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Illegaler

Richtung Leben, hier umsteigen

Sunday ist Nigerianer, 21 und auf der Suche nach dem Leben in Europa. Das Porträt einer Zwischenstation

Mit dem Boot ist er nicht gekommen, denn das ist zu gefährlich. Etwa Zwölf aus Zwanzig haben Glück, die anderen nicht. Sie starten in Marokko und haben zwei oder drei Tage auf See fast nichts zu essen. Sie zahlen 1000 Euro. Viele überleben das nicht. Sunday kennt ihre Geschichten.

Sunday hat das Flugzeug genommen und musste nicht dafür bezahlen, das hat ein Freund getan. Von Nigeria über Schweden ist er nach Italien gekommen, das war vor einem Jahr. Jetzt sitzt er hier, auf der Parkbank in Bologna. Den Flug hätte er auch gar nicht bezahlen können, denn seit vier Jahren war er in Nigeria arbeitslos. Die Verpackungsfabrik, in der er sein Geld verdiente, hatte damals zugemacht und ihn ratlos zurückgelassen. In Nigeria gibt es keine ehrliche Arbeit, meint Sunday. Jetzt sitzt er hier und sagt, er würde am liebsten in einer Verpackungsfabrik arbeiten.

Taschentücher, Tischdecken und Kindersocken. Das verkauft Sunday nun jeden Tag auf der Straße. Zwanzig Euro verdient er täglich, manchmal mehr, manchmal weniger. Das reicht zum Leben mit seinen drei Mitbewohnern, alle machen sie die gleiche Arbeit. Die Hitze macht ihnen zu schaffen, von neun bis fünf Uhr jeden Tag, außer sonntags. Sunday liebt Sonntage, da kochen sie meistens gemeinsam. Italienische Freunde hat er nicht.

Tagsüber eilen die Menschen zwischen den Bars und Geschäften hin und her. Er geht durch die Straßen, spricht sie an und manchmal kaufen sie etwas. Sunday mag die Leute, er findet, dass sie ihn respektieren. Die meisten sind gut. Viele haben selbst nicht so viel Geld, und sie kommen aus vielen Teilen der Welt, sie können ihn verstehen. Sie kennen das Leid in Afrika, lesen darüber. In Deutschland könnte er diese Arbeit nicht machen, da seien die Leute zu streng, meint Sunday.

Sunday ist melancholisch. Sein Gesichtsausdruck verändert sich selten, fast nie lächelt er. Er ist schüchtern und etwas ängstlich. Überrascht hat es ihn, als es in Italien durch die Wahl zu einem Regierungswechsel kam, in Nigeria verändern Wahlen nichts. Er hat sich entschieden nach Europa zu gehen, und natürlich hat er es sich nicht so vorgestellt, wie es jetzt ist – die Geschichten, die er früher gehört hatte, waren ganz anders. Es hieß, er könne hier leicht in jeder Fabrik anfangen. Nein, inzwischen würde Sunday nicht noch einmal diese Strapaze auf sich nehmen, obwohl es hier erträglicher ist als in seiner Heimat. Aber weg kann er auch nicht, ohne Dokumente.

Sunday kennt Leute, die es bereits bis in die Verpackungsfabrik geschafft haben: die haben Dokumente. Das ist sein größter Wunsch im Moment. Als Sunday hier ankam, da hatte er die Wahl. Zwischen Drogen und Taschentüchern. Er hat sich entschieden und möchte nichts mit den Drogenverkäufern zu tun haben, er hasst sie und hat Angst vor ihnen. Nur die Polizei weiß nichts von Sundays Moral, deswegen wird er gelegentlich schikaniert.

Der neue italienische Regierungschef Prodi hat angekündigt, bald alle illegalen Personen im Land zu legalisieren. Die Rechte läuft Sturm gegen diesen Vorschlag. Sundays Augen funkeln kurz. Seit einem Jahr wartet er auf diesen Moment. Dann könnte er endlich eine anständige Arbeit machen. Dann könnte er irgendwann seine Familie in Nigeria wiedersehen.

Diese Zwischenstation muss er überstehen, dann kann er hier auch leben. Sunday hat gelernt zu warten. Geduldig wird er diese Arbeit weitermachen, die er selbst als disgrace empfindet. Und er hat gelernt zu hoffen. Auf die Verpackungsfabrik, die Dokumente, kleine Dinge mit großer Bedeutung für ihn. Almosen lehnt er stets ab, denn er möchte nur für seine Arbeit bezahlt werden. „Wir haben doch gearbeitet, Sunday!“, sagt der Reporter. Da verschenkt er ein großes Lächeln und dazu eine Stange Taschentücher.

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