Eine junge Mutter starb durch einen Holzklotz, der von einer Brücke geworfen wurde. Journalisten und Psychologen suchen nach dem Sinn der Tat. Sie sollten aufhören
Ein Kommentar von Carsten Lißmann
Es gibt Momente, da will man doch an Gott glauben. An so etwas wie Schicksal. Oder an einen Holzklotz.
Stell dir das vor: Du fährst mit Mann und Kindern, einfach deinem ganzen kleinen Leben, über die Autobahn. Plötzlich kracht etwas vom Himmel und du bist tot.
Statistik, sagte mein Freund Alex am Telefon. Das passiert einmal alle Millionen Jahre. Wahrscheinlich hat er Recht und eigentlich könnten wir an dieser Stelle aufhören, nachzudenken.
Aber drehen wir die Geschichte einmal um. Stell dir vor, du bist jung und stehst mit deinen Freunden auf einer Brücke. Plötzlich schleppt einer einen Holzklotz an und drückt ihn in deine Finger. Du siehst zwei leuchtende Punkte, die unten auf der Fahrbahn heranrasen, und lässt einfach los. Plötzlich ist dein Leben vorbei.
(Das Gedankenexperiment setzt voraus, dass der Verdacht der Oldenburger Polizei sich bestätigt und der Junge und das Mädchen auf dem Phantombild tatsächlich die Täter sind.)
Von dir wollen jetzt alle nur das Eine wissen: Was, zum Henker, hast du dir dabei gedacht? Was ging in diesem Moment durch deinen Kopf?
Und du musst ihnen sagen: Gar nichts. Vielleicht war es Gott, der deine Hände lenkte. Das Schicksal. Oder der Holzklotz. Ein Bruchteil einer Sekunde, in dem du ganz leer im Kopf warst. Dann bist du gerannt.
Preisfrage: War der Brückenwurf Mord? Allenfalls Totschlag im juristischen Sinne, schon klar. Aber war
es das wirklich
?
Oder war es einer jener idiotischen Momente, die millionenfach vorkommen, jeden Tag? Die einmal in Millionen Jahren so ausgehen wie diese Geschichte? Wer will das bewerten? Und wer von uns kann ehrlich zu sich selbst sein und dennoch behaupten: Mir wäre das niemals passiert.
Der Schriftsteller Aldous Huxley hat einmal gesagt: Das Problem an Romanen ist, dass sie zu viel Sinn ergeben. Die Wirklichkeit ergibt nie einen Sinn.