Der Kapitalismus zeigt sein wahres Gesicht, Merkel und Stoiber werden zu Sumo-Ringern und der Kaiser rettet den FC Bayern.
Von Stefan Kesselhut
Montag: 17 Jahre Leipziger Montagsdemo
Letzte Woche langweilte sich die deutsche Spitzenpolitik in Kiel, um die jedes Jahr dröger werdenden Paraden zum Tag der Einheit abzunehmen. Aber wo wären wir heute, hätten die Leipziger nicht vor genau 17 Jahren in einer konzertierten Aktion die
Montagsdemo
erfunden? Würden wir jeden Morgen erwachen, den kalten Atem des inzwischen gesamtdeutschen sozialistischen Einheitsstaats im Nacken? Statt den 3.10. wie einen Nationalfeiertag zweiter Klasse zu begehen, sollten wir heute einmal an jene denken, ohne die die "Mauer noch 100 Jahre stehen würde" (E. Honecker). Die Bilder haben sich in unsere Gehirne gebrannt, die Sprechchöre schallen immer noch in unseren Köpfen: "Egon Krenz, wir sind die Konkurrenz" brüllten damals Zehntausende bei der allerersten Montagsdemo und schafften den Sozialismus ab. Danke, Leipzig!
Dienstag: Der Kapitalismus klopft an
Gebadet vom Schweiße der Geschichtsromantik werden wir heute schon um 4:30 geweckt. Der Kapitalismus, vertreten von Professor Klaus F. Zimmermann vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, steht bereits vor unserer Tür. In seinen Händen ein riesiges Gerät mit hunderten von Zeigern, blinkenden Warn-LEDs und gefährlich klingenden Geräuschen. Mit nur halboffenen Augen starren wir Zimmermann und "Das Gerät" an. Wir wissen sofort Bescheid. Das neue
Konjunkturbarometer
ist da. Mal wieder sollen wir flexibler werden und uns wird vorgeworfen, die Binnenkonjunktur nicht anzukurbeln. Wir denken: Ganz schön anstregend, das mit dem Kapitalismus. Haben wir uns ’89 wirklich für das richtige System entschieden?
Mittwoch: Putin und Stoiber lächeln
Großes Hallo heute für Edmund "Edi" Stoiber. Aus dem fernen Moskau reist der Ein-Mann-Staat
Wladimir Putin
nach München. Ob Stoiber wieder verzweifelt versuchen wird, die Vorteile des Transrapids zu erklären? Wird Ex-KGB-Offizier Putin einen heißen Draht zwischen München und Moskau vorschlagen, für den Fall der plötzlichen Gasverknappung? Können wir leider nicht sagen. Aus gewöhnlich gut informierten Kreisen erfuhren wir aber, dass synchrones 10-sekündiges Kameralächeln vereinbart ist, wenn von Journalisten Pressefreiheit, Georgien und die Aushöhlung der Demokratie in Russland angesprochen werden sollte.
Donnerstag: Dänische Schweinezüchter als Erben Hannibals
Im 3. Jahrhundert war es der geniale Feldherr
Hannibal
, der das Römische Reich an den Rand einer Niederlage gebracht hat. Warum soll, was im Punischen Krieg gut funktionierte, nicht auch im 21. Jahrhundert der Schlüssel zum Erfolg sein? Die Voraussetzungen für die Schlacht sind nahezu dieselben. Man muss nur Hannibal durch "dänische Schweinezüchter", Kriegselefanten durch "Schweine", Rom durch "Bundesgerichtshof" und Punischer Krieg durch "Schadensersatzklage wegen eines faktischen Importverbots in den 90er Jahren" ersetzen. Für den Zuender werden Embedded Journalists aus dem Krisengebiet in Karlsruhe berichten.
Freitag: Sumo-Ringen bei der CSU
Die Blumenpflege muss sich Edmund Stoiber in dieser Woche einmal verkneifen. Am Freitag steht nämlich bereits der nächste Pflichttermin im stoiberschen Taschenkalender. CSU-Parteitag in Augsburg. Prominentester Gast ist Bundeskanzlerin Angela Merkel. Für sie könnte dieser Parteitag gleich in mehrfacher Hinsicht zu einem Abenteuer werden. Hat sie sich erst einmal durch die verschiedenen Strophen von "Ein Prosit der Gemütlichkeit" gehangelt, stehen unter anderem noch der Marsch durch den Weißbiernebel und der Verzehr einer echten bayerischen Weißwurst mit Darm auf dem Programm. Das Finale wird heute, anlässlich der
bayerisch-japanischen Freundschaft
, in einem Sumo-Ring aus Salzbrezeln ausgetragen. Bei wem der
Mawashi
besser sitzt, der kann sich der Gunst der Wähler auf Jahre hinaus sicher sein. Wir das wieder spannend!
Samstag: Der Kaiser rettet den FC Bayern
Der FC Bayern München verliert heute ein weiteres Bundesligaspiel. Diesmal darf sich Hertha BSC Berlin über das Punktegeschenk des Rekordmeisters freuen. Nach dem Spiel überschlagen sich die Ereignisse: Während Bayern-Manager und Wurstfabrikant
Uli Hoeneß
kurz nach Abpfiff noch erklärt, dass "der gesamte Vorstand ohne Wenn und Aber hinter dem Trainer steht", zieht Kaiser Franz Beckenbauer im Aktuellen Sportstudio die Notbremse. Per Videoschalte überbringt er Übungsleiter Felix Magath die frohe Kunde der Beurlaubung. Beckenbauer gibt bekannt, dass er vom nächsten Spieltag an selbst auf der Bank sitzen werde. Für den FCB bricht sofort ein goldenes Zeitalter an.
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Sonntag: Wir danken der Norm
Leicht kommen sie uns über die Lippen, die DIN A4s und die ISO-31s. Selbstverständlich erscheint uns eine Welt, in der Brief in Umschlag, in der Stecker auf Buchse passt. Aber wie stünden wir da, wäre die Welt nicht genormt? Der Zusammenbruch der Weltwirtschaft wäre nur eine Frage von Stunden, der Sicherheitsrat stürzte von einer Krisensitzung in die nächste. Insgesamt stünde die Apokalypse kurz bevor. Deshalb sollten wir, die westliche Welt, den heutigen
Weltnormentag
dazu nutzen, den Rettern unserer Welt zu danken. Danke, liebe International Standardization Organization, International Electrotechnical Commission und International Telecommunication Union!
