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Gay Radar

Der Homo-Detektor

Kann man Homosexualität sehen? Klar, man muss nur aufmerksam sein. Glaubt Katharina Kehl


Beim sonntäglichen Flanieren mit Freunden fällt der Blick plötzlich auf zwei Frauen, die sich angeregt unterhalten. Und sich dabei einen Blick zuwerfen, der sofort Diskussionen auslöst. "Die sind lesbisch. Ich sag’s euch. " "Nee, glaub ich nicht...und außerdem: Woran siehst du das denn bitte?!"

Die auch unter Homosexuellen viel diskutierte Frage lautet: Kann man Homosexualität sehen? Oder vielmehr: Können Homosexuelle Homosexualität sehen?

In der Szene gibt es dafür den Begriff "Gaydar", den "Gay Radar". Dahinter steckt die Behauptung, Lesben und Schwule könnten ihresgleichen einfach so auf der Straße erkennen.

Natürlich gibt es da die altbekannten Klischees: Lesben haben kurze Haare. Tragen Ringe am Daumen und in der Ohrmuschel. Sie laufen am liebsten ungeschminkt und in maskulinen Klamotten herum und rasieren sich weder die Beine noch andere Körperregionen. Schwule hingegen bevorzugen rosa oder hellblaue Poloshirts und tragen akkurat gestutzte Bärtchen und Glatze.

Doch darum geht es beim Gaydar nicht, zumindest nicht primär. Kein Homosexueller scannt seine Umgebung ständig nach Frauen in Baggypants und Männern mit Brillanten im Ohr. Außerdem wären das ja alles Attribute, die auch jeder Hetero schnell und relativ einfach erkennen könnte.

Dass dies nicht der Fall ist, lässt sich aus den erstaunten Kommentaren heterosexueller Freunde erkennen: "Wie, du meinst die sind schwul? Die sehen doch gar nicht so aus!" Mal abgesehen davon , dass dieser Satz politisch hochgradig unkorrekt ist: Nein. Natürlich sehen sie nicht so aus. Sie verhalten sich aber so. Und so folgt oft relativ unmittelbar auf diese Feststellung der Beweis – in Form eines Kusses oder durch schlichtes Händchen halten.

Den Ausschlag für das Erkennen eines Homo-Pärchens gibt der Umgang der beiden miteinander. So einfach ist das nämlich. Da gibt es dann unzweifelhafte Hinweise darauf, dass es sich hier um mehr handelt als zwei Freundinnen beim gemeinsamen Shoppen oder zwei Fußballkumpels. Ein Blick, eine Bewegung, etwas, in dem jedes homosexuelle Paar sich selbst erkennt.

Wie kommt es aber, dass häufig nur andere Homosexuelle mitbekommen, was da läuft? Ich behaupte, es steckt nichts dahinter, was Heteros nicht auch sehen könnten. Sofern sie denn Interesse hätten. Haben sie aber nicht. Weil es für sie ja auch nicht so wichtig ist. "Normale" Pärchen können durch jede Fußgängerzone dieser Welt laufen, Arm in Arm, ohne dass jemand auch nur mit der Wimper zuckt. Als Homo-Paar ist man sich dagegen in jedem Moment seiner Andersartigkeit bewusst. Hier ist Händchen halten und Knutschen in der Öffentlichkeit noch ein Statement.

Logisch, dass man Ausschau hält nach Anderen, denen es genauso geht. Da fällt es einem schneller auf, wenn sich über dem Bistrotisch wie zufällig zwei Hände berühren. Durch die Aufmerksamkeit, die einem selbst zuteil wird, geht man mit schärferen Augen durch die Welt. Ein Hetero, der die omnipräsenten Gesten seinesgleichen ähnlich aufmerksam beobachten würde, wäre wohl innerhalb kürzester Zeit reizüberflutet.

Wir aber suchen still und heimlich nach Gleichgesinnten und werden dabei dann und wann auch fündig. Ganz ohne tiefere Eingebung und höhere Magie, einfach durch aufmerksame Beobachtung. Wenn euch also demnächst ein schwuler Freund auf ein vermeintliches Paar hinweist: Glaubt ihm. Die Wahrscheinlichkeit, dass er Recht hat, ist hoch.

Weiterlesen im 2. Teil »


 
 



 

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