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Habt keine Angst!

Haben religiöse Menschen einfach keinen Humor? Bei Umberto Eco habe ich gelernt, wieso die Kirche sich vor dem Lachen fürchtet.

Gegen Mitternacht schlendern wir über den Dorfplatz in Banos, irgendwo in den ecuadorianischen Anden. Etliche Kinder sind noch unterwegs, da die amerikanische "Church of Christ" heute Abend eine große Leinwand aufgestellt hat. Sie zeigt einen religiösen Actionfilm, der die katholische Dorfjugend von ihrer Sache überzeugen soll. Die Missionare, allesamt weibliche Mittdreißiger mit nervösen Gesichtszügen, sprechen uns an. Das Gespräch ist steif und gekünstelt – weil jeder Versuch, es durch kleine ironische Bemerkungen aufzulockern, an den fordernden und unverständigen Dackelblicken der Missionarinnen scheitert. Am Ende sind wir nicht von ihrem Glauben, sondern von ihrer Einfältigkeit überzeugt.

Haben religiöse Menschen einfach keinen Humor? Sie haben sich eher Schritt für Schritt von demjenigen Lachen verabschiedet, das Menschen einmal im Kreis dreht, das Dinge durcheinander würfelt, das Widersprüche gnadenlos aufeinander loslässt. Man lacht nämlich manchmal nicht um des Lachens willen – sondern um sich von sich selbst zu verabschieden uns sich dann neu zu finden.

Neues finden will die "Church of Christ" nicht. Ihr geht es vielmehr darum, zu konservieren, was in ihrem dogmatischen Programm bereits festgehalten ist. In Umberto Ecos Roman Der Name der Rose wird aus Angst vor dem Lachen – und der Veränderung, die es einleiten könnte – sogar gemordet. Eine Schrift über das Lachen von Aristoteles wird für so gefährlich gehalten, dass sie in einer geheimen Bibliothek des Franziskaner-Ordens versteckt und bewacht werden muss. Denn das Lachen "tötet die Furcht" und könnte auch die Autorität der Kirche untergraben.

Der gelehrte Franziskanermönch William von Baskerville und sein Novize Adson werden geschickt, um eine Mordserie im Kloster aufzuklären. Die beiden werden bald zu unbeliebten Zeitgenossen in der katholischen Selbstpeinigungsanstalt – William aufgrund seines scharfsinnigen Verstandes, Adson, weil er seine körperlichen Bedürfnisse entdeckt. Auf dieser Suche nach der Wahrheit gibt es einen großen Überraschungseffekt – als Leser hat man sich schon früh vom katholischen Dogma verabschiedet, aber wartet man nicht trotzdem auf die große Erklärung? Darauf, dass William, immerhin humanistischer Bettelmönch, vielleicht derjenige ist, der den Laden übernehmen kann?

Eco täuscht uns, wenn wir William zu unserem Held erklären. Denn wir sollen uns eben keiner "großen Wahrheit" unterwerfen: Diese erfahren wir nur durch die Frage nach uns selbst, nach der eigenen Freiheit. Kannst du über dich und deinen Glauben lachen? Nicht um Belächeln geht es hier, sondern um ein existenzielles Lachen. Darum, dass Selbstironie magisch wirken kann – aber erst wenn man sich vor sich selbst bewusst zum Kasperl macht. Dann scheint am nächsten Tag die Sonne und es wird klar, wie unglaublich komisch das Leben eigentlich ist. Und somit auch, wie abgehoben manches ist, in das sich Menschen verbeißen. Verbeißen ist wichtig – nur gibt es ohne Lachen irgendwann keine Fähigkeit zur Erkenntnis mehr.

Der Name der Rose ist derjenige, den ich ihr gebe. Wenn ich mich wie Adson nicht dagegen wehre, mit der "Hexe" im Heu zu schlafen, dann werde ich etwas erfahren, das ich vorher gar nicht benennen konnte, worüber die katholische Sprache schweigt. Und so wirft William dem Bibliothekar des Dogmas ins Gesicht: "Man hat dich belogen, der Teufel ist nicht der Fürst der Materie. Der Teufel ist die Anmaßung des Geistes, der Glaube ohne ein Lächeln, die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfasst wird."

Auch schön:

Letzte Woche - Nutzen Sie ihre Jugend. "Das Bildnis des Dorian Gray"

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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