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Kurzgeschichte

Klimawandel

TEIL 2

Eine Shiva-Figur glotzt die gegenüberliegende Wand an. Der Inder hat sich abgesetzt. Schon nach zwei Tagen fehlt mir sein morgendliches Singen. Auf dem Markt kaufe ich mir mit Cumin gewürzte Gemüse-Samosas und ein paar Räucherstäbchen in Gedenken an ihn. Ein Verkäufer bietet mir einen toten Hahn an, dessen Hals schlapp über den Rand einer Basttasche hängt. Ich lehne ab. Ein sehr guter Hahn, grinst der Verkäufer. Ich nicke anerkennend, bleibe aber dabei. Der Hahn sei den verlangten Preis wert, erklärt der Mann mit Nachdruck. Davon bin ich überzeugt, antworte ich und gehe weiter.

Tage vergehen, die Gebäude bleiben geschlossen. Ich schwitze, schlafe, warte. Nichts passiert. Tristesse. Nachlassen des Zeitgefühls. Gereiztheit, Unruhe bei völliger Erschöpfung, Stunden und Tage immer gleich. Nach geschätzten drei Wochen höre ich das Singen des Inders wieder im Flur. Ich reiße die Tür auf und starre ihn an, als sei er von den Toten auferstanden, um mich zu holen. Er grüßt sehr freundlich ("Hello my friend!") und erzählt, dass er zur Hochzeit in Indien war ("for marriage"). Ich frage nach, wer denn geheiratet habe. Er selbst und sein Bruder, antwortet er vergnügt. Dann zeigt er mir ein Bild seiner Braut. Sie sieht umwerfend schön aus. Sie sieht aus wie von einem anderen Stern auf die unwürdige Erde entsandt. Ich lobe ihn für seine Wahl. Er lacht laut. Ich fragte, wie lange sie sich kennen. Schon zwanzig Jahre, sagt er und zwinkert mir zu. Da verstehe ich endlich.

Als die Bibliotheken wieder öffnen, bleiben mir nur noch zwei Wochen. Die letzten Tage vergehen viel zu schnell, es bleibt gerade Zeit, sich zu verabschieden. Schon stehe ich am Flughafen, das Glas Rotkohl meiner Mutter im Koffer. Der Flieger hebt ab, ich sehe ein letztes Mal die Lichter der Hauptstadt. Dann landen wir in Europa. Schon aus der Luft fällt es mir mit Schrecken auf: keine Blätter an den Bäumen. Natürlich, es ist erst Ende Februar. Eine S-Bahn und ein Regionalzug bringen mich nach Hause, heimwärts. Vertraute Vegetation, vertraute Gebäude, vertraute Ansagen von Ortschaften durch die Lautsprecher, vertraute frustrierte Gesichter mir gegenüber im Abteil. Draußen die leichten Hügel und die Felder mit den besten Böden des Landes, wie man sagt. Der Verkehr perfekt geregelt durch Fahrstreifen, Ampeln und Schilder, sogar die Bäume stehen Spalier. Als der Zug in den Bahnhof einfährt, fühle ich mich wie ein Grundschüler, der von seiner ersten Klassenfahrt zurückkehrt, bereit, von den Eltern in die Arme geschlossen zu werden.

Ich suche mit freudig nervösen Blicken den Parkplatz ab. Aber das Auto meiner Eltern ist nicht da. Also mache ich mich zu Fuß auf den Weg. Es ist erbärmlich kalt. Ich zittere. Meine Mutter steht im Garten. Sie winkt von weitem: "Mensch, da bist du ja endlich. Na, wie war es?" Mir ist kalt, will ich sagen, aber ich komme nicht dazu. "Könntest du bitte gleich mal ein paar Äste von den Obstbäumen absägen, das ist jetzt genau die richtige Jahreszeit." Ich entgegne, dass die Sonne schon so tief steht und es in fünfzehn Minuten dunkel sein müsse. Meine Mutter guckt mich zweifelnd an. "Es ist doch erst kurz nach drei, bis nach sechs haben wir Licht."

Da verstehe ich, wo ich bin: zweiundfünfzigster Breitengrad Nord, gemäßigte Zone, Jahreszeitenklima. Später schlägt meine Mutter vor, zur Feier des Tages einen Braten im Römertopf zu machen. Rotkohl sei dazu doch lecker, findet sie. "Sehr gern", sage ich, "ich hole gleich mal ein Glas aus dem Keller hoch."

Auch schön
Sonntagstext: Schicksal halt
Die Hilflosigkeit beim Versuch, zu beschreiben, wie ein vereinzeltes Geräusch in der Stille klingt. Eine fremdenfeindliche Jakobsweggeschichte.
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