MEDIEN
Tsunami macht Spaß
TEIL 2
Christopher sagt, ihm mache das alles nichts aus. Er ist Kameramann bei
einer anderen Agentur, macht die gleiche Arbeit. Immer wieder Leichen
filmen. Zerfetzte Körper, abgetrennte Köpfe, jede Nacht. Die
Motorradunfälle sind die schlimmsten, sagt er und grinst. Nein,
wirklich mir ist das egal." Er wirkt noch sehr jung, mit seiner
Tarnhose und der Coolness.
Medienpsychologe Daniel Süss spricht von einem Phänomen, das bei
Katastrophenhelfern, Polizisten und Feuerwehrleuten auftaucht. Ein Job,
der einen oft in Grenzsituationen führt, kann die Illusion auslösen,
man sei unverwundbar. Dadurch wird man leichtsinnig.
Auch Psychoanalytiker Thomas Abel hat für Gefühllosigkeit eine
Erklärung. Er spricht von Verrohung im Job. Wenn man lange genug mit
Grauen in Berührung kommt, stumpft man ab und lässt tatsächlich keine
Gefühle mehr an sich heran. Solange die Verrohung ausschließlich auf
den Job beschränkt ist, ist sie kein Problem, sagt er, sondern
lediglich ein Schutz-Mechanismus. Erst wenn die Verrohung sich auf
private Gefühle ausweitet, wird es gefährlich. Dann kann es sogar sein,
dass man verlernt zu lieben.
Ulrich Ladurner wirkt nicht verroht. Er schreibt für die
ZEIT
und hat bei seiner Arbeit Bilder gesehen, die er nicht mehr los wird. Seine Stimme klingt warm, man kann hören, dass er viel denkt, bevor er spricht. Er war während des Krieges im Kosovo, er war in Afghanistan, im Irak. Dort, in Nadschaf, gab es eine Situation, die er niemals vergessen wird. Irgendwer rief etwas von einer Granate: Da ist was passiert, das müssen wir uns ansehen. Da wusste Ladurner schon, dass er sich das lieber nicht ansehen will. Aber genau das ist es, was er tun muss. Ansehen und berichten. Keine Widerrede. In einem Leichenschauhaus sieht er die Kinder. Vier, so zwischen sieben und zwölf. Nicht nur tot, sondern zerfetzt, von der Granate zerrissen und verbrannt. Diese Bilder wird er niemals vergessen. Geschlafen hat er in dieser Nacht nicht. Aber geredet, mit einem Kollegen. Man macht seine Arbeit. sagt er, und: Ich hasse Sentimentalität. Zynisch ist er nicht.
Um auf solche Situationen optimal vorbereitet zu sein, bietet zum
Beispiel die Bundeswehr Kurse für Journalisten an, sagt Daniel Süss.
Wenn man weiß, was einen erwartet, kann man seinen Job machen und wird
auch von seinen Gefühlen nicht überrollt dabei - und vor allem danach.
Wie man gerade, wenn man vor Ort" ist mit Grauen umgeht und wie
man danach darauf reagiert, hängt vor allem auch mit der eigenen
Persönlichkeit zusammen. Wer in der Kindheit ein Urvertrauen
mitbekommen hat, das Wissen, dass alles gut" wird, kann später besser
mit schrecklichen Situationen umgehen. Wer ein gesundes Selbstvertrauen
hat und in sich ruht", hat bessere emotionale Möglichkeiten, Erlebtes
zu verarbeiten. Ullrich Ladurner hat oft Angst während der Arbeit, sagt
er. Aber das ist auch gut, Angst macht wach, aufmerksam. Er weiß, wenn
er nur noch Leere spürt, dann wird es gefährlich.