Like two doomend ships that pass in storm we had crossed each others way,
But we made no sign, we said no word, We had no word to say.
hatte sie drauf geschrieben.
Der gute Oscar. Er hatte einfach immer Recht.
Ich sitze im Taxi und lasse mich nach Hause fahren. Gestern ging es sich leicht, heute schmerzen meine Füße und mein Kopf ist schwer und voll von Gedanken, viel zu vielen um über einen genauer nachdenken zu können. So sollte es sein, mein Wiederkommen, das Wiedersehen mit ihm, und doch ist der Nachgeschmack ein anderer als der all der anderen Morgen, an denen ich wie eben von ihm wieder zu mir fuhr. Heute denke ich an meine Abneigung gegen wieder aufgebrühten Kaffee, und ob das alles nicht damit zu vergleichen sei. Ich war von hier fortgegangen in der Überzeugung, anderswo sei alles besser, und nun wo ich weiß wie schön es war gestern abend gerade weil es so vertraut war, befällt mich wieder meine alte Skepsis. Ich sollte es besser wissen, aber ich kann nicht aus meiner Haut. Ich fahre an einem Kino vorbei und sehe dass jetzt gerade eine Vorstellung beginnt. Ich bitte den Taxifahrer anzuhalten, zahle und kaufe eine Karte für den Film. Welcher es ist weiß ich nicht, und es interessiert mich gar nicht weiter. Alles was ich jetzt brauche ist eine Ablenkung von den Gedanken, die in meinem Kopf herumgeistern.
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Ich bin allein und es stört mich nicht. In der Pause gehe ich nach draußen und rauche eine. Gegenüber von mir steht ein hübscher Mann und sucht in seinen Taschen nach einem Feuerzeug. Ich trete an ihn heran und gebe ihm mit einem Lächeln Feuer. Es sollte kein Flirten sein, es kam ganz von allein. Er lächelt zurück und zieht tief an seiner Zigarette ohne den Blick von mir zu lassen. "Wie gefällt dir der Film?", fragt er. "Ich hasse Small Talk", meine ich nur und lächle weiter. "Die Dialoge sind ja gar nicht so schlecht", antwortet er und hebt am Ende des Satzes seine Stimme. Es klingt wie eine Frage, nicht bestimmt, nur vorsichtig. Er hat mich falsch verstanden, ganz falsch. In Gedanken schweife ich ab und denke an mein erstes Treffen mit ihm, dem an den ich gerade jetzt nicht denken wollte.
Ich war betrunken, er war betrunken, es war in einem Club und es war schon früh. Wir tanzten auf den Tischen, einfach weil wir nichts Besseres zu tun hatten. Irgendwann setzte ich mich kurz hin um eine zu rauchen, und bevor ich mein Zippo hervorkramen konnte hatte er mir schon ausgeholfen. Ich wusste wer er war, vom Sehen kannte man sich eben. Ich wusste auch dass er gerne aufriss, und ich hoffte dass er es nicht auch bei mir versuchen wollte. Ich langweilte mich auch so genug. Er konnte es nicht lassen. Ein Grinser hier, ein Lächeln da, und seine Absichten waren klar. "Was spielen sie da?" fragte er mit Blick auf den DJ. "Das trunkene Lied", sagte ich und kippte zum Beweis meinen Drink hinunter.
"Die Nacht ist eben tief", meinte er und sah mir in die Augen, und sein Ausdruck hatte sich geändert. Dafür dass er mein Lieblingsgedicht verstand wollte ich ihm danken, und ich nahm ihn mit nach Hause. Dort nahmen wir uns die Ewigkeit die wir brauchten.
Er hatte mich verstanden, damals und in jeder meiner Launen die andere niemals begriffen.
Die Schlange von Menschen, die sich wieder ins Kino quetschen holt mich wieder in die Gegenwart zurück. Ich schließe mich ihnen an, setze mich brav hin und bin den ganzen restlichen Film über seltsam ruhig.
Ich bin wie ein trockener Alkoholiker der seinem alten Laster wieder verfällt. Ich schlug mich immer gern mit meinen Dämonen herum, das war unser gemeinsames Hobby. So wie anderer Pärchen in die Oper gehen oder spazieren, so sinnierten wir über die Sinnlosigkeit unseres Daseins, und wenn wir morgens nach Hause gingen hatten alle Ereignisse der Nacht keine Spuren an uns hinterlassen. Dann war sie weg, ging fort nach Paris, und allein machte das alles keinen Spaß mehr. Und gerade als ich mein Lebensmodell überdenken wollte taucht sie wieder auf. Ungefragt, selbstverständlich, so wie gestern abend alles selbstverständlich war. Ich bin rückfällig geworden, ich hatte auch keine Wahl. Wir machten da weiter wo wir aufgehört hatten vor dieser langen Zeit, und es fühlte sich alles richtig an. Heute ist alles falsch, und so gern ich sie habe, wir hängen zusammen mit unseren Fesseln an einem Punkt fest, der seinen Reiz verloren hat. Ich will sehen ob ich mich losreißen kann, und wenn sie mitkommen will bleibt die Hoffnung bestehen, irgendwann mit ihr im Garten zu sitzen bei Kaffee und Kuchen und den Kindern und dem Hund um uns herum.
Ich tanze mir die Nächte um die Ohren. Die Musik ist zu gut um still stehen zu bleiben. Ich kann endlich den Blödsinn vergessen mit dem ich mich momentan viel zu viel beschäftige. Mein alter Hedonismus erobert sich sein Terrain zurück. Gut so. Es geht weiter, und ich weiß nicht wohin. Es kümmert mich nicht. Es kann mir nichts geschehen. Meine Welt sorgt für mich. Ich habe keine Angst mehr. Irgendjemand da oben hat noch etwas vor mit mir, und was es auch ist, es soll mir recht sein.