppe hat eine böse Aura
Tag 3: Wenn ich von draußen in meine Wohnung komme, pralle ich gegen eine Wand aus Kohlsuppeduft. Von dem Topf auf meinem Herd gehen negative Schwingungen aus. Die Suppe hat irgendwie eine böse Aura. Ich entwickle echt komische Gedanken. Abends forsche ich weiter im Internet, lese, dass man bei der Diät hauptsächlich Wasser verliert, die ganze Prozedur nichts als unnütze Qual ist, auf Dauer sogar zu Unterernährung führt. Ich überlege.
Traum in der Nacht von Tag 3 zu Tag 4: Ein überdimensionaler Weißkohl donnert durchs Treppenhaus, bleibt stehen vor meiner Wohnungstür. Ich komme nicht mehr aus meiner Wohnung.
Tag 4: Ich kann nicht mehr! Ich mag nicht mehr! Der Tag streckt sich bedrohlich vor mir aus, wenn ich die Augen morgens aufschlage. Was zum Teufel mache ich hier eigentlich!? Abnehmen - für wen? Für mich? Für magersüchtige Model-Mädchen, die mir vorgaukeln das Wichtigste im Leben seien dünne Beine? Ich muss leider zu dem Schluss kommen meine schlimmste Feindin zu sein, dass ich mir diesen Kohlsuppen-Krampf wirklich antue und mich schelten, mich nicht um Wichtigeres zu kümmern! Um Püppi zum Beispiel. Der hat gerade Liebeskummer. Ich fahr zu ihm, wir surfen im Internet durch Kohlsuppen-Foren. Eine Frau erzählt, am vierten Tag erging es ihr wie mir. Sie hat einen neuen Topf Suppe gekocht, den Topfdeckel angehoben und die fertige Suppe gleich wieder weggekippt. Was für ein Bullshit, ich kugele vor dem Computer, Püppi lacht mit. Hey, ich hab ihn abgelenkt. Immerhin. Ein Diät-Drama starte ich trotzdem nie wieder.
Ich weiß, das ist jetzt voll das Klischee. Aber ab und zu überfällt es auch mich: das "ich-glaub-ich-bin-zu-dick"-Gefühl. Das ist immer ganz plötzlich da, dann denke ich, ich könnt ja mal wieder abnehmen. Dabei gibt es keinen Grund, aber das ist schon fast wieder symptomatisch für den Ausbruch. Ist das jetzt logisch? Nee. Aber ich bin ja auch eine Frau. Männer mögen vielleicht auch hin und wieder das Gefühl bekommen, sie müssten da was tun, aber bei Frauen stellt es sich eindeutig häufiger ein. Aus heiterem Himmel. Warum ist das eigentlich so? Ich bin nicht zu dick, also habe ich grad nichts Besseres zu tun? Keine Ahnung. Ich hab jetzt keinen Bock zu analysieren.
Diesmal will ich nämlich nicht nur auf dem Gefühl herumkauen. Ich will handeln, es mit einer Diät versuchen. Schließlich hab ich noch nie eine gemacht. Ich hab da neulich was von dieser "Magischen Kohlsuppe" gelesen. Man isst die Suppe und die Kilos sollen nur so purzeln. Ich finde ja alleine schon das Wort irgendwie eklig. Kohlsuppe. Iiiih! Ich surfe zu Google und tippe den Begriff ein. Das Internet überschlägt sich vor Negativ-Meldungen. "Schwachsinns-Diät, total ungesund, nie wieder, pfui bah, ich kann die Suppe nicht mehr sehen!" lese ich da in Diskussionsforen. Hm. Ich ruf mal Püppi an. Der ist immer offen für sowas, außerdem weiß ich, dass er das mit der Suppe schon probiert hat. Püppi heißt eigentlich Philipp und ist mein schwuler Freund, schon wieder ein Klischee, oh mann. Aber es ist wirklich so: Püppi versteht mich. Weil er schwul ist? Ich hab jetzt keinen Bock zu analysieren. Außerdem wird Püppi diesmal richtig streng. "Du bist nicht zu dick! Ihr Frauen bildet euch das immer ein, dabei ist das so ein Quatsch! Diäten sind scheiße! Und die bringt erst recht nix, ich lag damals auch völlig daneben!" Ich quengele, er stöhnt, "also bitte, wenn du willst...", er diktiert mir das Rezept. Perfekt! Ich düse in den Supermarkt.
Schmeckt doch super, was haben die alle?
Eine halbe Stunde später türmt sich das Gemüse auf meinem Küchentisch. Frühlingszwiebeln, Tomaten, Paprika, Möhren, Sellerie, Petersilie und: ein Weißkohl. Skeptisch beäuge ich den Berg. Sieht nach Arbeit aus. Vielleicht hätte ich bei Püppi eine Suppe in Auftrag geben sollen gegen Geld? Ich beginne zu schnippeln, zu schaben, zu schneiden. Der Sellerie schaut irgendwie missmutig drein. Davon nehm ich mal nicht soviel. Ich schichte und schichte, der Topf wird immer voller. Ich gieße mit Wasser auf, würze mit Curry, Chili, Salz und Pfeffer. Die Suppe blubbert. Mein Diät-Drama kann starten.
Tag 1: Ich bin voller Elan! Schmeckt doch super, was haben die eigentlich alle? Ich darf Obst und Suppe, soviel ich will. Will ich? Ich will.
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Abend von Tag 1: Ich will nicht mehr! Die Suppe schmeckt nicht so schlimm, wie sie klingt, aber... Bei dem Gedanken daran, dass sie mich jetzt eine Woche lang verfolgt und gerade mal ein Tag rum ist, krieg ich die Krise! "Das Leben ist schrecklich, es ist voller Kohlsuppe, ich fühle mich ausgeliefert!", ich heule mich bei Püppi aus, der lacht sich tot. Idiot.
Tag 2: Ich wache auf, ich bin fit, kein Gedanke mehr an das Tief von gestern. Heute darf ich Gemüse und Suppe, soviel ich will. Will ich? Ich will. Allerdings kann ich nichts gegen meine Phantasien tun. In meinem Kopf schmelzen lauter Stückchen Schokolade... Außerdem mag ich die Suppe nicht mehr. Ich rühre ein Päckchen Zwiebelsuppenpulver rein. Jetzt schmeckt sie besser.
Die Suppe hat eine böse Aura
Tag 3: Wenn ich von draußen in meine Wohnung komme, pralle ich gegen eine Wand aus Kohlsuppeduft. Von dem Topf auf meinem Herd gehen negative Schwingungen aus. Die Suppe hat irgendwie eine böse Aura. Ich entwickle echt komische Gedanken. Abends forsche ich weiter im Internet, lese, dass man bei der Diät hauptsächlich Wasser verliert, die ganze Prozedur nichts als unnütze Qual ist, auf Dauer sogar zu Unterernährung führt. Ich überlege.
Traum in der Nacht von Tag 3 zu Tag 4: Ein überdimensionaler Weißkohl donnert durchs Treppenhaus, bleibt stehen vor meiner Wohnungstür. Ich komme nicht mehr aus meiner Wohnung.
Tag 4: Ich kann nicht mehr! Ich mag nicht mehr! Der Tag streckt sich bedrohlich vor mir aus, wenn ich die Augen morgens aufschlage. Was zum Teufel mache ich hier eigentlich!? Abnehmen - für wen? Für mich? Für magersüchtige Model-Mädchen, die mir vorgaukeln das Wichtigste im Leben seien dünne Beine? Ich muss leider zu dem Schluss kommen meine schlimmste Feindin zu sein, dass ich mir diesen Kohlsuppen-Krampf wirklich antue und mich schelten, mich nicht um Wichtigeres zu kümmern! Um Püppi zum Beispiel. Der hat gerade Liebeskummer. Ich fahr zu ihm, wir surfen im Internet durch Kohlsuppen-Foren. Eine Frau erzählt, am vierten Tag erging es ihr wie mir. Sie hat einen neuen Topf Suppe gekocht, den Topfdeckel angehoben und die fertige Suppe gleich wieder weggekippt. Was für ein Bullshit, ich kugele vor dem Computer, Püppi lacht mit. Hey, ich hab ihn abgelenkt. Immerhin. Ein Diät-Drama starte ich trotzdem nie wieder.