Männermagazine
Nackte Leute von vorn
Wer nackte Frauen sehen möchte, kann das heute kostenlos im Netz tun. Alte und neue Männermagazine stellt das vor ein Problem: Was könnte ihre Leser sonst noch interessieren?
Von Oskar Piegsa
Neulich im Zeitschriftenladen: Eine nackte Hochglanz-Blondine im Profil, die Brustwarzen von ihrem linken Arm bedeckt. "Jenna Jameson – Du wirst sie auch von vorne sehen", lockte das
For Him Magazine (FHM)
auf dem Cover. 3,90 Euro hätte der Anblick gekostet. Aber um Jenna Jameson nackt und von vorne zu sehen, braucht niemand mehr eine Zeitschrift zu kaufen. Im Internet gibt es das kostenlos - von vorne, hinten, oben, unten und aus allen anderen Winkeln. Die Frau hat schließlich Dutzende Pornofilme gedreht.
Die Männermagazine, jahrzehntelang das Leitmedium für Schmuddelfotos, sind in der Krise: Fast ein Drittel seiner verkauften Auflage hat FHM laut einer
Branchenzeitung
seit Ende 2004 verloren. Konkurrenz-Blatt
Maxim
sogar fast die Hälfte. Und
Matador
hat seit Mitte 2005 knapp 20 Prozent weniger verkauft. Nicht nur das Internet ist eine Herausforderung: Es strömen auch immer neue Konkurrenten auf den Markt.
"Hübsche Mädels sind ein Hingucker, aber wir leben ja nicht hinterm Mond. Wer nackte Mädels sehen will, braucht dafür keine Zeitschrift mehr", sagt Patrick Kiefer. Der ehemalige
Playboy
-Mitarbeiter ist heute Redakteur der Zeitschrift
Player
, dem jüngsten Männermagazin auf dem deutschen Markt. Player war als Fußballmagazin gegründet worden –konnte aber trotz Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr nicht genug Anzeigenkunden gewinnen. Dieses Jahr wurde es deswegen als Männermagazin neuerfunden. "Natürlich mögen Männer Fußball", hatte der Chefredakteur Thomas Friemel in der ersten neuen Ausgabe geschrieben, "Aber ist das alles? Nein." Seitdem hagelt es zwar Abo-Kündigungen und empörte Briefe von Lesern, die Michael Ballack wollten und
Adrien Brody
bekamen. Aber Patrick Kiefer glaubt, dass er und seine Kollegen trotzdem eine Marktlücke gefunden haben. "Es gibt genug Männer, die abends ihr Kind ins Bett bringen, aber trotzdem cool sind", sagt Kiefer. Laut Selbstbeschreibung ist die Kern-Zielgruppe "20 bis 49 Jahre alt, mit überdurchschnittlicher bis starker Persönlichkeitsstruktur". Coole Papis, die wissen, was sie nicht wollen. "Wie bekomme ich in vierzehn Tagen einen Waschbrettbauch? Mit welchen fünf Sprüchen kriege ich jede Frau ins Bett? Das interessiert unsere Leser nicht", sagt Kiefer.
"Fitness? Wellness? Beziehungsstatistiken? Nein. Autos und Erotik. Das interessiert alle Männer", sagt auch Sabine Manecke. Sie ist Redakteurin der Zeitschrift
Feld Hommes
, einem Männermagazin, das 2005 von einer Frau gegründet wurde – der Hamburger Art Directorin Mieke Haase. Für sie und ihre Mitarbeiter ist
Feld Hommes
so etwas wie ein Hobby im großen Stil. Bisher verdient damit niemand wirklich Geld, die einzige feste Stelle ist die des Redaktionsassistenten. Umso wichtiger ist den Beteiligten, sich mit ihrem Heft identifizieren zu können. "Es ist eher ein Werk, als ein Produkt", sagt Layouter Oliver Griep. Billige Nacktfotos kommen deshalb nicht in Frage. "Viele Fotografen, die Erotik machen, sind Handwerker. Wir lehnen das nicht ab, aber wir wollen Fotos, die sexy sind, nicht plump", so Sabine Manecke. Auch Player-Redakteur Kiefer erzählt: "Ob man Nackte zeigen will, ist eine Grundüberlegung. Wir haben uns gesagt: Als Männermagazin können wir uns davon nicht frei machen. Aber wir wollen Erotik mit einem besonderen Dreh."
Als der Engländer Edward Cave seinerzeit das
Gentleman’s Magazine
gründete, musste er sich mit solchen Überlegungen noch nicht herumschlagen. Einige Artikel, ein paar Gedichte – das war damals die Mischung für einen starken Auftritt. Im Jahr 1731 erschien die erste Ausgabe seines Hefts, das als weltweit erste moderne Zeitschrift gilt und dessen Macher den Begriff "Magazine" erfunden hat. 176 Jahre hielt das Gentleman’s Magazine durch und zog in der Amtszeit Königin Viktorias eine ganze Welle an Zeitschriften nach sich, die sich an verheiratete Männer mittleren Alters richteten – Gentlemen eben.
Mit dem Wandel des Männerbildes änderten sich auch die Männermagazine. Als letzte große Mode ist in den achtziger Jahren mit dem britischen Magazin
Loaded
das Genre der "Lad’s Mags" entstanden. Hundert Jahre nach dem "Gentleman" galt der "Lad" als neuer Idealtypus: jung, alleinstehend, körperbewusst und hedonistisch. Von ihren Zeitschriften wollten die Lads Fitness- und Flirt-Tipps sowie Mädchen. Diese mussten nicht besonders künstlerisch fotografiert sein, sondern lediglich nackt. Sie wollten all das also, was Patrick Kiefer und Sabine Manecke heute langweilt. Ihre Magazine für coole Väter und von coolen Frauen zeigen dabei nur ansatzweise die inhaltliche Spannweite, die Männermagazine heutzutage haben. Anders als noch in den achtziger Jahren scheint es heute kein dominierendes Männerbild mehr zu geben – zumindest nicht, wenn man den Männermagazinen glauben kann. Die sprechen heute so viele unterschiedliche Zielgruppen an, wie nie zuvor.
In den USA gibt es "Ethnic Men’s Magazines" wie
King
für urbane Afro-Amerikaner,
Hombre
für lateinamerikanische und
Sam
für asiatischstämmige Männer. In Kanada erscheint
Rich Guy
und richtet sich an reiche Männer, der
Men’s Health
-Ableger
Best Life
adressiert die Generation der Übervierzigjährigen, das Kölner
Giddyheft
Indie-Jungs.
Schwulenmagazine werden übrigens von ganz ähnlichen Sorgen geplagt wie Hefte für das heterosexuelle Publikum. "Gerade schwule Medien werden ganz stark durch das Internet getroffen" sagt Philip Eicker vom
Hinnerk
, dem "schwulen Magazin im Norden". "Es gibt immer noch viele, die diskret mit ihrem Schwulsein umgehen und die informieren sich eher im Netz". Analog zur Frage nach den nackten Mädels, stellt sich zudem "die große Schwanzfrage", so Eicker: Zeigt man in seinem Heft Penisse, oder nicht? Als der ambitionierte Chefredakteur eines bundesweit erscheinenden Schwulenheftes die Penisfotos entfernte, sei die Auflage eingebrochen.
Trotz kostenloser Internetpornographie und ausdifferenzierten Männerbildern – ganz auf Erotik zu verzichten, kann sich offenbar kein Männermagazin leisten. Da hilft uns Kerlen auch eine "überdurchschnittliche bis starke Persönlichkeitsstruktur" nicht weiter: Manchmal wollen wir eben einfach nur nackte Leute "von vorne" sehen.
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