Aus verschiedenen Gründen gehe ich die letzten Jahre immer seltener abend weg. Mein Freund Michel, der weiterhin gerne ausgeht, sagt: Ich bin eigentlich zu alt für das Leben, das ich führe.
Und ich versuche ein anderes zu führen. Aber nicht zwanghaft. Kann passieren, daß ich ausgehe. Letzte Woche auf zwei Konzerte: Distemper und Kleingeldprinzessin.
Bei Distemper stand ich in diesem abgerockten Punkschuppen. Du tanzt nicht die ganze Zeit, nicht mal die halbe, du siehst dir auch die Leute an. Böse dreinblickende Jungs Anfang zwanzig mit kahl rasierten Schädeln, vor denen ich vor ein paar Jahren noch ganz instinktiv eine Angst hatte, von der ich nicht weiß, wohin sie verschwunden ist. Jungs jeglichen Alters, die es toll finden, sich kaputtzufeiern und denen alles egal ist, Hauptsache es geht noch ein Bier rein und die Lautstärke stimmt. Die am nächsten Mittag prahlen: Boah, war ich gestern wieder fertig.
Es ist für mich keine Art zu feiern, mehr der Versuch, einem Leben abends etwas Größe abzugewinnen. Und ich glaube, es gibt kaum schöne Gründe für diesen Versuch. Ich möchte mit niemanden hier tauschen. Aber es war eine gute Party.
Bei Kleingeldprinzessin in einem Laden, in dessen Restaurant man Gurkenschaumsuppe mit geräuchertem Forellenfilet essen kann, waren dann deutlich mehr Frauen als bei Distemper. Und die meisten wirkten harmlos auf mich. Harmlos auf eine langweilige Art. Und getanzt wurde im Publikum so, daß man glauben könnte, weiße Mittelstandskinder können sich nur bewegen wie Weißbrote. Die haben nämlich auch keine Hüften.
Menschen mit dem Hang, alles eher richtig zu machen, bei denen feiern nicht kompensieren ist. Und bei mir doch nicht als ein Ausdruck von Freude ankommt.
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Wenn ich es mir aussuchen kann, dann habe ich doch lieber betrunkene Prollos als intellektuell angehauchte Bioladenkäufer, deren Blick nach drei Rotwein glänzt.
Klar sind das wieder unzulässige Verallgemeinerungen. Ich versuche nur zu beschreiben, wie es bei mir ankam, nicht wie es ist.
Auf beiden Konzerten hatte ich nicht das Gefühl unter Menschen zu sein, mit denen ich mich verbinden könnte. Mit denen ich mehr teilen könnte, als diese Paar Stunden. Und nicht mal die richtig, weil ich immer wieder denke: Hier im Raum führt keiner ein Leben, das micht interessiert.
Seit Jahren stelle ich mir diegleiche Frage: Warum fühle mich immer so fremd?
Und ich weiß, daß man diese Frage auch umformulieren könnte: Warum bin ich nur so ein arrogantes Arsch?
Egal, wie ich mir die Frage stelle, ich finde einfach keine Antwort.