Flüchtlinge
Birmas schwarze Zonen
TEIL 2
In Birma herrscht Bürgerkrieg. Wer kämpft dort gegen wen?
Die Karen zum Beispiel haben noch aus der Zeit des zweiten Weltkrieges einen Ruf als Guerilla-Kämpfer. Jede Minderheit hat begonnen, sich selbst zu schützen und alle haben eigene Armeen gebildet. Weil die Militärjunta versucht, deren Führer mit Macht und Geld zu ködern, sind überall weitere Armeen entstanden, die nun wiederum mit dem Regime kooperieren. In Kayin, wo die Karen leben, gibt es zum Beispiel die
Karen National Liberation Army (KNLA)
und die
Democratic Karen Budhist Army (DKBA)
, die sich gegenseitig bekämpfen. Darauf können die Generäle verweisen, wenn sie kritisiert werden. Sie selbst stehen mit reiner Weste da.
Die Junta verfolgt eine Politik der vier Schnitte: Die Minderheiten sollen von der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Medizin und Bildung abgeschnitten werden und sie sollen sich nicht organisieren können. „Divide and Rule“ lautet die Parole.
Wirkt diese Strategie auch außerhalb des Militärischen? Die Karen sind mehrheitlich Christen, während 90 Prozent der Einwohner von Birma Buddhisten sind.
Die Religion wird vorgeschoben. Wir erleben tagtäglich in unseren Schulen, dass die verschiedenen Konfessionen friedlich miteinander leben. Dort sitzen Kinder von Christen und Buddhisten in der gleichen Klasse, selbst Kinder, deren Eltern in der
KNLA
oder der
DKBA
sind. Sie feiern zusammen Weihnachten ebenso wie den heutigen Vollmond.
Würde sich die Situation der Menschen verbessern, wenn die momentanen Proteste Erfolg hätten?
In Birma leben die Menschen seit 1962 in Unterdrückung. Birma war von jeher ein Vielvölkerstaat, es hat immer schon Konflikte gegeben. Die Minderheiten arbeiten politisch zwar zusammen. Aber wie die vielen verschiedenen Interessen am Ende zusammenfinden könnten, ist schwer zu sagen. Birma hat Bodenschätze, das provoziert natürlich viele Arten von Konflikten.
Es hinge davon ab, wer am Ende die Regierung stellen könnte.
Aung San Suu Kyi
wäre in der Lage, das Land zumindest als Symbolfigur zu einen. Ich persönlich glaube, dass es eine Übergangsphase gäbe, in der auf jeden Fall weiter gekämpft würde.
Was, wenn das Regime die Oberhand behält?
Im Moment herrscht in den Minderheitengebieten Ruhe. Die Militärs konzentrieren all ihre Kräfte auf den Machterhalt. Sollte die Junta doch noch einmal die Kontrolle gewinnen, befürchte ich für die Minderheiten und das ganze Land Schlimmes. Dann müssen wir uns darauf vorbereiten, dass noch einmal sehr viel mehr Flüchtlinge kommen werden.
Als Außenstehender kann ich nur meinen Eindruck widergeben, aber ich glaube, die Menschen sagen sich: Dieses Mal nimmt der Protest kein Ende. Der Moment ist günstig, die Protestierenden haben sich gut organisiert, die Olympischen Spiele in Peking stehen bevor. China, bisher immer der große Bruder der Generäle, kann sich kein Blutvergießen in der unmittelbaren Nachbarschaft leisten. Manche hier hoffen darauf, dass die westlichen Länder mit einem Olympia-Boykott drohen.
Die Fragen stellte Carsten Lißmann