Kuba
Turismo o muerte
Touristen sind in Kuba die Geldquelle No. 1. Und manchmal auch ein Ticket nach draußen
Kati Krause
"Patria o Muerte – Vaterland oder Tod" steht groß auf der Hauswand. An ihr gelehnt steht Ivanis, grinst breit in die Kamera und hält zwei Finger zum Victory-Zeichen hoch. "Heute wird gefeiert!" ruft er, legt den Arm um die Schulter eines Freundes und trinkt einen Schluck aus der Flasche Rum, 1$ das Stück.
Am nächsten Tag wird Ivanis Santa Clara, seine Heimatstadt, und Kuba, sein Vaterland, verlassen. Von dem hält er genausowenig wie vom Tod. Seine holländische Freundin, die er vor zwei Jahren auf ihrem Kubaurlaub kennenlernte, hat sich endlich dazu entschlossen, ihn zu heiraten und ein gemeinsames Leben mit ihm in Amsterdam zu beginnen. Lange hat er darauf hingearbeitet.
Eine Ehe, das ist eine der wenigen Möglichkeiten für Kubaner, ihr Land zu verlassen, rein rechtlich. Aber auch wegem dem Geld. 50 US-Dollar kostet ein Reisepass, mehrere hundert ein Flugticket. Ein Arzt verdient umgerechnet zwölf Dollar im Monat, eine Kindergärtnerin acht.
Da braucht man Hilfe von außen. Für Männer scheint das einfacher zu sein als für Frauen; Ivanis erzählt, ein Freund von ihm werde bald sich bald mit einer Australierin verheiraten, und er kenne schon andere Kubaner in Amsterdam. "Ich mag meine Freundin", sagt er und zwinkert. "Sie ist total verliebt in mich."
Raus aus dem Land, davon träumen viele junge Kubaner. Politik interessiert nur die wenigsten, die Revolution geht Ivanis und seinen Freunden – er sieht sich um, vergewissert sich, dass kein Fremder in der Nähe ist - "am Arsch vorbei". Sie wollen eigentlich nur gut leben. So, wie die Touristen, die zu tausenden an Kubas Strände schwärmen und Mojitos im Garten vom Hotel Habana Libre trinken, mit Blick über den Malecón, die lange, breite Küstenstraße Havannas, auf der immer wieder Polizisten patroullieren, um Gruppen junger Menschen von der Mauer zu scheuchen.
Touristen fahren hier in gepolsterten Bussen und schlafen in klimatisierten Hotels oder - wenn sie alternativ und per Rucksack unterwegs sind – in "Privathäusern" mit fließend Wasser und ausgiebigem Frühstück. Eine Lizenz für so eine "Casa Particular" ist teuer und die Abgaben an den Staat sind hoch. Trotzdem bleibt den Betreibern noch genug übrig, um sich Annehmlichkeiten zu leisten, die einem Arzt oder einer Kindergärtnerin verwehrt bleiben. Zusammen mit Kubanern, die Geld schickende Verwandte in Miami oder Madrid haben, bilden sie die obere Mittelklasse.
Moment, obere Mittelklasse?
Für Ana ist die Blockade an allem Schuld. "Wenn die Amerikaner und Europäer nur Handel mit uns betrieben, dann wäre hier alles in Ordnung!" ruft sie und ringt mit den Händen. Als es die Sowjetunion noch gab, da war alles besser. Da kaufte noch jemand kubanischen Zucker.
Sie ist jetzt über sechzig und war eine der ersten Lehrerinnen, die nach der Revolution Castros Ruf folgten und sich auf den Weg in die armen ländlichen Gebiete machten, um vergessene Kinder in heruntergekommenen Dorfschulen zu unterrichten. Bis vor kurzem noch lehrte sie Philosophie an der Universität von Havanna. Heute vermietet sie ein Bett in ihrem kleinen Apartment im Zentrum der Stadt an ausländische Studenten und Touristen, ohne Lizenz. Deshalb kauft sie manchmal Essen für die Nachbarn, und man muss sich ein paar Mal umschauen, bevor man das Gebäude betritt oder verlässt.
Prostitution oder…?
Clara und Maria sitzen in einem Café in Cienfuegos. Sie sind 25 und 28 Jahre alt, die eine Krankenpflegerin, die andere Kellnerin. Beide haben einen Mann und Kinder in Camaguey. "Ich habe meinem Mann erzählt, meine Mutter sei krank und ich müsste sie besuchen", sagt Clara und lacht. "Unsere Freunde aus Kanada sind hier. Und bald geht die Schule wieder los und mein Sohn braucht neuen Schuhe. Was soll ich da machen?"
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