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Protest

Vive la Résistance

Die französische Résistance kämpfte einst gegen die Nazis. Und heute gegen Nikolas Sarkozy. Anlässlich des heutigen Generalstreiks in Frankreich fragten wir nach: Was ist da los?

"Jemand, der Sie ficken möchte, fragt, ob alles in Ordnung sei. Aus Höflichkeit sagen Sie: Ja, alles in Ordnung. Er aber denkt, Sie hätten gesagt: Ja, los, fick mich. Dieser jemand ist der Präsident der Republik." Wie über ein Kloschüssel gebeugt, spricht Ludovic Bablon diese Worte in seine Handkamera. Das Bild ist verpixelt, Gegenlicht verdunkelt das Gesicht des Sprechers doch die Bildqualität ist ihm egal: In wenigen Minuten wird sein Video auf Dailymotion zu sehen sein. Der Titel: "Appel à la résistance" – Aufruf zum Widerstand.

Bablon ist Teil des "Conseil National de la Résistance" (CNR). Zusammen mit 72 anderen Aktivisten versucht er in der ganzen Republik den Geist des Widerstandes wiederzubeleben, Protestaktionen gegen die Politik des Präsidenten Nicolas Sarkozy zu organisieren, verschiedene oppositionelle Gruppen in Verbindung zu bringen. Mitglieder von Attac, Amnesty International und solche, die mit Vereinsmeierei und Parteibüchern nichts zu tun haben wollen, haben sich dem autonomen Netzwerk angeschlossen. Es gibt weder Mitgliedsausweise, noch Organisationsstrukturen. Über wichtige Fragen diskutieren die Aktivisten, so haben sie sich beispielsweise auf absolute Gewaltfreiheit geeinigt. Der Initiative Einzelner stehe allerdings kein Vereins-Kanon entgegen.

In ihrem Namen beruft sich die CNR ganz bewusst auf die Résistance, den Zusammenschluss zahlreicher Widerstandsgruppen zur Zeit der deutschen Besatzung Frankreichs im zweiten Weltkrieg, deren Ziel die Schwächung der Besatzer war. Statt gegen die französischen Nazis-Kollaborateure der Vichy-Regierung wird unter dem Namen "Résistance" jetzt gegen Sarkozy und sein Kabinett gekämpft. Ein Traditionsbruch und eine Verharmlosung des antifaschistischen Widerstands? Nicht unbedingt: denn es waren Veteranen der Résistance, die die Jugend zum erneuten Aufstand gegen die Verhältnisse aufriefen.

Auf die widerbelebte Résistance wurde der 32-Jährige im September 2009 aufmerksam, als er auf dem Videoportal Dailymotion den Aufruf von dreizehn Widerstandskämpfer der alten Résistance entdeckte. Diese forderten die französischen Jugendlichen auf, sich gegen den als zunehmend neoliberal empfundenen Kurs der Chirac-Regierung zur Wehr zu setzen und für die sozialen Errungenschaften der Nachkriegszeit einzustehen.

"Wir sehen zur Zeit, wie der Sockel der sozialen Errungenschaften in Frage gestellt wird", sagte Lise Lodon in der Videobotschaft. London ist eine ehemalige Widerstandskämpferin, die 1942 von den Nazis aufgregriffen und in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert wurde. Sie sagt, die Résistance habe nach dem Krieg den Weg bereitet für die Sozial- und Rentenversicherung, Chancengleicheit und allgemeine Bildung sowie für eine freie und finanziell unabhängige Presse. "Die Regierung darf sich nicht der Diktatur der Märkte beugen!" fügte der mittlerweile verstorbene Maurice Kriegel-Valrimont in der Videobotschaft hinzu. Der Aufruf stammt aus dem Jahr 2004, blieb damals aber fast folgenlos. Seit dem Amtsantritt Sarkozys habe sich die Situation jedoch dramatisiert, so Bablon.

"Die Dinge haben sich verändert, wir spüren es alle. Frankreich wird immer undemokratischer." Das Streikrecht sei auf der Abschussliste, polizeiliche Übergriffe unter dem Deckmantel der inneren Sicherheit mehrten sich und dass die Regierung das "Nein" der Franzosen zum EU-Verfassungsvertrag konsequent ignoriert hätte, stelle die französische Demokratie in Frage. Zudem werde die Pressefreiheit immer stärker eingeschränkt, auch ganz subtil, weil die Besitzer der Verlage und Fernsehsender, Freunde des Präsidenten seien. "Zusammen mit anderen gesellschaftlichen Akteure werden wir Widerstand leisten", so Bablon.

Tatsächlich steht es kritisch um Frankreichs Pressefreiheit. Im jüngsten Pressefreiheits-Index von "Reporter ohne Grenzen" steht Frankreich bereits auf Platz 35 – direkt hinter Mali. Und die Festnahme des ehemaligen Chefredakteurs der Zeitung Libération Vittorio de Filippis bei Morgengrau in Handschellen sorgte für Empörung unter den Journalisten. Wie die Tageszeitung taz Ende letzten Jahres berichtete, musste der Journalist Denis Robert nach seinen Recherchen über den Clearstream-Finanzskandal seine Arbeit wegen Verleumdungsklagen zeitweise einstellen.

Für Nicolas Sarkozy wird es heute ein schwieriger Tag. Seit seinem Amtsantritt hat er zahlreiche gesellschaftliche Akteure gegen sich aufgebracht: Kürzungen im Bildungssektor riefen die Lehrer auf die Barrikaden, die Justizreform brüskierte Anwälte und Staatsanwälte. Die Psychologen erhoben die Stimme, als Sarkozy vorschlug, die Möglichkeit der Strafminderung durch Schuldunfähigkeit in Gerichtsverfahren aufzuheben und die Studenten besetzen wochenlang die Universitäten, um gegen deren Öffnung für Privatkapital zu protestieren.

Nun sollen mit dem "interprofessionellen Mobilisierungstag" die Kräfte gebündelt und Präsenz gezeigt werden: Insgesamt acht von zehn Gewerkschaften haben zum bisher größten Streik seit Sarkozys Mandatsbeginn aufgerufen. Beteiligt sind Arbeitnehmer aus dem öffentliche Nahverkehr, dem Bildungssektor, den Banken, dem öffentliche Dienst, der Autoindustrie, der Bahn, den Fluggesellschaften, dem Fernsehen, der Post. Dazu kommen die Gewerkschaften der Anwälte und der Staatsanwälte, sowie Renter, Arbeitslose, Migrantengruppen. Und selbst die Teile der Bevölkerung die unter der Lahmlegung des öffentlichen Lebens normalerweise zu leiden haben, zeigen Solidarität mit den Streikenden: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts CSA sympathisieren 69 Prozent der Franzosen mit dem Vorhaben.

Ludovic Bablon hofft auf die Sprengkräfte der Bewegung. "Im Winter ist es kalt, da machen die Leute keine Revolution. Aber dies ist ein erster Schritt. Wenn es Frühjahr wird und die Finanzkrise sich in Entlassungen niederschlägt, dann laufen die Leute im T-Shirt auf die Straße und fordern ihre Freiheit ein!", sagt er.

Die französische Regierung bereitet sich indes auf den Generalstreik vor. Haushaltsminister Eric Woerth sagte gegenüber dem französischen Radiosender france info: "Es wird viel los sein auf den Straßen. Aber ist es wirklich eine Antwort nichts zu tun, als Streik zu entfachen? Maximale Belästigung ist keine Politik!", so Woerth. Nikolas Sarkozy dagegen gibt sich still und wartet. Einen Auslandsbesuch nach Westafrika, der eigentlich für heute angesetzt war, sagte er ab.


 
 



 

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