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Schönheit

"Ich wünschte mein Po wäre dicker"

150 Kilo Selbstbewusstsein. Das Model Velvet d’Amour ist dick und gerade deswegen erfolgreich. Chris Köver sprach mit ihr über Hintern, Diäten und die Schönheit von Zwergen.

Als Velvet d’Amour im Oktober 2006 für den Stardesigner Jean-Paul Gaultier über einen Pariser Laufsteg schritt, klappte der versammelten Modewelt die Kinnlade herunter. Auf YouTube finden sich heute noch Dutzende Videos , die das Ereignis dokumentieren, selbst Zeitungen berichteten. Die Aufregung galt nicht etwa Gaultiers gewagter Bustier-Strapsen-Kombination, sondern der Frau, an der sie befestigt war: Velvet d’Amour, geboren in New York, heute Fotografin, Model und Schauspielerin in Paris, wiegt 150 Kilo. Das ist etwa so viel, wie Eva Padberg, Giselle Bündchen und Laetitia Casta zusammen.

Wie schaffte es eine solche Frau auf die Laufstege von Paris? Wie in die geheiligte französische Vogue? Wie kam sie an die Hauptrolle in einem Film , der in Cannes gezeigt wird? Wer in d’Amours Portofolio stöbert, findet ein Foto, auf dem sie ein enges T-Shirt trägt. Die Aufschrift: "I love me!". Man ahnt, diese Frau hat nicht nur einen Hintern in der Hose. Sie versteht es auch, ihn zu inszenieren.

Frau d’Amour, finden Sie Ihren Körper schön?

Ja, aber wenn ich sage, dass ich schön bin, denke ich dabei nicht nur an meinen Körper. Gut und freundlich zu sein, macht einen ungleich schöner als ein attraktiver Körper.

Galerie: Mehr Bilder von Velvet D'Amour

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Ihren Körper zeigen?

Stolz. Ich bekomme so viel positive Rückmeldung von Frauen, denen es hilft, dass ich öffentlich auftrete – es wäre fast egoistisch, es nicht zu tun.

Macht sich auch mal jemand über Sie lustig?

Natürlich nehmen einige Menschen meinen Körper als Witz wahr. Aber das liegt nur daran, dass man selten Menschen mit meiner Figur in der Öffentlichkeit sieht. Ich könnte viel mehr arbeiten, aber ich würde niemals ein Angebot annehmen, das sich über Dicke lustig macht oder sie abwertet.

Viele Frauen pflegen eine Feindschaft mit bestimmten Teilen ihres Körpers. Mögen Sie alles an sich?

Einigen Menschen jagen meine Hüften regelrecht Angst ein, aber ich finde sie großartig. Sie lassen meine Taille dünner aussehen und sind Ausdruck meiner Weiblichkeit. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, wäre es ein dickerer Po. Ich mag meinen Po, aber alle wollen doch gerade so einen J-Lo-Hintern .

John Galliano und Jean-Paul Gaultier sind gerade aufgrund ihres Übergewichts auf sie aufmerksam geworden. Haben sie Angst davor, abzunehmen?

(Lacht) Ich wiege 300 Pfund, selbst wenn ich 50 abnehmen würde, würde ich noch als dick durchgehen. Ich möchte einfach gesund leben. Wie ich dann aussehe, ist mir egal.

Sie waren nicht immer so dick. Ihre Karriere haben sie mit zwanzig Jahren als dünnes Model begonnen.

Ich habe es nie geschafft, mich auf weniger als 117 Pfund runterzuhungern. In der Modewelt der frühen Neunziger galt das nicht als dünn. Das war für mich sehr frustrierend. Ich hatte vorher 140 Pfund gewogen und mich mit 500 Kalorien am Tag runtergehungert. Ich war wahninnig stolz darauf, mit einem Glas Wasser am Tag auszukommen. Aber natürlich schaffte ich es nicht, so dünn zu bleiben. Mein Stoffwechsel war von den Appetitzüglern völlig durcheinander. Als ich dann wieder anfing zu essen, nahm ich sehr schnell zu – bis zu dem Punkt, wo ich heute bin.

Wie haben Sie danach gelernt, Ihren Körper zu lieben?

Unter anderem im Museum. Dort sieht man die unterschiedlichen Schönheitsideale verschiedener Epochen: Flachbrüstige Flapper , Frauen mit breiten Hüften in der rubenesken Phase. Man merkt dann, dass jede Periode ihr eigenes, konstruiertes Schönheitsideal hat.

Sie haben aber nun gerade das Pech, in einer Periode zu leben, in der ihr Körper nicht dem Ideal entspricht.

Trotzdem war das für mich eine befreiende Erkenntnis. Ich sagte mir: Ich werde meinen Körper nicht verabscheuen, bloß weil er momentan nicht angesagt ist. Im Gegenteil: Ich werde ihn feiern.

Meine Arbeit als Fotografin hat auch eine Rolle gespielt. Ich habe viele Models kennen gelernt, deren Körper dem Ideal entsprach und die ihn trotzdem nicht mochten. Ich dachte mir: Wenn selbst diese Frauen unzufrieden sind, wieso sollte ich überhaupt noch danach streben, dünn zu sein? Mir wurde klar, dass mein Leben nicht glücklicher wäre, wenn ich einen geringeren Taillenumfang hätte. Ich beschloss dann in eine andere Richtung zu arbeiten: dafür, dass Schönheit anders aufgefasst wird.

Glauben Sie, dass Sie mit Ihrer Arbeit als Model und Schauspielerin das geltende Schönheitsideal für Frauen verändern können?

Ich glaube, dass Schönheit – ebenso wie Humor – etwas ist, dass man lernt und dass die Medien dabei eine entscheidende Rolle spielen. Sie sagen uns, dass es in Ordnung ist, über Dicke zu lachen, so wie es früher in Ordnung war, über Blackface zu lachen. Heute ist es nicht mehr okay, wenn Weiße sich über Schwarze lustig machen. Ebenso können Dicke dafür sorgen, dass sie respektiert werden. Als Aktivistin in der Fat-Community will ich dazu meinen Teil beitragen, indem ich meinen Körper zeige. Und die Medien haben einfach den größten Einfluss in dieser Hinsicht.

Sind Sie eine politische Aktivistin?

Ja. Ich frage mich, warum wir Schönheit nicht auch in dicken oder alten Menschen sehen können, bei Menschen mit verschiedener Hautfarbe. Ich bin nicht dick geworden, weil ich mir eines Tages gesagt habe: Ich will jetzt faul und fett werden. Wie viele andere bin ich gerade deswegen dick geworden, weil ich nach einem perfekten Körper strebte: Jojo-Diäten, Appetitzügler, je mehr ich mich anstrengte, umso mehr revoltierte mein Körper dagegen. Unsere Schönheitsideale führen nur zu Leid. Deswegen will ich etwas dagegen tun.

Ich bin nicht egozentrisch genug, um zu glauben, dass ich alleine das Ideal verändern werde, aber ich tue, was ich kann. Schon jetzt habe ich mehr erreicht, als ich je für möglich gehalten hätte: ich war in der Vogue, in wichtigen Schauen in Paris, beim Filmfestival in Cannes. Die Resonanz, wenn ich den Laufsteg betrete, ist enorm. Die Menschen in der Modeindustrie bekommen jeden Tag dieselben dünnen Körper präsentiert und hungern nach Abwechslung. Aber so ein Wandel ist schwer, es braucht schon jemanden wie John Galliano oder Jean-Paul Gaultier, um etwas zu bewirken.

Lange dünne Models sehen für uns einfach aus geometrischen Gründen ästhetischer aus. Was halten Sie von der These?

Das ist Quatsch. Ich garantiere ihnen, wenn wir ab morgen plötzlich auf allen Plakaten, in allen Zeitschriften und Fernsehsendungen nur noch Zwerge sehen würden, wäre nichts attraktiver für uns als ein Zwerg.

Glauben sie, die Modeindustrie hat eine Verantwortung, ein gesünderes Schönheitsideal zu etablieren?

Auch ich wünsche mir mehr Vielfalt auf den Laufstegen, aber ein Dünne-Model-Verbot fände ich verlogen. Es geht doch darum, allen möglichen Arten von Schönheit Raum zu schaffen, dazu gehören dicke und ältere Frauen ebenso wie sehr dünne. Und wieso sollen ausgerechnet Models auf den Laufstegen für das Selbstbewusstsein der Frauen dieser Welt verantwortlich sein, während Frauenzeitschriften und alle anderen Medien weiterhin nur Superschlanke zeigen? Eine Dreizehnjährige wird bei einem Besuch beim Zahnarzt wesentlich stärker mit Schlankheitswahn konfrontiert als durch Modeschauen.

Dann müssten also auch die Zeitschriften und die Filmindustrie dazu gezwungen werden, eine größere Vielfalt zu zeigen.

Ja, sie könnten das tun. Aber sie haben Angst, weil sie zu abhängig von Werbeeinnahmen sind. Die Schönheitsindustrie will junge, schlanke Models.

Wie war es für Sie, in den Schauen mit all den sehr jungen und dünnen Models zusammen zu arbeiten?

Es hat Spaß gemacht. Als Fotografin bin ich es gewohnt, mit dünnen Siebzehnjährigen zu arbeiten, sie schüchtern mich nicht ein. Ich fühle mich schön, so wie ich bin, also bekomme ich auch keine Komplexe, wenn ich mit diesen Frauen zusammen bin.

Das Modelabel Nolita zeigte im vergangenen Jahr die magersüchtige Franzosin Isabelle Caro aus Plakaten und Zeitschriften und schrieb "No Anorexia" darüber. Was halten Sie von dieser Kampagne ?

Ich finde sie gut. Viele kritisierten, Nolita würde das Thema ausbeuten und diese Frau benutzen. Aber in den Interviews klang es nicht, als fühlte sie sich ausgebeutet. Wenn jemand mit einem "anderen" Körper gezeigt wird, kommt schnell der Vorwurf, er oder sie werde ausgebeutet. Aber wenn man sich die Menschen anhört, kommt häufig heraus, dass sie aus freien Stücken und gerne dabei sind.

Haben Sie sich je gefragt, ob Designer Sie in ihren Schauen als politisches Statement instrumentalisieren? John Galliano und Jean Paul Gaultier haben nach oder vor ihnen keine anderen Models gebucht, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen.

Gaultier und Galliano haben überhaupt kein Interesse daran, politisch korrekt zu sein. Für sie war es eher ein Risiko, mich in der Schau zu haben: Ihre Kundinnen sind vor allem ältere Society-Damen und für die war ich sicher ein Schock.

Bitte verraten sie uns zum Schluss noch das Geheimnis Ihres Erfolges.

Mein Selbstbewusstsein und meine Persönlichkeit spielen sicher eine wichtige Rolle: Ich bin anders und ich gefalle mir so. Es gibt viele Menschen, die 300 Pfund wiegen, also kann es nicht nur an meinem fantastischen Körper liegen (lacht).

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