Vielen Leuten fehlt der Einblick, was in der Bareback-Szene tatsächlich passiert. Ich denke es hilft nichts, da immer so eine Horrordiskussion aufzubauen und mit dem Holzhammer zu argumentieren. Dafür ist das Thema viel zu komplex und hat mit viel zu vielen Komponenten zu tun. Bei Sex geht es um Menschen und um Gefühle, es werden ganz viele Entscheidungen getroffen, die nicht rational erklärbar sind. Wenn sich jemand entscheidet, Bareback zu machen, dann ist das meistens sowieso ein Fall für den Therapeuten. Da will ich mich nicht einfach hinstellen und sagen: Das ist bäh, was der macht. Natürlich ist es bescheuert, aber da spielt so viel an persönlichen Dingen im Vorfeld eine Rolle, da gibt es keine einfachen Antworten.
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Würdest du auch in einer festen Beziehung nicht auf ein Kondom verzichten?
Das sagt sich immer so leicht. Sagen wir so: Ich habe vor einem Monat gerade erst einen HIV-Test machen lassen und ich habe auch keinerlei Veranlassung zu glauben, dass ich mich seitdem angesteckt habe auch wenn es da ja ein gewisses diagnostisches Fenster gibt, weil eine Infektion immer erst vier Wochen später nachweisbar ist. Ich weiß aber einigermaßen sicher, dass von mir keine Gefahr ausgeht.
Worum es aber im Kern geht, ist die Frage des Vertrauens und das ist ein ganz heikler Punkt. Gerade in einer Partnerschaft, die ja irgendwann auch einmal angefangen hat, hoffentlich mit Kondomen. Irgendwann kommt man an einen Punkt, wo der eine sagt, er möchte auf den Gummi verzichten und der Partner sagt dann plötzlich: Nee, ich aber nicht. Das ist schwierig, weil in dem Moment, wo ich sage, ich verzichte nicht, sende ich ja ein Signal aus: Ich vertraue Dir eigentlich gar nicht, oder aber Ich habe selbst etwas zu verbergen. Und das in einer Partnerschaft auszuhandeln, das muss man hinkriegen. Von daher finde ich es leichter, wenn von vornherein klar ist, dass auf Kondome nicht verzichtet wird. Dann kommt dieser Konflikt erst gar nicht.
Das widerspricht so ziemlich allem, was in der heterosexuellen Welt blumig als Liebe und Fundament einer festen Beziehung bezeichnet wird.
Ich glaube, es gibt sehr viele verquere Bilder vom schwulen Leben. Schwule gelten grundsätzlich als promisk und was weiß ich noch. Was man mit Zahlen belegen kann, ist, dass ungefähr die Hälfte aller Schwulen in Beziehungen leben und nach eigenen Angaben auch durchaus monogam. Und es ist ja auch nicht so, als würden Heteros immer nur Händchen halten oder brav zu Hause dem Familienglück frönen. Das ist gerade in Metropolen, wo man eine irrsinnige Zahl von Singles hat, auch kein Wunder. Die wollen ja sicherlich nicht alle als Mönche und Nonnen ihr Dasein fristen. Also ich glaube, dass sich das so arg nicht unterscheidet.
Was sich unterscheidet, ist, dass die Formen von schwulen Beziehungen vielfältiger sind, also dass es mehr offene Beziehungen oder Dreierkonstellationen gibt. Die Vielfalt des möglichen Beisammenseins die ist bei Schwulen größer. Aber es ist auch nicht so, als gäbe es nur Unverbindlichkeit, oder nur Bed Hopping und One Night Stands.
Fazit?
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Kondome schützen. Das ist eine simple Botschaft, aber die gilt nach wie vor. Ich kenne einfach zu viele Leute, die positiv sind, und den einen oder anderen Friedhof habe ich auch schon gesehen. Ich habe einfach zu viel Schiss, um mal eben zu sagen: Nö, kein Safersex mehr.