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Praktikanten

Rache ist süß

Ein halbes Jahr Praktikum für 375 Euro im Monat – danach hat eine junge Frau ihre Firma mit Erfolg verklagt. Was rät sie anderen Praktikanten?

Sechs Monate lang hat Frau H. in einer Event-Agentur Messen organisiert, Stände aufgebaut, Konzepte entwickelt. Ihr Traumjob – - aber leider nur ein Praktikum. 

Nachdem der Vertrag nicht wie versprochen in eine richtige Stelle umgewandelt wurde, hat H. ihre ehemalige Firma verklagt und vom Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Recht bekommen. Nun erhält sie rückwirkend einen Monatslohn von 1.500 Euro.

Warum hat H. sich überhaupt ein halbes Jahr lang ausnutzen lassen? Und was rät sie Praktikanten, die in einer ähnlichen Lage sind?

M. H. : Ich habe Innenarchitektur an der Fachhochschule Detmold studiert, und mein Studium mit 1,0 abgeschlossen. Ende 2005 habe ich mich bei einem deutschen Fachverlag für Innenarchitektur beworben. Dieser Verlag hat eine Tochterfirma, die für das Eventmanagement zuständig ist: Lesereisen, Architekturpreise, Workshops...

Zuender : ... doch aus der ersten Stelle nach dem Studim wurde ein Praktikum.

M. H. : Mir wurde eine Festanstellung in Aussicht gestellt, zuerst müsste ich allerdings ein Praktikum absolvieren. Im Vertrag standen vage Formulierungen wie "betriebsübliche Arbeitszeiten". Aber niemand konnte mir sagen, was betriebsüblich eigentlich bedeutet.

Nur beim Geld waren die Vereinbarungen präzise: 375 Euro oder der Verlag würde eben einen anderen Bewerber einstellen. Der Betrag liegt unter der gesetzlichen Verdienstgrenze von 400 Euro – so kann man beim Arbeitsamt zusätzlich Hartz IV beantragen und daraus seinen Lebensunterhalt bestreiten.

Zuender : Warum lässt man sich auf so etwas ein?

M. H. : Ich dachte mir, mit der Aussicht auf eine Festanstellung könnte ich das mal probieren. Für ein halbes Jahr kann ich doch noch einmal den Popo zusammenkneifen und die schmale Kante weiterleben – so ähnlich. Wer vorher nur BAföG hatte, kommt auch mit 375 Euro irgendwie klar.

Es gibt eben nur diesen einen Fachverlag in Deutschland. Ich stand vor der Frage, während eines schlecht bezahlten Praktikums wenigstens Erfahrung sammeln zu können, oder gar keine Stelle zu haben.

Zuender : Wie gestaltete sich der Praktikantenalltag?

M. H. : Ich betreute Projekte, die ich komplett eigenverantwortlich abzuarbeiten hatte: Konzept, Abendgala, Pressemitteilungen, Flüge und Hotels buchen.

Einmal habe ich zum Beispiel eine Roadshow begleitet. Dafür bin ich morgens um sechs mit dem Transporter losgefahren. Kurz vor der Veranstaltung bin ich auf dem Klo ins Kostüm gesprungen, habe Schminke aufgelegt und die Gäste empfangen. Abends habe ich wieder die Sicherheitsschuhe angezogen, die Ausstellung abgebaut und in den Transporter verladen. Danach vielleicht drei Stunden Schlaf.

Zuender : Sechs Monate lang?

M. H. : Der Job war richtig toll, eigentlich mein Traumjob. Und der Praktikumsvertrag war ja befristet. Außerdem waren fast alle Mitarbeiter der Firma Praktikanten – die Projektleiter hatten in der Regel zwei oder drei, die ihnen zuarbeiteten. Anders wären viele Projekte überhaupt nicht zu stemmen gewesen. Ich habe das Problem bis in höchste Firmenkreise angesprochen und gesagt: Leute, so geht das nicht.

Zuender : Wie lautete die Antwort?

M. H. : Das steht wörtlich in der Urteilsverkündigung: "Man findet immer wieder einen Dummen, der sich darauf einlässt."

Zuender : Spätestens da wäre es Zeit gewesen, zu gehen.

M. H. : Meine Schmerzgrenze war erreicht, als ich nach fünf Monaten erfuhr, dass Praktikanten prinzipiell kein Arbeitszeugnis bekämen. Außerdem wurde mir zwar ein Job angeboten, allerdings nur in einer kleinen Zweigstelle. Da entschied ich mich, zu klagen.

Zuender : Ein Tipp für die Generation Praktikum: Wie gewinnt man so einen Prozess?

M. H. : Ich hatte Glück, dass ich mir jeden Tag eine To-Do-Liste geschrieben habe, um den Überblick zu behalten und mich gegen Mobbing zu schützen. Dieser Schmierblattsammlung hat nach sechs Monaten einen ganzen Leitz-Ordner gefüllt und als Tätigkeitsnachweis vor Gericht gedient.

Außerdem würde ich allen raten, die eigenen Aufgaben trotz aller Widrigkeiten möglichst gut und akkurat abzuarbeiten und mit Engagement dranzubleiben. So kann einem hinterher niemand etwas vorwerfen.

Zuender : Wie sollte ein gutes Praktikum verlaufen?

M. H. : Jeder Praktikant sollte im Unternehmen einen Ansprechpartner haben. Und ein Praktikum ist dazu da, Fähigkeiten zu lernen die in der Ausbildung oder im Studium nicht vermittelt werden, die im Berufsalltag aber notwendig sind.

Zuender : Heißt das, dass Praktikanten keine Verantwortung bekommen sollten?

M. H. : Nein, kritisch wird es erst, wenn eine Arbeitstelle als Praktikum getarnt wird. Viele Unternehmer demotivieren unser Fachkräfte auf diese Weise, während die Politiker über Fachkräftemangel jammern.

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Sascha Lobo und Holm Friebe pfeifen auf die Festanstellung (Archiv 2006) Startseite – Zuender. Das Netzmagazin >


 
 



 

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