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Reise

Das perfekte Hemd

TEIL 3

"Nein", sage ich: "Auf der Suche nach dem perfekten Hemd."

Er ist nicht erstaunt, ihn erstaunt nichts mehr, seit drei Jahren lebt er schon in Tamil Nadu und gibt im Monat nicht viel mehr als hundert Dollar aus.

Er sagt: "Der perfekte Tag geht so:

Du wachst auf, mit dem Geschmack von Kirschen im Mund, ganz früh am Morgen, obwohl du nicht früher als sonst zu Bett gingst, im Gegenteil, denn der Vortag war ein Freitag.

Du wachst also auf, machst im Bad das Radio an und hörst dein Lieblingslied. Du summst ein wenig mit und schaust dann auf die Uhr: Es ist genau sechs, was dich nicht erstaunt, denn das ist so am perfekten Tag, dass du nur zur vollen Stunde auf die Uhr schaust. Das rührt daher, dass du dann mit dem Lauf der Sonne harmonierst.

Jetzt gehst du Richtung Küche, wo du eine frische Packung Kaffee aufreißt, den zu einer Art Brikett gepressten Inhalt mit den Daumen geschmeidig machst und ihn zuletzt schwungvoll und ohne zu kleckern in die Dose schüttest.

So.

Danach beginnst du zu frühstücken, und weil jetzt schon die Sonne scheint und dir die Lider wärmt, verharrst du eine Weile mit geschlossenen Augen, einem Brötchen in der Linken und dem Messer mit der Butter in der Rechten, und dabei lächelst du, ein wenig einfältig, sicher, doch ein längst vergessenes Glücksgefühl steigt in dir hoch, und du weißt: Was immer du heute angehst, gelingt.

Solltest du so verwegen sein, eine Stunde Krafttraining auf dich zu nehmen, würdest du immer nur Maschinen wählen, bei denen du die Gewichte mit gelassener Miene erhöhen könntest, denn dein Vorgänger wäre längst nicht so kräftig.

Solltest du fernsehen, brächtest du es zustande, durch bloßes Zappen einen Satz zu bilden, der dir den Sinn des Lebens offenbart.

Und solltest du an Liebe denken, würde im selben Moment eine flaumige Taubenfeder durchs Fenster fliegen und genau vor deinen Füßen landen. Denn so ist er, der perfekte Tag."

"Ich suche das perfekte Hemd", sage ich.

"Geh nach Thanjavur", meint der japanische Hippie: "Das ist eine Tempelstadt."

6

Auf der Strecke nach Thanjavur, ich trage das neue Hemd, hören mein Fahrer und ich Musik aus Tamil Nadu, in den perkussiven Teilen klingt sie wie "The Perfect Kiss" von New Order, einer Band, die man rückblickend als eine der Überschätztesten der Eighties bezeichnen muss.

Ich sehe Frauen, die mit aufgelöstem und noch feuchtem Haar von einem Fluss kommen, Schüler in immer anderen Uniformen, Karren, die von Rindern mit bemalten Hörnern gezogen werden, Zuckerrohrfelder, Reisfelder, Zuckerrohrfelder, Reisfelder. Als ich austrete, merke ich, dass ich auf eine Schlangenhaut uriniere.

"Thanjavur?" frage ich den Fahrer, denn die Gegend wird allmählich städtisch. "Kumbakonam", meint er und lenkt den Wagen durch basarartiges Treiben zu einem Tempel, vor dem sich Schmuckgeschäfte drängen.

Ich gehe hinein und lasse mir die Stirn mit rotem Pulver betupfen, dann warte ich mit drei, vier Pilgern, bis zwei Priester, die wie Türsteher, vielleicht sogar wie Zuhälter aussehen, hinter einem Vorhang hervorkommen und eine Reihe von Statuen beweihräuchern. Nachdem sie die Gläubigen, deren Gebete immer lauter geworden sind, mit einer abfälligen Handbewegung zum Schweigen gebracht haben, verschwinden die beiden wieder.

Als ich mich dem Ausgang nähere, erklingt Trommelwirbel und eine Katze huscht vorbei – die erste, die ich in Indien sehe, angeblich werden sie dort von den jungen Hunden gefressen.

Während der verbleibenden zwölf Kilometer höre ich ein Tape der Pet Shop Boys, überzeugt, dass ich in Thanjavur das perfekte Hemd finde, doch als ich in den Straßen der alten Königsstadt herumlaufe, stelle ich fest, dass die Männer dort Hemden mit den seltsamsten Mustern tragen, und beschließe, unverzüglich nach Madurai aufzubrechen, einer weiteren Tempelstadt, wo es, so lese ich, zweihundert Schneider gibt.

7

Je näher ich Madurai komme, desto mehr Plakate weisen auf Herrenausstatter hin, handgemalte natürlich wie nahezu alle in Indien, was dazu führt, dass jedes Logo ein bisschen anders ausschaut, "Coca-Cola" mal mit mehr und mal mit weniger Schwung, undenkbar bei uns, in Indien aber kein Problem, dort gibt es nicht nur einen Gott.

Madurai ist berühmt wegen eines bestimmten Tempels, dessen Türme Fabelwesen zieren, in seinem Innern gibt es Hallen, Schreine und Arkaden, aus großen Lautsprechern dröhnt es "Om", doch als ich davon eine Kassette möchte, werde ich nicht fündig und beginne schon mich aufzuregen, da nimmt ein alter Mann mit schiefen Zähnen meinen Arm: Er fühle, sagt er, dass ich das perfekte Hemd suche, ich solle ihm nur folgen.

Also laufe ich ihm nach, aus dem Tempel hinaus, vorbei an Frauen, die sich ihre Gesichter gelb gefärbt haben, vorbei an Krüppeln, die auf Händen gehen, vorbei an Bauern, die hinter ihren armseligen Gemüsehaufen hocken und betrete endlich eine Schneiderei, der Besitzer erhebt sich von seiner Singer-Tretmaschine und sagt: "Das perfekte Hemd besteht aus 50% Baumwolle und 50% Seide." Ich entgegne: "Niemals, reine Baumwolle muss es sein, so wie dieses hier." Er befühlt das Hemd, das ich in Pondicherry gekauft habe, und sagt: "100% Polyester, doch Sie wurden nicht betrogen. Sie verlangten wohl den teuersten Stoff, und Synthetik ist in Indien kostbar."

Deshalb lasse ich ihn Maß nehmen und laufe noch ein bisschen rum, bis wir uns auf den Weg zum Hotel machen, einmal fahren wir an einem Bus vorbei, der wahrscheinlich ausweichen wollte, doch in Tamil Nadu sind die Straßen gern von Bäumen gesäumt, es gibt auch häufig keinen Mittelstreifen, noch viel seltener sind Straßenlaternen, das Glas der Scheiben knirscht, als wir darüber fahren, und es liegen zwei Verletzte auf dem Boden.

Weiterlesen im 4. Teil »


 
 



 

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