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Fremdgehen

Monogamie Adé

Wer mit einer Frau schläft, die nicht seine Freundin ist, der betrügt. Was aber, wenn die Freundin das gar nicht schlimm findet? Lisa führt eine offene Beziehung.


Die Tür fällt ins Schloss. Eben ist mein Freund los, ich bin gerade nach Hause gekommen. Ich mache es mir in seinem Zimmer gemütlich. Nach drei Jahren Beziehung bin ich auch bei ihm zu Hause, und auf seiner Couch ist es bequemer als auf meiner. Sein Computer läuft noch. Als ich ihn ausschalten will, bleibt mein Blick an einer Datei hängen. Sie heißt „Erfahrung”, eine Excel-Tabelle. Etwas in mir kribbelt. Ich öffne sie.


Unzählige Frauennamen sind dort aufgelistet. Daneben entweder ein, zwei oder drei Kreuze. Seine Abenteuer. Manchmal steht dort nur „Blond, 20” und der Name des Clubs. Ich kenne die Geschichten, die hinter den Chiffren stehen: Wir führen eine offene Beziehung und berichten uns von unseren Vergnügungen in fremden Betten. Irgendwo weiter unten steht auch mein Name. Auch wir haben uns als Fremde in der Nacht getroffen.

Mein Freund schafft es in kürzester Zeit, Frauen in ihrem Innersten zu berühren. Sie haben aber wenig Zeit mit ihm: Nur wenn er sich bald wieder zurückziehen kann, wenn alles unverbindlich und schwammig bleibt, kann man Momente des Lichts mit ihm erleben.

Mir ging es ähnlich: von dem Moment an, wo etwas Beziehung hieß, fühlte ich mich erdrückt von Regeln. Gleich in unserer ersten Nacht war klar: Wir haben viel gemeinsam, wir schreien beide nach Freiheit. Ich begriff sofort, dass dieser Vogel nur zu mir käme, wenn ich fliegen ließ. Das gefiel mir. Zwei Jahre blieben wir unverbindlich glücklich, dann brachte uns ein gemeinsamer Urlaub fest zusammen.

Noch immer aber mieden wir das B-Wort. Später einigten wir uns auf "offene Beziehung". Unsere Neugierde auf Menschen, diese Suche, die uns seit der ersten Nacht zusammenschmiedete, wir wollten sie auch weiterhin leben. Jeder für sich.

Mit der Nähe aber wuchsen die Besitzansprüche. Wir wurden einander der wichtigste Mensch. Wir behielten eigene Betten, aber begannen ein gemeinsames Leben. Ein Seitensprung, der es anfangs zwischen uns knistern ließ, tat plötzlich weh. Wenn ich nach einer Nacht voller Sex und Rock'n Roll mit Kopfweh neben einem bierausdünstenden Fremden aufwachte, sehnte ich mich nach der Nähe meines Freundes. Das Abenteuer war nie die Kälte wert, die ich danach fühlte. Was war also Gerechtigkeit, wenn seine Bedürfnisse nicht mehr meine waren? Ich konnte mit meinem Recht nichts mehr anfangen.

Obwohl ich es nicht aussprach, spürte er, was in mir vorging und begann sich zurückzuziehen. Er begann, ein schlechtes Gewissen zu haben, sich für sich selbst zu schämen. Er wollte sogar in Therapie gehen. Ein Warnsignal für mich: Ich wollte ihm nichts verbieten. Immer wieder sagte ich ihm, dass ich ihm alles erlaubte. Ich wusste, dass er kurz davor stand, auszubrechen.

Die letzten Namen in seiner Liste sind jüngste Vergangenheit. Nina, ein Kreuz, also eine Knutschpartie, eine Freundin von Alex, zwei Kreuze, also mehr als Knutschen. Ich bin beim letzten Namen angekommen: Lena Münder, drei Kreuze. Drei Kreuze stehen für drei Buchstaben: S - E - X.

Ihren Namen habe ich noch nie gehört. Wer ist Lena Münder? Ich lese ihn immer wieder, springe ich vom Stuhl auf und laufe in der Wohnung auf und ab. Er hat es mir nicht gesagt. Egal, welche Probleme wir hatten, wir waren immer ehrlich. Wir wollten immer unsere Erfahrungen teilen, dem anderen unsere dunklen Seite nicht verschließen. Und jetzt?

Mir kommen all unsere Beziehungs-Gespräche in den Sinn. Alles verlogenes Geschwätz! Ja, ich habe gesucht, aber ich war nicht darauf vorbereitet, etwas zu finden. Mir ist heiß und kalt wie vor einer Prüfung, mein Herz klopft, aber mein Kopf ist klar. Auch ich bin abgebrühter geworden.

Ich will mit ihm reden. Jetzt. Eine Dummheit: Schließlich habe auch ich sein Vertrauen missbraucht und herumgeschnüffelt. Trotzdem, es muss sein: eine SMS. „Tut mir leid, aber wer ist Lena Münder?” Trotz all der Wut: Mich amüsiert die Vorstellung, wie er da steht, hinter seinen Plattentellern, die SMS öffnet und sein Geheimnis im Display sieht: Lena Münder. Ein Pfeil wird durch sein Gehirn schießen.

Abgeschickt und raus, eine rauchen. Wir sind quitt. Er verzeiht mir meine Schnüffelnase und ich ihm seine Feigheit. Es vibriert. Die Antwort: „Wieso Lena Münder?” Schlau, sehr schlau. Er gibt nichts zu, lügt aber auch nicht . Jetzt bin ich wieder dran. Tricksen aber kann ich auch. Kurz danach stehe ich vor ihm, auf der Tanzfläche des Clubs, in dem er heute nacht auflegt. Kurz fragt er mich mit einem Blick, ob ich ein Drama machen werde. Noch nicht: Wir spielen unser Spiel: er weiß, dass ich es weiß, ich weiß, dass er es weiß und niemand sagt ein Wort. Ist es nun vorbei mit der Ehrlichkeit, bescheißt jetzt einfach jeder jeden in gegenseitigem Einvernehmen? Warum nicht, viele werden so alt zusammen.

Diese bequeme Vorstellung bröckelt schon am nächsten Morgen. Kaum öffne ich die Augen, sehe ich schon ihren Namen in großen Lettern vor mir. Wer ist sie? Noch während ich mit ihm telefoniere, ausmache, wann wir uns treffen - „Ja, ich freu mich” - recherchiere ich schon im Internet.

Und werde fündig: Natürlich, die Schwarzhaarige mit dem kurzen Pony. Ich sehe vor mir, wie sie ihre stark geschminkten Lippen schürzt, wenn sie ihr Bier trinkt. Ein Anruf: „Wollen wir über Lena Münder reden?” Keine Frage, sondern ein Befehl. Ich hör mich die Sätze der Betrogenen sagen: „...kann dir nie wieder vertrauen...das stellt alles in Frage....” Sogar ein „Liebst Du mich noch?” entfährt mir. „Das hat nichts damit zu tun” sagt er dann ruhig und sehr rational. Und ich weiß, er hat Recht.

Es gibt Momente, da ist zwischen uns nichts als Misstrauen. Wir sind ehrlich: Ich kann nicht garantieren, die Finger von seinen Sachen zu lassen, er weiß nicht, ob er mir nicht wieder etwas verschweigen wird. Aber wir wissen auch, dass wir keine Chance haben ohne Vertrauen. Wir müssen uns entscheiden, was mehr wiegt: ein Vertrauensbruch oder drei Jahre Offenheit.

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