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Senegal

Die Teilzeitfrauen

Heiraten bedeutet für senegalesische Frauen nicht unbedingt traute Zweisamkeit. Denn oft sind sie nur Ehefrau Nummer zwei, drei oder vier.

Boubacar erzählt die Geschichte über den Taxifahrer, der ihn am Abend nach Hause gefahren hatte. Der Mann war todmüde und wollte gleich Feierabend machen – nur darauf freuen konnte er sich nicht. Daheim wartete nämlich seine Frau auf ihn. Mit Kerzenschein und allem, was dazu gehört. Der Fahrer verzog das Gesicht zu einer leidvollen Miene. Den Vorabend hatte er nämlich auch mit einer Frau verbracht, seiner Zweitgattin.

Die Geschichte des Taxifahrers ist nicht außergewöhnlich. Im Senegal ist die Polygamie verbreitet – und für viele Frauen ist die Entscheidung, Zweitgattin zu werden, der einzige Weg, sich zu verheiraten.

Auf den ersten Blick scheint das paradox: Die senegalesischen Frauen sind erstaunlich unabhängig und selbstständig, gerade im Vergleich zu ihren Nachbarinnen in anderen westafrikanischen Gesellschaften. Sie verdienen ihr eigenes Geld, engagieren sich in der Politik und arbeiten in den Medien. Die senegalesische Tagesschau wird jeden zweiten Abend von einer Frau moderiert.

Wer am Wochenende in Dakar ausgeht, kann beobachten, wie selbstbewusst sich die gut betuchten jungen Frauen der Hauptstadt amüsieren. Tief dekolletiert und mit teurem Schmuck behangen, unterscheidet sich sie sich nicht sonderlich von europäischen Nachtschwärmerinnen.

Seit Kurzem gibt es sogar eine Handvoll Taxifahrerinnen in Dakar, die so genannten Taxi Sisters . Auch bei der Polizei werden inzwischen Frauen ausgebildet. Senegalesinnen haben in der Region den Ruf, selbstbewusst und anspruchsvoll zu sein. Zugleich ist es aber für Frauen im Senegal ungemein wichtig, zu heiraten und damit ihren gesellschaftlichen Status von der Mademoiselle zur Madame aufzuwerten.

Diese Ehe bedeutet nicht selbstverständlich traute Zweisamkeit, denn Männer dürfen nach islamischem Recht polygam leben. Diese Praxis wird vom bürgerlichen Gesetzbuch lediglich auf höchstens vier Ehefrauen beschränkt. Das senegalesische Statistikamt schätzt, dass die Hälfte aller verheirateten Frauen in polygamen Verhältnissen lebt. Ihre Zahl ist in den ländlichen Gebieten höher als in urbanen Zentren, und insgesamt ist die Zahl der Vielehen in den letzten Jahren zurückgegangen. Dennoch wird Polygamie von der Mehrheit der Bevölkerung zumindest geduldet, wenn nicht sogar befürwortet. Daran können auch die Proteste von Frauengruppen oder einzelnen Intellektuellen nichts ändern. Woran liegt das?

Eine Erklärung findet sich in der Strenggläubigkeit der senegalesischen Muslime, die knapp 95 Prozent der Bevölkerung ausmachen. „Der Koran erlaubt es uns“ ist eine häufig gehörte Erklärung. Zugleich ist die Gesellschaft im Senegal stark patriarchalisch geprägt. Als Gast in einer Familie kann man etwa beobachten, dass die Frau – egal wie modern sie sich im Berufsleben gibt – sich nicht an den Tisch setzt, bevor Männer und Kinder gegessen haben. Ist die Mutter nicht da, werden Botengänge und Hausarbeit auf die Töchter übertragen. Fragt man, ob denn alle Kinder im Haushalt helfen, beginnen die Eltern zu lachen: „Ach, die Jungs wollen sich doch nur amüsieren.“

Warum aber sind so viele junge Frauen im Senegal dazu bereit, ihren Mann mit einer anderen Frau zu teilen? Über dieses Thema diskutieren sie gern. Vor allem mit ahnungslosen Europäern.

Aminata ist vor kurzem 30 Jahre alt geworden und befürchtet, dass sie als Zweitfrau enden wird. Sie arbeitet als Sekretärin in einem Büro und verdient ihr eigenes Geld. Trotzdem drängt ihre Familie sie, bald zu heiraten. Aminata erzählt von ihrer Cousine, die im Alter von 35 Jahren die Hoffnung auf eine monogame Ehe aufgegeben hat. Sie lebt jetzt als Zweitfrau eines sehr wohlhabenden Mannes ein zufriedenes Leben, arbeitet nach wie vor und hat sich daran gewöhnt, ihren Gatten mit einer anderen Frau zu teilen.

„Die Männer im Senegal gehen ohnehin alle fremd“, sagt Aminata. Da sei es doch besser, sie würde die anderen Frauen ihres Mannes kennen, und er hätte keine Zeit mehr, sich herumtreiben. Für sie kommt es, wie für viele andere, vor allem auf die Umstände der Ehe an: „Zweitfrau sein? Nur mit einem eigenen Haus!“, sagt sie.

Denn oft verstehen sich die Frauen untereinander nicht gut. Ein eigenes Haus bedeutet also Unabhängigkeit, denn gerade die Zweitfrau muss sich ihren Status im Haushalt oft schwer erkämpfen. Ist die häusliche Konkurrenz zu groß, wird oft ein islamischer Geistlicher, der sogenannte Marabou, zur Hilfe geholt. Gegen Bezahlung verspricht er der eifersüchtigen Erst- oder Zweitfrau, durch seinen direkten Draht zu Gott dafür zu sorgen, dass ihr Mann sie am meisten liebt. Es gibt aber auch polygame Haushalte, in denen das Ideal einer einzigen großen Familie zu funktionieren scheint. „Wir waren zu Hause alle Geschwister und unsere Mütter wie Schwestern füreinander“, sagt eine ältere Dame.

Und was sagen die Männer? Der 25-jährige Computerexperte Mamadou kommt ursprünglich aus Mali und möchte es in der senegalesischen Arbeitswelt noch weit bringen. Er hat sich genau überlegt, wie er es mit der Polygamie halten wird. „Ich will nur eine einzige Frau, aber ich unterschreibe nicht den Vertrag der Monogamie“, sagt er. Auf dem Standesamt müssen sich Mann und Frau nämlich für eine Form der Ehe entscheiden – und diese Wahl gilt dann für das ganze Leben.

Mamadous Strategie ist folgende: Er möchte eigentlich nur eine Frau heiraten. Aber wenn diese keine Konkurrenz fürchten muss, kümmert sie sich nach einer Weile nicht mehr um ihren Ehemann, so seine Befürchtung. Die Drohung mit der Zweitfrau dient Mamadou als Versicherung für die ehelichen Pflichten. Das klingt für europäische Ohren nach Machoallüren, Mamadou nennt es lächelnd eine Vorsichtsmaßnahme.

Freilich liegt die Freiheit der Entscheidung stets beim Mann. Entscheidet der sich für die Polygamie, hilft der Frau auch ihr Wunsch nach Monogamie nicht viel. Und die Frage, ob es nicht gerecht wäre, wenn auch Frauen mehrere Männer haben dürften, stößt immer auf Unverständnis: „Eine Frau lässt sich nicht teilen.“

Boubacar, der die Geschichte vom Taxifahrer erzählt hat, ist bereits glücklich verheiratet und will abwarten, was die Zukunft bringt. Er ist ein höflicher und stiller Mann Mitte 30, der die Frauen im Büro mit seinem Charme betört und immer ein Lächeln für seine Kollegen übrig hat.

Ja, man könne als Mann mehrere Frauen gleichzeitig und zu gleichen Teilen lieben, sagt er. Wenn er sich also noch einmal verliebt und es seine finanzielle Situation erlaubt, würde er die zweite Frau seines Herzens auch gerne heiraten.

Seine erste Frau wäre damit einverstanden, da ist er sich sicher. Denn in weiten Teilen der Gesellschaft ist es nach wie vor hoch angesehen, Teil eines polygamen Haushaltes zu sein. Die Anzahl der Frauen im Haushalt ist immer auch ein Indiz für den Wohlstand des Mannes.

Allerdings erzählt auch Boubacar, dass polygame Ehen seltener werden. Für seine Eltern war es noch völlig klar: Ein Haushalt mit einem Mann und mehreren Frauen ist die beste Form der Ehe. Heute ist die finanzielle Situation gerade für junge Männer schwieriger: Die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung in Dakar verdient weniger als 60 Euro im Monat. Und die Frauen erwarten sehr viel von einer Heirat, sowohl materiell als auch emotional. Herz-Kreislaufprobleme sind die zweithäufigste Todesursache im Senegal.


 
 



 

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