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Porno-Kunst

Die große Entgeilung

TEIL 2

Es scheint, als wüsste die Gesellschaft nicht, wie sie mit der gewaltigen Pornoflut umgehen soll. Das Problem ist auch relativ neu: Gab es in den Sechzigern weltweit gerade 2000 einschlägige Filme, so wird Youporn.com allein heute 15 Millionen Mal angeklickt. Dem Thema kann auch niemand entkommen: Unser Alltag ist durch und durch sexualisiert, laszive Gesten sieht man auf jeder Plakatwand.

Vor allem Feministinnen streiten, um den richtigen Umgang mit diesem Phänomen. Seit den Achtzigern  bildeten sich dabei zwei konträren Standpunkte heraus. Auf der einen Seite stehen antipornografische Feministinnen wie Andrea Dworkin und Alice Schwarzer, die Pornographie als Ausdruck männlicher Gewalt sehen - und für die bereits das Ansehen der Filme eine Vorstufe der Vergewaltigung darstellt. Ironischerweise wird jene Alice Schwarzer im Sommer in Wien eine Gastprofessur annehmen und über Pornografie und Gewalt dozieren.

Auf der anderen Seite entstand nach 1980 in Amerika auch eine "sexpositive" Szene, vertreten durch Susie Bright oder Gayle Rubin. Diese Frauen sehen die sexuelle Freiheit als einen wichtigen Bestandteil auf dem Weg zur Gleichberechtigung - weshalb sie jegliche Einschränkung des Geschlechtsverkehrs unter Erwachsenen ablehnen. Sexpositive Feministinnen ermutigen Frauen sich ihre eigenen Filme zu schaffen.

Auch The Porn Identity greift das Thema weiblicher, pornographischer Stereotypen auf, und behandelt diese häufig ironisch. So lehnt an der Wand im Hauptraum ein Playboy-Flipper aus den Sechzigern von Ed und Nancy Kienholz. Als Einwurfschlitz dient die Scheide einer daran befestigen, bronzenen Beinskulputur.  Im letzten Raum zeigt die Kunsthalle dann eine Persiflage auf den Film die "Fabelhafte Welt der Amelie." Das Künstlerkollektiv Panik Qulture hat den Stoff zu einer Genderkomödie mit heftigem Dildoeinsatz umgedeutet.

Überhaupt konzentriert sich die Ausstellung stark auf den Film. Doch während Arbeiten von Andrew Blake, Eon McKai oder Kenneth Anger prominent vertreten sind, fehlt jegliche Auseinandersetzung mit dem Web 2.0. Ein Versäumnis: Denn der dortige Konsum verändert den Blick auf Sexualität - vor allem bei Jugendlichen. Intimfrisuren, Analsex und Gangbang haben längst die Jugendkultur erreicht. Die wenigen Untersuchungen zum Thema liefern verstörende Ergebnisse: In Amerika glauben laut einer Studie etwa 70 Prozent der 14- bis 18-jährigen Jungs, dass sie ihrer Freundin nach dem Sex ins Gesicht spritzen müssen. Und in Deutschland zeigt eine Untersuchung, dass 60 Prozent der 16-jährigen zunehmend die Lust auf Sex verlieren, weil sie sich den Pornoansprüchen nicht gewachsen fühlen.

Pornos erregen eben nicht nur, sie machen auch Druck und turnen ab. Angela Stief erzählt, dass Florian Waldvogel, ein Kurator der Rotterdamer Schau nach seinen Recherchen fast ein Jahr lang jegliche Lust auf Sex verlor. Wer die Ausstellung gesehen hat, versteht den Mann. Denn trotz all der Brüste und Schwänze dürfte kaum jemand geil den Heimweg aus der Kunsthalle antreten. Dafür war es einfach zu viel.  


 
 



 

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