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Computerspiele

"Alles total geil"

Jungs umschwärmen Babes und Bildschirme, Mädchen striegeln virtuelle Pferde - über Geschlechterklischees hat die Leipziger Games Convention keine neuen Erkenntnisse gebracht. Dafür wurden dort neue Computerspiele präsentiert.

Genauso habe ich mir das vorgestellt: Riesige dunkle Hallen, ein paar tausend flackernde Bildschirme, zäh fließende Menschenmassen und ein Soundteppich aus Schüssen, quietschenden Reifen und Abenteuermusik. Der erste Eindruck hält, was die Veranstalter versprechen – die Games Convention ist vor allem groß. Mit 368 Ausstellern, über 800 Spielpremieren und 183.000 Besuchern hat die Messe in diesem Jahr alle Rekorde gebrochen.

In den Hallen heißt das erstmal Schlange stehen – wer einen Platz am Rechner ergattern will, muss drängeln, was das Zeug hält. Testosterongesteuerte Jungshorden hetzen mit fiebrigen Augen von Stand zu Stand, Rollenspieler im Gothic-Outfit sammeln sich bei Blizzard , Rentner tragen prall gefüllte Gamesload -Taschen zielsicher zum Ausgang. Dazwischen sorgen die Booth Babes für Stau in den Gängen – leichtbekleidete Mädels, die Sticker verteilen und sich von allen Seiten fotografieren lassen, gehören auf der Games Convention zum festen Programm. "Los, da sind noch zwei Schnecken" ist hier das einzige Argument, mit dem man Jungs vom Rechner locken kann.

Die Aussteller haben tief in die Taschen gegriffen, um nach dem Motto "bigger is better" imposante Stände aufzubauen. Das Publikum dankt mit enthusiastischer Begeisterung. In der Microsoft -Arena dürfen Besucher ein Xbox -Autorennen gegen irgendeinen C-Promi fahren: "Und wer will als nächster auf die Bühne?" – "Ich! Ich! Ich!". 120 Jungs springen auf, reißen ihre Arme nach oben und brüllen, was das Zeug hält. Noch lauter ist es nur, wenn Atari Giveaways verteilt und selbst harmlose Mittvierziger im Kampf um einen Kuli plötzlich zu wilden Tieren werden.

Der einzige Stand, der schlecht besucht ist, gehört dem Arbeitsamt . Hinter dem Counter steht ein freundlicher Mann, der offenbar auch nicht so genau weiß, warum er hier ist: "Na ja, in der IT-Branche entstehen ja viele neue Stellen. Da müssen wir am Ball bleiben." Bei der Bundeswehr ist dagegen deutlich mehr los, aber das liegt wohl daran, dass die Männer und Frauen in ihren schmucken Uniformen ein bisschen aussehen wie die Promoter von "Battlefield 2" .

Auch wenn die Stimmung in der Branche in den letzten Monaten etwas trübe wirkte – die Umsätze stagnieren, und wirklich neue Spielkonzepte kann niemand präsentieren – ist auf der Games Convention von einem Ende des Booms nichts zu merken. Highlights sind die neuen Konsolen von Sony und Nintendo , aber noch gespannter warten die meisten auf "Spore" . Die neue Schöpfung des legendären Gamedesigners Will Wright ("Die Sims") soll die Spielewelt mal wieder auf den Kopf stellen. Statt ein vorgegebenes Set von Figuren und Umgebungen zu benutzen, sollen die Spieler von "Spore" ihre Welt komplett selbst erschaffen – per Internet werden die Kreationen weitergereicht und geteilt. Wright hat die Community-Idee von Web 2.0 in ein Computerspiel getragen, und dieses Konzept ist so modern, dass gleich mal ein neues Genre aufgemacht wird: "Spore" ist das erste "Massive Single Player Game".

Andere Neuigkeiten sind längst ein alter Hut: Dass auch Frauen gerne spielen, ist wirklich kein Geheimnis mehr – vor allem Handy-Games und Strategiespiele werden zu fast 30% von Frauen genutzt. Da ist aber noch mehr drin, denken sich die Spielemacher, und bemühen sich auf der Games Convention um gezielte Zielgruppenerweiterung. Damit die Mädles sich nicht den ganzen Tag langweilen, während ihr Freund vorm Ego-Shooter festsitzt, wurde eine eigene Girls-Corner eingerichtet.

Von Emanzipation hat man hier allerdings noch nichts gehört: Die selbstbewussten Mädchen von heute, so lerne ich, mögen am liebsten Tiere, vor allem Pferde. "Hunde & Katzen", "Meine Tierarztpraxis" oder "Abenteuer auf dem Reiterhof 5" heißen dann auch die Spiele, mit denen man die Mädels rumkriegen will. Bei der Präsentation von "Best Friends – Mein Pferd" bleibt mir das Lachen dann vollends im Hals stecken. Es geht darum, eine liebevolle Beziehung zu einem Pferd aufzubauen, samt Füttern, Striegeln und Reittraining; der pädagogische Effekt ist enorm, ebenso die Ersatzbefriedigung, "schließlich kann sich nicht jede Familie ein Pferd leisten". Elektronisches Pferdestreicheln ist scheinbar alles, was man dem modernen Mädchen zutraut – ich beschließe, stattdessen mal eine Runde durchs Business-Center zu drehen.

Der Businessbereich ist der einzig ruhige Ort auf der ganzen Messe. Der Kontrast könnte nicht größer sein: Vorne die unübersichtlichen Ausstellungshallen, ein einziges Chaos aus Lichtblitzen, Lärm, drängelnden Menschen und stickiger Luft. Hier dagegen ist alles sauber, ordentlich und ruhig. Dezente Farben, verstreute Sessel und Lichtinseln lassen die Lounges aussehen wie den Wellnessbereich eines Luxushotels, aber Entspannen ist hier nicht angesagt.

Zum ersten Mal auf dieser Messe wird mir bewusst, dass es beim Spielen nicht nur um Spaß geht, sondern für einige um richtig viel Geld. Auf dem Entertainment-Markt haben Computerspiele sich einen Anteil erobert, der schon fast mit dem der Filmbranche mithalten kann, Tendenz steigend. Aber das scheint hier kein Grund zur Freude. Mit ihren Anzügen und Aktenkoffern rasen die Leute zielstrebig durch die Gänge, und die meisten gucken dabei so ernst, als würde das Schicksal der Welt auf ihren Schultern lasten. Ich wüsste gerne, ob ein paar von ihnen nach der Arbeit den Anzug gegen lässige Trainingshosen tauschen, ein Bier aufmachen und spielen.

Am Ende des Tages bin ich verwirrt: Konsolen, Multiplayer, Ego-Shooter, Jump’n’Run, Sport- und Strategiespiele haben sich in meinem Kopf zu einem breiigen Durcheinander vermischt. Um ein bisschen Struktur in die Sache zu bringen, müssen Experten her. Ich postiere mich also am Eingang und frage die aus den Hallen strömenden Besucher, was sie von der Games Convention halten. Die erste Gruppe, eine Horde Jungs, sind geschafft, aber glücklich. "Richtig geil" ist das einstimmige Urteil. "Und, was fandet ihr am besten?" – "Hmm, kann man so gar nicht sagen, eigentlich war alles geil." Na gut, also die nächsten: "Wie hats euch denn so gefallen? – "Total geil." – "Was habt ihr den ganzen Tag gemacht?" Zögerliches Grinsen: "Gespielt." Okay, blöde Frage, weiter. Auch sie wollen sich nicht auf einen Top-Act festlegen, irgendwie war alles geil.

Nach ein paar mehr Interviews gebe ich auf, das Ergebnis ist schließlich eindeutig. "Wir haben mit der GC 2006 das Herz der Konsumenten erreicht", wird Olaf Wolters, Geschäftsführer des Bundesverbandes interaktive Unterhaltungssoftware, nach der Games Convention feststellen.

Auch schön:

Komm Nerds kucken - Eine Bildergalerie von der Games Convention

Du bist Internet! - Aber was ist "Web 2.0"?

Drüber reden? - Dieser Artikel wird hier im Forum diskutiert

Nach Hause - Zuender. Das Netzmagazin


 
 



 

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