//Zitate-Blog//

Zitat des Tages

Es wird viel gesagt, wenn der Tag lang ist. Und es gibt viele lange Tage »

 

//Kochblog//

Rezeptor

Unser Topf soll schöner werden? Das Zuender-Kochblog hilft »

 

//Spielen//

Wir wollen Spaß

Kommt ins Bälleparadies – alle Spiele vom Zuender gibt es hier »

 

//Newsletter//

Post von Zuenders

Was gibt es neues aus der Redaktion? Unser Newsletter informiert Dich an jedem ersten Donnerstag im Monat. Hier anmelden »

 
//ZUENDER//

Clubs und Behörden

Bitte leise tanzen!

Hamburg profitiert von seiner Clubkultur. Doch die Behörden sehen Pudel, Hafenklang und Co. oft eher als Problem.

Hamburg-St. Pauli, Ende Juli diesen Jahres. Mit Unterstützung der Hamburger Kulturbehörde feierte der Golden Pudel Club seine neue Außenfläche. Der Headliner des Abends, die Goldenen Zitronen, kamen allerdings auf leisen Sohlen, denn noch wenige Wochen zuvor war der erste Versuch gescheitert, als um kurz nach 19 Uhr die Polizei anrückte und um Ruhe bat. Rücksichtvoll zog man sich also die ausgelegten Filzpantoffeln über und beging eine Gala der Lautlosigkeit, wie Zitronen-Sänger George Kamerun es ausdrückte. Was bleibt? Das wohl leiseste Goldene Zitronen-Konzert aller Zeiten. Und die Frage, wie die Hamburger Behörden mit der Clubkultur der Stadt umgehen.

Laut war es an Fischmarkt und Hafenstrasse schon immer. In den 80er Jahren sammelte sich hier der Widerstand gegen Bourgeoisie und Staat, benachbart von barbusigen Damen und allerlei halbseidenen Figuren. „Der stetige Lärmpegel zehrt an der Nerven der Anwohner“ sagt Rainer Doleschall vom Bezirksamt Altona. Viele, die sich von der prominenten Lage locken ließen, wüssten nicht, worauf sie sich einließen. Jörg Rebel, Sachverständiger für nautischen Umweltschutz, vermaß schon vor Jahren die Wirkung von Hafenlärm auf den menschlichen Organismus. Geräusche, die unterhalb der akustischen Wahrnehmung des menschlichen Ohres lägen, führten demnach häufig zu Ohrendruck, Angstgefühlen, Übelkeit. Ein Biotop für Stress und Beschwerden.

Kulturproduzenten bleibt da meist nur, öffentliches Interesse zu reklamieren. Ein solches aber konnte das zuständige Bezirksamt Altona im Falle des erweiterten Pudel-Club nicht erkennen. So wurde die große Eröffnungsgala in Watte gepackt. Maximal 55 Dezibel durften es auf der neu angelegten Terasse sein. Ein Gockel in der Provinz darf lauter krähen. „Mir wurde erst jetzt klar, welch Gummi-Begriff sich dahinter verbirgt“, meint Rocko Schamoni, Wirt des Golden Pudel Club. „Nehmt doch nur mal all die großen Volksfeste, den Weltastratag, die Harley Days oder den Schlagermove. Öffentliches Interesse ist demnach, möglichst viel Geld, gelangweiltes Landvolk und jede Menge Bier durch Hamburg zu pumpen“, erregt er sich. „Lokale Kultur wird so unter den Teppich gekehrt; öffentliches Interesse negiert.“

In der Tat fanden das Motoradfestival Harley Days Unterstützung von ganz oben. Zwar hatte das Bezirksamt Mitte Veranstaltung untersagt, doch der Senat kippte den Entscheid. Die Begründung: Das Bikertreffen stütze Einzelhändler und Gastrogewerbe. So wand sich Mitte Juli wie jedes Jahr allerhand blendend-frisiertes Chrom ungedeckelt ums Heiligengeistfeld. „Es wäre ja auch unfair gewesen, von den vielen Großereignissen ausgerechnet dieses über die Klinge springen zu lassen“, sagt Sabine Dobbertin von den Harley Days.

Hingegen dünnt das Hamburger Club-Milieu sichtbar aus. Manch identitätsstiftender Subkultur-Umschlagplatz musste in den letzten Jahren weichen. So das Club-Quartett am Nobistor: Die Damp-Unternehmens-Gruppe, Eigentümer der dort angrenzenden Endo-Klinik, brachte sich mit einem millionenschweren Ausbau an die Spitze des europäischen Marktes – und Spielstätten wie Weltbühne, KdW, Click 808 und Echochamber auf die Straße. Kurz zuvor nur wurde der Mojo Club abgewickelt – nachdem die B & L Immobilien AG, als frischer Grundstückseigner, die ehemalige Kegelstätte zum Abriss freigab. Ein neuer Bürokomplex soll entstehen.

„Hamburg hat lange Zeit den Mehrwert seiner Musiklandschaft schlichtweg ignoriert“, meint Hennig Heuer, einer der Köpfe des Clubkombinats Hamburg. „Erst als nicht mehr nur das Indie-Milieu, sondern auch die großen der Zunft – wie der Musikkonzern Universal Music oder die Verbände der Schallplattenindustrie – Hamburg den Rücken kehrten, wurde man in den Gremien nervös.“

Neuster Hotspot in der Hansestadt ist das Übel & Gefährlich. Im Club im ehemaligen Flak-Bunker am Heiligengeistfeld ist Schauplatz für allerlei Indie-Kultur. Seine Stärke ist seine Unberechenbarkeit: Gleich ob Tocotronic, Dirk Bach, Abschaumpartys – zwischen Gedeih und Verderb findet sich hier Vieles. Doch selbst so lebt man nur von der Hand in den Mund, sagt Tino Hanekamp, der gemeinsam mit zwei Partnern den Club an der Feldstraße richtete.

„Meinen ersten Club, die Weltbühne, konnte ich nur starten, weil wir uns in eine Grauzone begaben, ein wenig tricksten. Alles, was die Stadt für Clubs tut, ist jährlich eine Prämie von 56.000 Euro auszuloben – und zwar für alle. Irrwitzige Auflagen und Repressalien erschweren uns die Arbeit. Gutes Beispiel: Das Plakatieren. Alle legalen Plakat-Flächen gehören einer Firma, die Geld will. Das ist so teuer, dass sich das niemand leisten kann. Man plakatiert also, weil man ja muss – und handelt damit illegal.“

Hamburg profitiert von seinen Szene-Kiezen. Galerien, Do-it-yourself-Boutiquen, Clubs sei Dank, sind frühere Problemviertel wie die Schanze und St.Pauli mittlerweile zu Hipster-Quartieren geworden. Wenn dann der Rahm abgeschöpft wird, bleibt für die Kleinen oft nur die Magermilch über: Die kleine Gaststätte Störtebeker ist so ein Beispiel, bereits seit Mitte der 1980er Jahre wird der Punktreff hauptsächlich durch Idealismus getragen. Der Laden steht auf tönernen Füßen. Große Teile der umgebenden Bernd-Nocht-Straße werden derzeit grundsaniert. Wie lange man da noch alternativ bleiben könne, wisse keiner so recht, meint David, Rapper, aus dem Umfeld des Clubs.

Ein ähnliches Bild zeichneten jüngst die Wirtschaftsprüfer von Birnkraut & Partner. Das Resümee ihrer Expertise zum Musikstandort St. Pauli: Clubfluktuation sei normal und den Trends geschuldet, nicht nur in Bezug auf die Musikstile, auch auf das Quartier. Dennoch sei das kulturelle Fundament auf St.Pauli nicht mehr selbstheilend. Dafür sei der externe Veränderungsdruck durch verschlingende Wohnbebauung und üppiger Mietsteigerungen zu groß.

Hat das Tiefschürfen Früchte getragen? Gehen die Behörden anders mit den Clubs um? Bodo Hafke vom Bezirksamt Mitte: „Wir sind ja schon froh, endlich alle Parteien um einen Tisch zu gruppieren. Miteinander reden, nicht mehr nur übereinander. Es geht darum, beide Interessen unter einen Hut zu bekommen: die der Anwohner und die der Clubbetreiber. Das ist eben nicht einfach.“

Nebenan, im Bezirk Altona, kennt man das Papier zum Musikstandort St. Pauli nur beim Namen. Auch wie man den Clubs unter die Arme greifen könnte, weiß man nicht so recht. Was auch daran liegen mag, dass hier weit weniger Clubs angesiedelt sind. Rainer Doleschall vom Bezirksamt: „Wir versuchen in erster Linie, zuzuhören. Und dann die Interessen möglichst fair zu tarieren. Das gilt für jeden Kulturproduzenten – auch wenn er mit den Rolling Stones kommt.“

Manchmal hat Behördenträgheit ja auch etwas Gutes. Steffen Voss, Betreiber des Grünen Jäger, hatte Glück. Vor einigen Jahren versuchte er, eine Diskothek zu eröffnen. „Noch bevor das Genehmigungsverfahren endlich beendet war, ging unser Immobilien-Investor pleite. Wir hätten uns eine böse blutende Nase zugezogen“, schmunzelt er.

Die Berliner Postille für elektronische Lebensaspekte, kurz De:Bug, empfahl in ihrer Jubiläums-Ausgabe kurzerhand, doch aus der Not eine Tugend zu machen: Clubs vertrügen es äußerst schlecht, alt zu werden. Nach spätestens vier Jahren finge das Personal an, in Adiletten herumzulaufen. Die Stammgäste richteten sich ungemütlich vor den Toiletten ein. Daher sei es ein Zeichen von Vitalität, wenn permanent Clubs abgewickelt würden. Sie wüchsen ja ohnehin dauernd nach.

Pete M. Kersten, Detroit-Techno-Produzent, sind Sorgen mit den Behörden eher fern. Es finde sich immer eine Nische, um seine Leidenschaft zu kultivieren. „Das Übel & Gefährlich, das Hafenklang-Exil, den Pudel. Sie alle stehen voll im Saft. Klar, die Behörden nerven. Aber Brandrodung? Ich habe gerade eher eine zu gute Zeit.“

Auch wichtig:

Sing mit uns - Singende Spitzenkandidaten, rappende Abgeordnete und tanzende Künstler im Dienste der Politik

Drüber reden? - Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin


 
 



 

//  Startseite //  // Politik // Kultur // Leben // Schwerpunkte // Bildergalerien //  // Adam Green // Redaktionsblog // Rezeptor // Markus Kavka // Selim Oezdogan // Sonntagstexte //  // Zitat des Tages // Spiele //  //
//  IMPRESSUM //

 

ZUM SEITENANFANG