Ich halte mir die Augen zu. Spreize vorsichtig die Finger. Sehe ein
Stück Leinwand zwischen ihnen aufblitzen. Der Film macht mich steif vor
Schreck: so ist das immer, wenn ich Horrorfilme gucke. Aber ich bin einfach zu neugierig...
Von Almut Steinecke
Mein Atem geht in kleinen Stößen, ich drücke mich in den Kinosessel. Meine Wimpernspitzen kitzeln an den Händen, ich halte mir die Augen zu. Spreize vorsichtig die Finger. Sehe ein Stück Leinwand zwischen ihnen aufblitzen. Schließe schnell wieder die Hände, ducke mich hinter die hautfarbene Mauer. Der Film ist in mich hineingefahren und macht mich steif vor Schreck: so ist das immer, wenn ich Horrorfilme gucke. Ich mache mir vor Angst in die Hose, trotzdem muss ich sie sehen, ich bin einfach zu neugierig. Das ist Horror. Hausgemachter.
Ich erinnere mich an den allerersten Film, der mich das Fürchten gelehrt hat. Er hieß "Blick vom Dachboden" und ich gruselte vor mich hin, eingemummelt in lauter Decken vor dem Fernseher. Den kann man zur Not ausschalten. Im Kino, umgeben von drängender Dunkelheit ist das schon was anderes. Oh, ich mag diese Art von Bibbern: Ich hetze mit einem Opfer durch den Wald, auf der Flucht vor dem axtschwingenden Serienmörder – dabei bin ich ja auf der sicheren Seite! Wenn es zu spannend wird, kann man sich hinter seinen Händen verstecken. Oder ein Stückchen Strickjacke vor die Augen halten und durch die Maschen spähen. Dann hat man noch was vom Film, quasi die zensierte Fassung. Funktioniert am besten grob gestrickt.
Horror gegen Herzschmerz – hilft super!
Meine Freunde schütteln den Kopf über mich. Fragen, warum ich überhaupt ins Kino gehe, schimpfen, ich hätte mir so manche Karte sparen können. Aber es macht doch so Spaß, sich zu gruseln, wenn einem nicht wirklich was passieren kann. Außerdem hatte ich neulich Liebeskummer und da sind Horrorfilme super. Man kombiniert das gefühlsmäßige Minus des Liebeskummers mit dem gefühlsmäßigen Minus der Angst: das ergibt zusammen dann wieder Plus, und die Stimmung bessert sich – immerhin für eine kurze Zeit. Meine größte Schwäche: Ich lasse mich ständig auf Verhandlungen mit meiner Neugier ein. Sie zieht mich jedes Mal über den Tisch, bequatscht mich, säuselt mich voll, hey, wer weiß, was du verpasst... Und dann hole ich mir selbst die Angst in den Bauch, die noch anhält, wenn der Film vorbei ist. Wenn abends das Licht ausgeht, die Filmspule gnadenlos weitersurrt im Kopf.
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Regelrecht traumatisiert hat mich "Shining" von Stanley Kubrick. Das leerstehende Waldhotel, das die Hausmeisterfamilie Torrance ganz alleine über den Winter bringen soll. Jack Nicholsons kleiner Sohn Danny, der auf seinem Dreirad arglos die endlosen, einsamen Hotelflure entlang strampelt. Und mit einem Mal stehen da zwei gleich aussehende Mädchen auf dem Flur, die mit seltsam-sonoren Stimmchen sprechen und da eigentlich gar nicht stehen dürften! Ganz übel auch die verschrumpelte Wasserleiche in der Badewanne eines Hotelzimmers. Seit "Shining" stehe ich Badewannen und langen Fluren echt skeptisch gegenüber.
"Hast du das auch gehört...?"
Prägend war auch "Blair Witch Project", der erste Teil. Die drei Studenten, die in einem Wald dem Mythos der Hexe von Blair auf die Spur kommen wollen und nachts zwischen den Bäumen ihr Zelt aufschlagen. Und mit einem Mal beginnt draußen in der Dunkelheit ein Baby zu weinen, obwohl da jetzt gar kein Baby sein kann im Wald! Ich war so gefangen von dem Film, dass ich zunächst allen Ernstes glaubte, mir das Wimmern einzubilden, meine Freundin am Ärmel zupfte: "Hast du das auch gehört...?" Als ich aus dem Kino nach Hause kam, brannte in der WG-Küche nebenan noch Licht. Meine Nachbarn hatten einige Flaschen Wein geleert und waren beduselt auf dem Weg in die Heia. Ich erklärte ihnen, dass ich jetzt unmöglich schlafen kann und sie sich dringend mit mir unterhalten müssen bis es wieder hell wird. Ich lockte mit einer neuen Weinprobe aus meinem Kühlschrank, schon hatte ich sie überredet.
Dinge, die man nicht verträgt, die sollte man nicht tun. Man geht ja auch nicht freiwillig in die Folterkammer. Andererseits: Mal so richtig durchgeschüttelt zu werden, im Adrenalin zu duschen, das hat auch so was Reinigendes. Und einen Horrorfilm zu gucken gibt einem die Illusion, etwas erfolgreich durchgestanden zu haben, wenn man wieder aus dem Kino kommt. Nicht zu vergessen die Dosis Drama, die man ab und zu mal braucht einfach so.
In meinem Schlafzimmer habe ich eine riesige Steckerleiste an der ganz viele elektrische Geräte angeschlossen sind. Die Leiste hat einen Hauptschalter, den man an- und ausmachen kann. Wenn ich das tue, fliegt manchmal die Sicherung im Stromkasten raus und in meiner ganzen Wohnung erlischt das Licht. Furchtbar. Ich muss dann durch die stockdusteren Zimmer zum Flur tappen, wo der Stromkasten hängt, der sich von meinem Schlafzimmer aus gesehen natürlich ganz am anderen Ende der Wohnung befindet. Aus allen Ecken schießen mir Bilder in den Kopf. Szenen aus "The Ring, Teil I" oder "Der Fluch", bei dem ich bereits während des Vorspanns an die Decke ging. Ich reiße mich zusammen. Taste mich zum Sicherungskasten, mein Atem geht in kleinen Stößen. Dabei fühle ich mich schon wie ein Filmstar, eine Scream-Queen bei einer schweißtreibenden Verfolgungsjagd, jemand ist hinter mir, aber ich entkomme ihm, jaja – und da stehe ich stolz im Scheinwerfer-Spot! Mein Flurlicht ist wieder angegangen.
Von Almut Steinecke
Mein Atem geht in kleinen Stößen, ich drücke mich in den Kinosessel. Meine Wimpernspitzen kitzeln an den Händen, ich halte mir die Augen zu. Spreize vorsichtig die Finger. Sehe ein Stück Leinwand zwischen ihnen aufblitzen. Schließe schnell wieder die Hände, ducke mich hinter die hautfarbene Mauer. Der Film ist in mich hineingefahren und macht mich steif vor Schreck: so ist das immer, wenn ich Horrorfilme gucke. Ich mache mir vor Angst in die Hose, trotzdem muss ich sie sehen, ich bin einfach zu neugierig. Das ist Horror. Hausgemachter.
Ich erinnere mich an den allerersten Film, der mich das Fürchten gelehrt hat. Er hieß "Blick vom Dachboden" und ich gruselte vor mich hin, eingemummelt in lauter Decken vor dem Fernseher. Den kann man zur Not ausschalten. Im Kino, umgeben von drängender Dunkelheit ist das schon was anderes. Oh, ich mag diese Art von Bibbern: Ich hetze mit einem Opfer durch den Wald, auf der Flucht vor dem axtschwingenden Serienmörder – dabei bin ich ja auf der sicheren Seite! Wenn es zu spannend wird, kann man sich hinter seinen Händen verstecken. Oder ein Stückchen Strickjacke vor die Augen halten und durch die Maschen spähen. Dann hat man noch was vom Film, quasi die zensierte Fassung. Funktioniert am besten grob gestrickt.