Nationalgefühl
Patrioten unter sich
Eine Kampagne will, dass sich die Deutschen mit ihrem Land identifizieren. Die Deutschen wollen aber nicht
Falk Lueke
Die Mutmachkampagne "Du bist Deutschland" polarisiert die
Öffentlichkeit. Die Initiatioren glauben an ihren Erfolg, doch viele
identifizieren sich mit der Werbeoffensive nicht: Sie greife zu kurz
und sei unglaubwürdig. Aus der deutschen Blogszene kommt die
Gegenaktion: "Du bist Deutschland - Ich mach' mit!"
"Machen wir uns die Hände schmutzig" fordert die Kampagne
Du bist Deutschland
die Bundesbürger auf. 26 Medienfirmen, vom Axel Springer-Verlag bis zum
ZDF, acht Agenturen und eine Großbäckerei kümmern sich um den
Gemütszustand der Republik. Auch die Verlagsgruppe Holtzbrinck, zu der
DIE ZEIT gehört, ist beteiligt. In großformatigen Anzeigen und
Fernsehspots
stehen Prominente für die Aktion Pate.
"Wir befinden uns zwar im Jammertal, aber da wollen wir raus," sagt
Kampagnenleiter Lars Cords über das Ziel der Aktion. Er freut sich:
"Es gibt hunderte von Anrufen, sowohl von Privatpersonen
als auch von Firmen, die mitmachen wollen."
An die 30 Millionen Euro würde der Werbefeldzug regulär kosten. Das Engagement der Medienunternehmen macht ihn erheblich billiger. Marcel Reich-Ranicki, Ulrich Wickert, Oliver Kahn und andere Prominente verzichteten auf Honorare. Als am vergangenen Montag die Spots im Fernsehen liefen, klickten bis zu 20.000 Besucher pro Sekunde auf die
Du bist Deutschland-
Website
.
Nicht alle sind begeistert - in vielen Weblogs wird heftig diskutiert. "Du bist Deutschland - ich mach' mit!" ist
eine Gegenkampagne
mit verfremdeten Anzeigenmotiven betitelt.
Aus der Gegenkampagne "Du bist Deutschland, ich mach' mit!"
Du bist die Deutsche Bank
Du hast die Verbrechen der Nazis mitfinanziert und davon profitiert. Du bist durch die Enteignung von Hunderttausenden von Menschen zur größten Bank der Welt aufgestiegen.
Entschädigung? Wiedergutmachung? Erst als Du dazu gezwungen wurdest, hast Du ein paar Peanuts aus deiner Portokasse gekramt.
Aber keine Sorge, Du bist nicht das einzige schwarze Schaf. Es gibt eine ganze Herde. Dresdner Bank, Thyssen-Krupp, Siemens, und viele mehr...
Du bist Deutschland.
Der
Initiator der Blogger-Aktion, Johnny Haeusler aus Berlin, hält wenig vom "Du bist
Deutschland"-Werbefeldzug. "Die, denen es gut geht, rufen denen, denen
es schlecht geht, zu: Kopf hoch!" Deutschland habe mehr Facetten, als es die Werber glauben machten, sagt er. Kampagnenleiter Lars
Cords meint zur die Gegenaktion: "Das ist ja genau der Diskurs, die
Diskussion, die wir anstoßen wollten."
Die
Studie "Perspektive Deutschland" kam 2004 zu dem Schluss: Mehr als zwei
Drittel der Deutschen halten die Bundesrepublik für ein Land, in dem
man sehr gut leben kann. Trotzdem haben viele Angst vor der
Zukunft: Jeder zweite befürchtet, dass sich die wirtschaftliche Lage
verschlechtern wird. An Verbesserung glauben nur wenige.
Kommt eine
solche Kampagne da nicht gerade recht? "Ich finde nicht, dass in
Deutschland schlechte Stimmung herrscht", sagt Johnny Hauesler. Er
misst die Stimmung am Wahlergebnis: "Wäre das so, hätte die CDU ihre 45
Prozent erreicht, denn genau auf dieser Unterstellung basierte ihr
Wahlkampf."
Kommt eine
solche Kampagne da nicht gerade recht? "Ich finde nicht, dass in
Deutschland schlechte Stimmung herrscht", sagt Johnny Hauesler. Er
misst die Stimmung am Wahlergebnis: "Wäre das so, hätte die CDU ihre 45
Prozent erreicht, denn genau auf dieser Unterstellung basierte ihr
Wahlkampf."
Die Diskrepanz zwischen der Botschaft und dem Verhalten der initiierenden Konzerne stößt besonders sauer auf.
"Während allerorts selbstorganisierte Erziehungs- und
Betreuungseinrichtungen für Kinder geschlossen werden, während
Ausbildung zum Privileg wird und während öffentliche Plätze,
soziale Einrichtungen und Leistungen zunehmend privatisiert werden,
wird hier die Eigenverantwortlichkeit gepredigt", sagt Johnny Haeusler. Die Botschaft der Kampagne ist für ihn: "Wir müssen eben mehr arbeiten und weniger verdienen, um etwas für unser Land zu tun."
Das könne er nicht unterschreiben. Viele der Blogger stört auch der
Fokus auf Deutschland. Im Land der Dichter und Denker sehen sie - wie Karl Kraus - auch jenes der Richter und Henker. Sie sind in diesem Land geboren oder leben
hier, mit ihm identifizieren wollen sie sich nicht.