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Leben

Beim ersten Mal, da tut’s noch weh

Über das sagenhafte erste Mal schreiben alle – wir nicht. Deshalb beschäftigt sich unsere neue Serie mit dem zweiten Mal und dem Zugewinn an Weisheit. Aber vorher: die vielen ersten Male und was man dabei falsch machen kann

Sehnsüchtig denke ich an meinen ersten Um- bzw. den Auszug aus meinem Elternhaus. Das einzig Neue an dem Gehäuse, das meine erste eigene Bleibe barg, war die Tür. Ansonsten sah es von vorne schäbig aus und von hinten eher wie eine Ruine. Innen verströmte es den Charme eines Armenviertels aus dem 19. Jahrhunderts, Originalzustand. Ich besaß einen Tisch, zwei Stühle, eine Matratze und ein Bücherregal. Letzteres war noch vom Vormieter, wie ich den Rest da hin transportiert habe, weiß ich nicht mehr. Danach bin ich noch fünfeinhalbmal umgezogen und es wurde immer schlimmer. Denn Umzüge gehören zu den Dingen, die mit den Jahren anstrengender werden. Man häuft im Laufe der Zeit nicht nur etwas zweifelhafte Lebenserfahrung an, sondern auch einen Haufen unnützer Dinge und stetig steigende Ansprüche.

Der Rest ist beim ersten Mal am schlimmsten. Zum Beispiel die erste Konfrontation mit ernsthafter Arbeit. Ich war sieben und sollte im Garten meiner Großeltern die frisch gezogenen Möhren vom daran haftenden Grünzeug befreien. Ich wählte die Wildwestmethode, benutzte das Gartenmesser als Machete und enthauptete die Mohrrübe mit einem gezielten Schlag. Schon der zweite ging daneben, das Messer ließ die Möhre unversehrt und drang stattdessen in meinen linken Zeigefinger. Die Narbe sieht man heute noch.

Ähnlich traumatisch war meine erste Erfahrung mit der Staatsgewalt. Ich war immer noch sieben und fuhr mit meinem Vater im Auto bis uns ein Dorfpolizist anhielt. Der Mann besaß ein Moped aber kein Geschwindigkeitsmessgerät. Er behauptete dennoch, wir wären zu schnell gefahren, er hatte nicht nur das Moped sondern auch die Macht. Wie die Sache endete, weiß ich nicht mehr, geblieben sind mir aber ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein und ein tief verwurzeltes Misstrauen gegen Leute in grünen Uniformen.

Danach kamen noch viele erste Male an die ich mich erinnere und vermutlich noch mehr, an die ich mich nicht erinnere und die meisten waren eher ungemütlich. Zum Beispiel der erste Schultag. Ich fühlte mich von aller Welt verlassen und heulte fürchterlich. Später wollte man mich erstmalig zum Pionierchef der Klasse wählen. Das war im Osten, damals. Der Job genoss nicht das geringste Ansehen und ich hatte natürlich keinerlei Lust darauf. Man setzte mich aber unter Druck und hatte mich schließlich so weit. Glaubte man. Bei der so genannten Wahl mussten sie mich der Form halber noch mal fragen, ob ich denn dieses verantwortungsvolle Amt bekleiden wolle. Von Wollen konnte keine Rede sein, und da ein Pionier nicht lügen soll, sagte ich nein. Die Sache endete mit einem Eklat und später stand in meinem Schulzeugnis, dass mein Klassenbewusstsein noch nicht genügend gefestigt sei.

Einige Zeit später folgte der erste Kuss. Das Mädchen war genau so alt und genau so unerfahren wie ich, und wir machten es, weil es alle machten. Hinterher fragte ich mich, was daran so toll sein soll. Das wurde später aber besser. Die erste Nacht mit einem Mädchen war allerdings ähnlich ernüchternd. Sie war genau so alt wie ich, aber erfahrener. Das Ganze geriet zu einem peinlichen Geruckel und ich sah das Mädchen nie wieder. Die Trennung von meiner ersten festen Freundin hingegen war weit folgenschwerer. Sie heulte, ich fühlte mich schuldig und fing mit dem Rauchen an. Heute verstehen wir uns wieder ganz gut, aber wir rauchen beide immer noch.

Keinen Pfifferling gab ich mehr auf mein Leben, als ich meine erste heilige Kuh – nein, nicht schlachtete, sondern schlicht und einfach niederfuhr. Ich bretterte mit einem gemieteten Kleinroller über eine indische Landstraße, als ein Rind eben diese Straße querte. Ich konnte gerade noch ausweichen. Das Tier hatte aber noch eine Freundin dabei, die erwischte ich voll. Wir gingen beide zu Boden. Die Kuh sprang sofort wieder auf und suchte das Weite, bei mir dauerte es etwas länger. Zu meinem Erstaunen lynchten mich einige zufällig anwesende Passanten nicht, sondern lachten mich nur aus. Offenbar war die Kuh, wie die Mehrheit in Goa, katholisch.

Beim ersten Mal, da tut’s noch weh, wie schon eine alte Bauernregel sagt. Später gewöhnt man sich dran. Bis auf wenige Ausnahmen. Ich frage mich, ob das allen so geht. Ich greife auf uraltes menschliches Erfahrungsgut zurück und schlage das Alte Testament auf: "Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker", und so weiter und so weiter. Dann kam die Sache mit der Rippe, Gottes zweiter Versuch: "Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm." So ging das also bei Gott, das erste und das zweite Mal. Welcher Versuch der gelungenere war, darüber streiten sich Homos und Heten bis heute – mit- und untereinander.

Bei dem, was Menschen schaffen, ist die Sache meistens klar: Versuch Nummer Eins geht in der Regel ordentlich in die Hose, die Wiederholung klappt dann manchmal besser. Mehr zu den diversen zweiten Malen gibt’s demnächst an dieser Stelle.

Sehnsüchtig denke ich an meinen ersten Um- bzw. den Auszug aus meinem Elternhaus. Das einzig Neue an dem Gehäuse, das meine erste eigene Bleibe barg, war die Tür. Ansonsten sah es von vorne schäbig aus und von hinten eher wie eine Ruine. Innen verströmte es den Charme eines Armenviertels aus dem 19. Jahrhunderts, Originalzustand. Ich besaß einen Tisch, zwei Stühle, eine Matratze und ein Bücherregal. Letzteres war noch vom Vormieter, wie ich den Rest da hin transportiert habe, weiß ich nicht mehr. Danach bin ich noch fünfeinhalbmal umgezogen und es wurde immer schlimmer. Denn Umzüge gehören zu den Dingen, die mit den Jahren anstrengender werden. Man häuft im Laufe der Zeit nicht nur etwas zweifelhafte Lebenserfahrung an, sondern auch einen Haufen unnützer Dinge und stetig steigende Ansprüche.

Der Rest ist beim ersten Mal am schlimmsten. Zum Beispiel die erste Konfrontation mit ernsthafter Arbeit. Ich war sieben und sollte im Garten meiner Großeltern die frisch gezogenen Möhren vom daran haftenden Grünzeug befreien. Ich wählte die Wildwestmethode, benutzte das Gartenmesser als Machete und enthauptete die Mohrrübe mit einem gezielten Schlag. Schon der zweite ging daneben, das Messer ließ die Möhre unversehrt und drang stattdessen in meinen linken Zeigefinger. Die Narbe sieht man heute noch.

Ähnlich traumatisch war meine erste Erfahrung mit der Staatsgewalt. Ich war immer noch sieben und fuhr mit meinem Vater im Auto bis uns ein Dorfpolizist anhielt. Der Mann besaß ein Moped aber kein Geschwindigkeitsmessgerät. Er behauptete dennoch, wir wären zu schnell gefahren, er hatte nicht nur das Moped sondern auch die Macht. Wie die Sache endete, weiß ich nicht mehr, geblieben sind mir aber ein ausgeprägtes Unrechtsbewusstsein und ein tief verwurzeltes Misstrauen gegen Leute in grünen Uniformen.

Danach kamen noch viele erste Male an die ich mich erinnere und vermutlich noch mehr, an die ich mich nicht erinnere und die meisten waren eher ungemütlich. Zum Beispiel der erste Schultag. Ich fühlte mich von aller Welt verlassen und heulte fürchterlich. Später wollte man mich erstmalig zum Pionierchef der Klasse wählen. Das war im Osten, damals. Der Job genoss nicht das geringste Ansehen und ich hatte natürlich keinerlei Lust darauf. Man setzte mich aber unter Druck und hatte mich schließlich so weit. Glaubte man. Bei der so genannten Wahl mussten sie mich der Form halber noch mal fragen, ob ich denn dieses verantwortungsvolle Amt bekleiden wolle. Von Wollen konnte keine Rede sein, und da ein Pionier nicht lügen soll, sagte ich nein. Die Sache endete mit einem Eklat und später stand in meinem Schulzeugnis, dass mein Klassenbewusstsein noch nicht genügend gefestigt sei.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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