Eine Konferenz zu Pornografie? Seit Mitte der neunziger Jahre wird auch an den Universitäten über Sexualität und Pornografie debattiert.
Queer
oder Gender Studies heißt dieses Gebiet, das aus der feministischen Theorie entstand und sich mit der Konstruktion von Geschlechterrollen beschäftigt. Viele Dinge, die der Feminismus noch erbittert bekämpfte, sieht man hier gelassener. 1987 lautete der Schlachtruf der
Emma
noch
PorNO
und Alice Schwarzer schimpfte: "Der zentrale Sinn der Pornografie ist die Propagierung und Realisierung von Frauenerniedrigung und Frauenverachtung." Heute glauben die meisten queere Aktivisten nicht mehr, dass Porno zwingend frauenverachtend sein muss.
Alles in Butter ist deswegen aber noch lange nicht. Ein Grund für die Konferenz sind die aktuellen Angebote der großen Pornoindustrie. "Für mich ist das Symposium eine politische Intervention in den Mainstream-Porno und seine ewig gleichen Geschichten, in denen Männer dumm und mächtig, Frauen dumm und devot dargestellt werden", sagt Tim Stüttgen, der die Veranstaltung organisiert. Trotzdem will Stüttgen keine Mauern ziehen: "Auch die Mainstream-Industrie ist willkommen, das ist nicht alles böse."
Post Porno, das ist für ihn Pornografie, "die abweichende Formen von Sexualität nicht zensiert, sondern fragt: Was können wir mit unseren Körpern noch machen?" Meist sind es Filme aus der alternativen Kino-Szene, die der etablierten Porno-Industrie etwas entgegensetzen. Zum Beispiel die des schwulen kanadischen Regisseurs Bruce La Bruce. Schwarz-weiß und in gekörnter Super-8-Ästhetik zeigt La Bruce Männer, die sich leidenschaftlich küssen, mit Händen und Mündern aneinander rummachen. Zum Porno-Regisseur wurde er wider Willen, sagt er. Weil er entsetzt war von der Homophobie der kanadischen Punkszene, zu der er in den achtziger Jahren selbst gehörte. "Für uns war Porno direkte politische Aktion. Wir dachten: Wenn es sogar in dieser vermeintlich linken Szene Schwulenfeindlichkeit gibt, dann müssen wir explizit homosexuelle Filme machen."
Über die "anderen Formen von Sexualität" wird hier nicht bloß geredet. Stüttgen, auf dessen rosa T-Shirt sich schemenhafte nackte Gestalten räkeln, trägt Turnschuhe und weite Hosen, hat eine Carharrt-Kappe schief auf den rasierten Kopf gesetzt. Nachts verwandelt er sich gerne in eine androgyne Diva mit Federboa und langen Wimpern. "Diese Spannung zwischen Körpern und dem Reden darüber interessiert mich", sagt er. "Als Künstler brauche ich beide Richtungen. Das wird zwar nie eins, aber es kann sich annähern."
Am Rande des Foyers, hinter den Stuhlreihen, sind zwei Stände aufgebaut, die wie ein Sinnbild für diese Spannung funktionieren. Rechts hat der linke Berliner Buchladen
b_books
Theoriewälzer zum Thema ausgelegt. Bände mit Titeln wie
"Sex und die Logik des Spätkapitalismus"
oder
"Die Politik queerer Räume"
. Links verkauft die "Sex-Arbeiterin" und -Beraterin Laura Méritt das Sexspielzeug ihrer Marke
"Sexclusivitaeten"
. Ausgefallene Dildos, Porno-Videos, Handbücher, dazwischen, wie exotische Kuscheltiere oder Sofakissen, große Vaginas aus Plüsch.
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Vor dem Stand steht Kathryn Fischer, sie trägt viel schwarzes Leder und einen langen violetten Punkschopf, der ihr seitlich ins Gesicht fällt. Das sieht wild aus, aber Kathryn ist ein nettes Mädchen. "Hey, how are you?", fragt sie und fängt an, ihre Geschichte zu erzählen. In den USA "Women’s Studies" studiert, sogar überlegt, an der Universität zu bleiben. Aha, eine Akademikerin? Seit zwei Jahren lebt sie jetzt in Berlin und strippt regelmäßig in Szenebars wie dem "White Trash". Aha, eine Stripperin? Wer sich hier mit den Menschen unterhält, bekommt seine Vorurteile umgeworfen. Irgendwie ein gutes Gefühl.